Kommunistische Vergangenheit von Prominenten ist immer noch Thema

Zwar sind 20 Jahre seit dem Sturz des Kommunismus vergangen, doch aufgearbeitet ist die Zeit vor dem 17. November 1989 noch längst nicht. Das betrifft auch die Zugehörigkeit zur Partei oder zum Bespitzelungsapparat des Regimes. Immer wieder tauchen in den Medien Namen von Prominenten auf, die angeblich oder erwiesenermaßen beteiligt waren. Unterschiedlich laut ist dann auch der Aufschrei der Öffentlichkeit. Das tschechische Amt für Studium totalitärer Regime geht nun den Weg der schonungslosen Veröffentlichung. Vergangene Woche hat es fast 1000 Namen ehemaliger kommunistischer Agenten ins Internet gestellt.

„Viele von denen haben sicher schon gedacht, ihre Namen seien bereits vergessen und sie müssten sich nicht mehr rechtfertigen. Es ist aber wichtig, dass dort Namen stehen, die schon in Vergessenheit geraten sind“, meint diese Passantin in der Prager Innenstadt.

Ihr stimmen weitere Leute zu, auch dieser Mann:

„Es ist genau richtig, zu erfahren, wer da mitgemacht hat und wo er heute arbeitet.“

Eine junge Frau hingegen ist unentschlossen:

„Tja, mir selbst bedeutet das nichts. Ich bin so jung, dass ich das Regime nicht mehr erlebt habe. Also…“

So also einige Meinungen von Passanten auf den Straßen der tschechischen Hauptstadt. In der kleinen Umfrage von Radio Prag überwiegen die Befürworter: Von zehn Befragten finden sieben, dass die Namen der ehemaligen Agenten veröffentlicht werden sollen. Es gibt aber auch andere Stimmen, wie von Ludmila, die aus der Slowakei stammt:

„Was Vergangenheit war, sollte man ruhen lassen. Wir sollten viel eher nach vorne schauen, wir müssen jetzt wissen, was an Gutem und Schlechten auf uns zukommt.“

Nicht alle stimmen also mit Pavel Žáček überein, dem Leiter des Instituts für das Studium totalitärer Regime. Er ließ die konkreten Personen hinter den Decknamen in den Kaderakten des Außenspionagedienstes aufspüren und am Montag vergangener Woche ins Internet stellen:

„Ich erinnere mich noch an die Diskussion im Jahr 1989. Ich arbeitete damals in der Studentenzeitung. Man war damals hungrig auf Informationen, wer wo was gemacht hat. Der Schlüssel war damals die Staatsverwaltung, sie wollte mit den Informationen nicht herausrücken. Wir haben heute mit unserem Institut eine unabhängige Institution, die selbst entscheiden kann, was relevant ist zu veröffentlichen. 20 Jahre danach haben wir uns entschieden dies zu tun, weil wir der forschenden Öffentlichkeit und den Medien den Zugang zu den Materialien erleichtern wollen“, so Žáček.

Ihm und seinen Kollegen ist es im Übrigen gelungen, 985 Namen aufzudecken. Viele Beteiligten bleiben aber auch im Dunkeln, die Liste ist nicht vollständig. Insgesamt betrieben 1000 bis 1600 Menschen im tschechoslowakischen Staat Außenspionage. Sie gehörten zur ersten Abteilung des SNB, des Korps der nationalen Sicherheit. Offiziell gingen diese Leute ganz unterschiedlichen Berufen nach. Eine ganze Reihe war in den Unternehmen des tschechoslowakischen Außenhandels tätig, über 200 aber auch im Ausland wie bei der Uno in New York.

Von jedem Agenten sind nun Name und Deckname veröffentlicht, sowie Fotokopien der Kaderakte mit einem Passfoto und einem tabellarischen Berufsweg.

