Eurostat: Prag ist die fünftreichste Region Europas – vor Paris und Wien

Пражский Град

Prag und das mittelböhmische Umland gehören zu den reichsten Regionen innerhalb der Europäischen Union. Das geht aus der jüngsten Studie des Europäischen Statistikamtes (Eurostat) hervor. Unter den mehr als 270 Regionen, die Eurostat unter die Lupe genommen hat, belegt die tschechische Hauptstadt Platz fünf gemäß der Wirtschaftsleistung. Sie beträgt in der Region Prag 172 Prozent des EU-Durchschnitts. Nach den Erhebungen von Eurostat liegt Prag damit sogar deutlich vor Wien, das mit 163 Prozent Platz elf belegt.

Die Stellung Prags an der Spitze der Eurostat-Tabelle hat bestimmt viele Tschechen, vor allem aber Prag-Bewohner überrascht. Mancher mag sich die Frage stellen: Prag an fünfter Stelle nach London, Luxemburg, Brüssel und Hamburg? Wir haben dazu den Wirtschafts- und Sozialexperten Petr Višek vom „Sozioklub“ um eine Einschätzung gebeten.

„Das hört sich gut an. Man bräuchte aber eine Strukturanalyse dieses Phänomens, um es transparenter zu machen. Prag hat praktisch aufgehört, ein Industriestandort zu sein. Zahlreiche Unternehmen haben ihre Produktion eingestellt oder in andere Regionen verlagert. Auf der anderen Seite werden hier ständig neue Bürohäuser gebaut, in denen sich verschiedene Firmen ansiedeln. Dass Prag eine dominante Stellung auch innerhalb der Tschechischen Republik hat, ist meiner Meinung nach unter anderem auf Folgendes zurückzuführen: Viele große Firmen, deren Produktionsbetriebe landesweit verstreut sind, haben ihre Zentralen in Prag. Hier werden daher die Kennziffern ihrer Leistungen - Gewinne, Steuern, Kosten und Ähnliches – ausgewiesen.“

Als relevant für statistische Berechnungen wie etwa die von Eurostat betrachtet Visek auch die in Tschechien boomende IT-Branche, deren Firmen zum Großteil wiederum von Prag aus geleitet werden:

„Das ist eine Branche, die sich - allgemein genommen - ungeachtet der Wirtschaftskrise sehr intensiv entwickelt. In Tschechien verzeichnen wir eine dynamische Entwicklung der Informationstechnologien.“

Und auch das mag dazu beigetragen haben, dass die tschechische Hauptstadt in der Wohlstands-Rangliste eine bessere Position als andere europäische Metropolen belegt. Prag und sein Umland sind allerdings die einzigen Regionen Tschechiens, die im internationalen Ranking gut abschneiden. Weitere sieben Regionen Tschechiens befinden sich unter den insgesamt 66 ärmsten EU-Regionen, deren Wirtschaftsleistung weniger als drei Viertel des EU-Durchschnitts ausmacht. Dies betrifft unter anderem die Regionen rund um die Industriestädte Ostrava / Ostrau und Ústí nad Labem / Aussig.

Dafür, warum zwischen Prag und den anderen Regionen des Landes so ein krasser Unterschied in der Wirtschaftsleistung liegt, hat Petr Višek außer den bereits genannten Argumenten noch folgende Erläuterung:

„In Tschechien läuft seit bereits geraumer Zeit eine Restrukturalisierung der Wirtschaft. In mehreren Regionen wird schrittweise die Schwerindustrie stillgelegt, die dort den primären Wirtschaftsfaktor darstellte. Daraus ergeben sich große Probleme wie zum Beispiel die hohe Arbeitslosigkeit. Auch das spiegelt sich im Vergleich zwischen Prag und den anderen Regionen wider. In Prag beträgt die Arbeitslosigkeit drei Prozent, was eigentlich keine Arbeitslosigkeit ist. In einigen anderen Regionen liegt sie hingegen um die 20 Prozent.“

Und worin sieht der Wirtschaftsexperte die Ursache der unerfreulichen Situation? Auf diese Frage antwortet er kurz und bündig: In Tschechien werde immer noch keine richtige Regionalpolitik betrieben. Da stehe man erst ganz am Anfang.