Der erste Aussteiger auf den Balearen: Ludwig Salvator

Ludwig Salvator (Quelle: Schloss Brandýs nad Labem)

Ludwig Salvator ist als Forschungsreisender in die Kulturgeschichte eingegangen. Von den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg bereiste er den Mittelmeerraum. Zahlreiche Küstenstreifen und Inseln hat der vielseitige Naturforscher, begabte Zeichner und Reiseschriftsteller erstmals wissenschaftlich dokumentiert. Ungewöhnlich waren aber nicht nur Ludwig Salvators Reiseziele. Bemerkenswert ist auch die Herkunft des Reisepioniers: Ludwig Salvator entstammte dem toskanischen Zweig des Hauses Habsburg-Lothringen. 1847 wurde er in Florenz als Sohn des Großherzogs der Toskana, Leopold II., geboren. Nach dem italienischen Befreiungskrieg zog die Großherzogsfamilie nach Böhmen. Hier wuchs Ludwig Salvator heran, an der Prager Karl-Ferdinands-Universität hat er studiert. 1915 ist Ludwig Salvator auf Schloss Brandýs / Brandeis an der Elbe verstorben. Dort gibt es heute einen Ludwig-Salvator-Verein. Dieser pflegt nach Jahrzehnten des Vergessens nun auch in Tschechien das Vermächtnis des unkonventionellen Habsburgers.

Schloss Brandýs  (Foto: Martina Schneibergová)
Milan Novák ist Kulturamtsleiter im mittelböhmischen Brandýs nad Labem. Er hat den Ludwig-Salvator-Verein mitbegründet. Als aufrichtiger Bewunderer Ludwig Salvators bemüht er sich, den einstigen Schlossherrn von Brandýs der Öffentlichkeit nahe zu bringen.

„Als das Schloss im Jahr 2004 nach der Renovierung wiedereröffnet wurde, haben wir eine Ausstellung über Ludwig Salvator installiert, die mehrere unserer historischen Räume einnimmt.“

Ludwig Salvator  (Quelle: Schloss Brandýs nad Labem)
Exponate zu beschaffen, die mit Ludwig Salvator unmittelbar verknüpft sind, erwies sich allerdings alles schwierig. Seit dem 16. Jahrhundert hatte das Schloss Brandýs den Habsburgern gehört. Doch nach 1918 war es in den Staatsbesitz der Tschechoslowakei übergegangen. Das Renaissanceschloss wurde danach über acht Jahrzehnte zweckentfremdet. Büros, Betriebsräume und Wohnungen waren darin untergebracht, das Schloss verwahrloste. Die Inneneinrichtung und die Sammlungen, die Ludwig Salvator einst in Brandýs verwahrt hatte, seien heute in alle Winde zerstreut, sagt Milan Novák. Dennoch konnte der Kulturamtsleiter eine Ausstellung organisieren, die einen Eindruck vom Schaffen Ludwig Salvators vermittelt:

Foto illustrativ: Dora Pete,  Stock.XCHNG
„Die Besucher können hier die private Bibliothek der toskanischen Habsburger sehen. Ludwig Salvator hat diese Familienbibliothek mit seinen eigenen Werken ergänzt. Und es ist uns gelungen, mehrere Dutzend Vogelpräparate hierher zu bekommen, die Ludwig Salvator nachweislich selbst anfertigen ließ.“

Ludwig Salvator war im zarten Alter von zwölf Jahren aus Italien nach Böhmen gekommen. Das war 1859 gewesen. Die Habsburger verloren damals das Großherzogtum Toskana im Zuge des italienischen Befreiungskrieges. Brandýs war der zweite Wohnsitz, den die Großherzogsfamilie aus der Toskana in Böhmen nahm.

„Den toskanischen Habsburgern gehörte bereits das Schloss in Ostrov bei Karlsbad. Damals hieß die Stadt Ostrov ‚Schlackenwerth’. Dort ließ sich Leopold II. mit seiner Familie zunächst nieder. Ein Jahr später zog er ins Schloss Brandýs bei Prag um. Und mit ihm kam auch sein Sohn Ludwig Salvator hierher.“

Foto: Roman Casado
Ein Jahrzehnt lang lebte der junge Erzherzog dann auf Schloss Brandýs. Er studierte an der Karl-Ferdinands-Universität in Prag Naturwissenschaften und Sprachen. Gleichzeitig übte sich Ludwig Salvator auch in den Künsten.

„Ludwig Salvator studierte an der Akademie der bildenden Künste bei Professor Antonín Lhota Zeichnen. Durch seine Prager Studien erwarb er wichtige Grundlagen für die Forschungen, die er später auf seinen Reisen durchführte. Aber auch seine Publikationen wurden dadurch erst möglich. Denn er konnte die Erkenntnisse, die er auf seinen Reisen gewann, mit Zeichnungen verdeutlichen. Diese dienten dann als Vorlage für die Illustrationen seiner Reisebücher.“

Ludwig Salvator ließ schon früh keinen Zweifel daran, dass er sich nicht auf den üblichen Gleisen seines Standes bewegen würde. Eine Beamten- oder Offizierslaufbahn hatte für ihn keinen Reiz. Ihn interessierten Wissenschaft, Kunst und fremde Länder. 1867 brach der gerade einmal Zwanzigjährige auf seine erste Forschungsreise zu den Balearen auf. Die Hauptinsel Mallorca begeisterte ihn so sehr, dass er einige Jahre später seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegte.