Nicht ersichtlich ist aus den Dateien aber, wie viel Dreck jemand am Stecken hat. Das zieht sich wie ein roter Faden auch durch frühere Veröffentlichungen von Geheimdienstmitarbeitern, die Privatpersonen vorgenommen haben. Schon 1992 gab der ehemalige Dissident Petr Cibulka eine Zeitung mit einer Auflistung früherer Geheimdienstmitarbeiter heraus. In diesem Sommer wiederum zog ein weiterer ehemaliger Oppositioneller nach: Stanislav Penc. Er bekennt jedoch:

„Allein die Tatsache, dass jemand in irgendeiner Liste geführt wurde, auch einer offiziellen, sagt überhaupt nichts über seine Schuld oder Unschuld aus. Jeder Fall muss einzeln untersucht werden, denn auch in den offiziellen Listen der Agenten sind Menschen, die unter Druck, Drohungen oder sogar unter Gewaltanwendung irgendein unsinniges Papier unterschrieben haben, dass für ihr eigenes Leben gar nichts bedeutet hat. Und nach der Revolution haben Leute, die im Kommunismus nicht mal den Mut hatten zu sagen, dass Parteichef Jakes ein Ochse ist, das Gefühl, dass sie dem angeblichen Geheimdienstmitarbeiter das Papier unter die Nase reiben können. Das ist meiner Meinung nach die falsche Herangehensweise“, sagt Penc.

Allerdings wollen viele Leute in Tschechien genau das gerne wissen: wie viel Schuld dieser oder jener auf sich geladen hat. Kritisiert wird zudem das Verfahren „Die Kleinen henkt man, die Großen lässt man laufen“. Dies merkt auch einer der Passanten an, die Radio Prag befragt hat und der sich als Petr vorstellt.

„Je mehr veröffentlicht wird, desto besser. Aber die Frage ist immer, wie weit man geht. Die Cibulka-Listen beispielsweise rufen bei mir große Zweifel hervor. Wir erfahren immer noch nicht die Namen derer, die verantwortlich waren. Falls es auch in die höchsten Spitzen der Führung geht, dann hat die Öffentlichkeit natürlich auch das Recht, die Namen zu erfahren.“

Die Liste des Instituts für das Studium totalitärer Regime nennt auch die Namen aus der Führungsetage der Außenspionage. Doch wer darüber stand und also das Korps der nationalen Sicherheit befehligt hat, lässt sich dort nicht ersehen.

Zudem musste das Institut viele Stellen in den Akten einschwärzen. Das sind zum Beispiel die Angaben über die Tätigkeit der Aufgelisteten nach dem 1. Februar 1990 – zu diesem Termin war der Geheimdienst aufgelöst worden. Um Datenschutz hatte sich Stanislav Penc hingegen nicht geschert und das Amt für Datenschutz ordnete ihm deswegen Ende September an, seine Webseite mit den Listen zu schließen. Das kann sich das Institut zum Studium totalitärer Regime als staatlich finanzierte Institution nicht erlauben, es hat seine Listen ohnehin vom Archiv der Sicherheitsorgane erhalten. Pavel Žáček:

„Das Archiv der Sicherheitsorgane muss bestimmte persönliche Angaben schützen. Es ist also einfach eine Liste. Mit ihr lässt sich aber überprüfen, ob jemand seine Vergangenheit herunterspielt oder nicht.“

Doch auch da bieten die Listen keine großen Überraschungen. Die Fälle fast aller bekannten Personen sind bereits in den Medien erörtert worden. So zum Beispiel vom derzeitigen stellvertretenden Innenminister Jiří Komorous, der bis vor kurzem noch Leiter der tschechischen Anti-Drogenpolizei war. Komorous leugnet seine Geheimdienstkontakte nicht. Er sei während seines Studiums im Bereich der Reserve geführt worden, sagt er. Finden lässt sich auf der Liste zudem Jan Mühlfeit, der Präsident der Software-Firma Microsoft für Europa, den Mittleren Osten und Afrika. Er war seit Juli 1989 bei der wissenschaftlich-technischen Auslandsspionage tätig. Er gibt dies genauso wie Komorous zu, Mühlfeit arbeitete damals als Computerexperte.

Autor: Till Janzer
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