Ludwig Salvator  (Quelle: Schloss Brandýs nad Labem)
Während der nächsten 30 Jahre kaufte Ludwig Salvator mehrere Landgüter an der Nordküste der Insel. Schließlich nannte er einen 16 Kilometer langen Küstenstreifen sein Eigen. Auf Exkursionen erkundete er die damals weitgehend unbekannten Balearen und legte seine Erkenntnisse in dem siebenbändigen Werk „Die Balearen. In Wort und Bild geschildert“ nieder. Milan Novák hat das monumentale Zeugnis gelesen:

„Sie finden in diesen Bänden im Grunde sämtliche Informationen über die Balearen aus der damaligen Zeit, die Sie interessieren könnten. Das Werk beschreibt die Geographie, die Landschaft, Natur, Architektur, Kultur, das Recht und die Sprache.“

Doch Ludwig Salvator besuchte noch andere Inseln und Küsten im Mittelmeerraum. Er begeisterte sich besonders für kleine, unentdeckte Inseln, die seiner Ansicht nach zu Unrecht wenig bereist wurden.

Mallorca
Dem Erzherzog eilte auf seinen Reisen der Ruf eines Exzentrikers voraus. Auf seiner Dampfyacht „Nixe“, mit der er im Mittelmeer kreuzte, begleitete ihn eine bunt zusammen gewürfelte Reisegesellschaft von etwa 20 Personen, sowie Hunden, Katzen, Vögel und Affen. Und auch auf Mallorca erregte Ludwig Salvator Aufsehen. Der Junggeselle war nicht nur der Schönheit der Mallorquinnen zugetan, sondern er fiel auch durch schrullige Umgangsformen auf. Noch heute kursieren auf Mallorca Anekdoten über den populären Habsburger. So zum Beispiel kleidete sich Ludwig Salvator betont nachlässig. Wegen seiner schäbigen Tracht soll er wiederholt für einen Schweinehirten oder Fischer gehalten worden sein, was ihn angeblich sehr belustigte.

Sein Forschungseifer wurde durch die Vorliebe für Konventionsbrüche jedoch nicht geschmälert. Mehr als 50 Bücher hat Ludwig Salvator über seine Reisen verfasst. Milan Novák erinnert daran, dass viele davon in Prag verlegt wurden:

Buchillustration von Bedřich Havránek
„In Prag gab es damals den Heinrich-Mercy-Verlag. Bei ihm brachte Ludwig Salvator eine ganze Reihe Bücher heraus. Bedřich Havránek, ein versierter Maler, Graphiker und Kupferstecher fertigte anhand der Zeichnungen von Ludwig Salvator graphische Vorlagen für die Bücher an. Diese wurden dann zu Kupferstichen verarbeitet, deren Drucke die Bücher illustrierten.“

Ludwig Salvator hielt aber nicht nur Kontakt zu seinem Prager Verleger, sondern er kehrte auch immer wieder an seinen Familiensitz in Brandýs zurück. Im Schloss verwahrte er naturkundliche Sammlungen, die er auf seinen Reisen zusammen getragen hatte. Und er forschte auch in Böhmen. Besuche auf mehreren Weltausstellungen hatten ihn in seinen ethnographischen Interessen bestärkt. Denn der Erzherzog war überzeugt, dass die Kenntnis anderer Kulturen den Frieden fördere. In diesem pazifistischen Geist legte Ludwig Salvator in Přerov / Prerau, einem Ort in der Umgebung von Brandýs, den Grundstein für das erste böhmische Freilichtmuseum. Milan Novák:

„Ludwig Salvator kaufte im Jahr 1900 ein traditionelles böhmisches Landhaus an. Dieses Haus war das erste museale Bauobjekt, mit dem hierzulande die ländlichen Bräuche und die volkstümliche Architektur dokumentiert wurden.“

Schloss Brandýs nad Labem  (Foto: Roman Casado)
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, musste Ludwig Salvator auf Befehl Kaiser Franz Josephs I. aus dem sonnigen Süden nach Österreich zurückkehren. Der Reisepionier litt bereits an Elefantiasis, einer Erkrankung der Lymphbahnen. Am 12. Oktober 1915 verstarb Ludwig Salvator auf Schloss Brandýs nad Labem.

Jedes Jahr um den Todestag des namhaften Forschungsreisenden herum veranstaltet der Ludwig-Salvator-Verein in Brandýs ein internationales Symposion. Kenner aus den Ländern, in denen Ludwig Salvator Spuren hinterließ, versammeln sich dann auf Schloss Brandýs – Forscher aus Tschechien, Österreich, Italien und Spanien – um im Kreis von Eingeweihten neueste Erkenntnisse auszutauschen.