Trotzkopf Klaus, die Vertriebenen und der Pilsner Uni-Skandal

Das Thema, das ganz Europa beschäftigt, hat auch die tschechischen Kommentarspalten gefüllt: die neuen Forderungen von Staatspräsident Václav Klaus zum Lissabon-Vertrag. Fast ebenso viel Platz haben die tschechischen Zeitungen aber dem Skandal an der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Pilsen eingeräumt. Dort haben hoch gestellte Beamte und Politiker ihre akademischen Titel praktisch „für ´nen Appel und n´ Ei“ bekommen.

Moderator: Till, alle schauen nach Tschechien, vor allem auf die Prager Burg, wo Präsident Klaus die Unterschrift unter den Lissabon-Vertrag mit einer tschechischen Ausnahme-Regelung für die europäische Menschenrechtscharta verbindet. Die Nervosität bei allen Beteiligten ist sicher groß, denn ob der Präsident tatsächlich irgendwann seine Unterschrift unter den Vertrag setzen wird, ist eine völlig offene Frage.

T. Janzer: Richtig. Und wie groß die Nervosität in Sachen Lissabon ist, das konnte man Anfang der Woche sehen. Die britische Times berichtete, Klaus habe gesagt, er werde den EU-Vertrag auf keinen Fall unterschreiben. Der Times-Reporter hatte diese Äußerung aber nicht persönlich gehört, sondern aus anderen Quellen.

Moderator: Klaus soll das am Rande des großen Pferderennens in Pardubice gesagt haben.

Václav Klaus in Pardubice  (Foto: ČTK)
T. Janzer: Genau. Ein Zuschauer hatte Klaus zugerufen, er solle nicht unterzeichnen. Der Reporter zitiert Klaus mit der Antwort: „Keine Angst, das mache ich nicht.“ Das gab natürlich wieder große Aufregung. Aber mittlerweile hat der Senatsvorsitzende Sobotka, der direkt neben Klaus ging, auch dementiert, dass der Präsident das gesagt hat. Möglicherweise also viel Medien-Lärm um nichts. Aber wer weiß. Schon vor zwei Wochen soll Klaus den gleichen Satz gesagt haben, als der sächsische Ministerpräsident Tillich zu Besuch in Prag war. Da will diesen Satz jemand von der deutschen Zeitung „Die Welt“ gehört haben.

Kommen wir einmal zu den Kommentatoren, die sich natürlich auch weiterhin mit diesem Thema befassen. Jiří Hanák spricht in der „Právo“ von einem Trauerspiel, das heute die führende Politikerriege biete. Er geht hart mit der Riege ins Gericht:

„Der eine ist dumm bis zur Unerträglichkeit, ein anderer ist arrogant-raubeinig und unantastbar. Ein Dritter schlüpfrig wie ein Aal. Der Vierte ist naiv und somit gefährlich. Über ihnen steht ein Mann, der das Gefühl hat, dass er nur aus einem Irrtum heraus nicht Gott geworden ist und der sich deshalb bemüht, das eigene Land, Europa und die Welt zu überzeugen, dass er tatsächlich dieser Gott ist. (…) Der Höhepunkt ihres Gemeinschaftswerkes: Die Tschechische Republik wird bis ins Frühjahr, also 14 Monate lang, ohne eine gewählte Regierung dastehen. Und eben diese guten Leute sind sich darin einig, dass es anders nicht gehen wird. In Europa erblüht die Vorstellung, wir seien sonderbare Leute, die nicht einmal sich selbst regieren können und denen man nicht glauben kann.“

Petr Uhl schaut ebenfalls in der „Právo“ auf die rechtlichen Konsequenzen dessen, was Präsident Klaus fordert, und erinnert daran, dass sich auch Briten und Polen eine Ausnahme bei der EU-Menschenrechtscharta ausgehandelt haben und zwar zum Preis, dass dieser höhere soziale Schutz durch die EU für ihre Bevölkerungen nicht gilt:

„Falls die Regierung eben diese Ausnahme aushandelt, dann wären die tschechischen Bürger nicht vor der Verletzung sozialer Rechte bei den Organen der EU geschützt – ebenso wie die Polen und die Briten (…) nicht geschützt sind. Heute ist es außerdem eine Schande, dass der Präsident nachträglich und allein gegen die EU kämpft, damit die Tschechen innerhalb der EU weniger Rechte haben.“

Moderator:Ähnlich heftige Worte in Richtung Klaus hat am Donnerstag auch sein Amtsvorgänger Václav Havel gerichtet. Wie wir in unserem Tagesecho-Beitrag gehört haben, wirft er Klaus vor, der Tschechischen Republik Schaden zuzufügen. Das war doch sicher auch eine Steilvorlage für die Kommentatoren?

T. Janzer: Ja, durchaus. Zum Beispiel für Jiří Leschtina in der Wirtschaftszeitung „Hospodářské Noviny“. Er schreibt, dass Klaus Angstmacherei betreibe mit den Vertriebenen, die aufgrund des Lissabon-Vertrags nun ihr früheres Eigentum zurückfordern könnten. Und dies habe den ehemaligen Dissidenten Havel einfach an die Decke gehen lassen müssen. Wörtlich erklärt dies Leschtina so:

„Wenn jemals eine kritische Diskussion über die Verbrechen stattgefunden hat, die die Tschechen sich bei der Vertreibung der Sudetendeutschen zuschulde kommen ließen, dann unter den Dissidenten. Klaus dagegen verkörpert die engstirnige Linie des Schweigens und der Banalisierung, in die bereits die Kommunisten die Nachkriegs-Pogrome gehüllt haben. Schon als Premierminister hat sich Klaus gegen die tschechisch-deutsche Erklärung ereifert und das vor allem über jenen Teil, in dem es heißt, dass die tschechische Seite ´die Aussiedlung der Sudetendeutschen und die Straffreiheit für die damit verbundenen Exzesse bedauert´.“


Moderator: Wir kommen zum zweiten großen Aufreger in dieser Woche neben der Haltung von Präsident Klaus. An der Universität in Pilsen müssen in den letzten Jahren skandalöse Verhältnisse geherrscht haben…

Milan Kindl  (Foto: ČTK)
T. Janzer: Das kann mal wohl sagen. Viele heutige Juristen haben an der rechtswissenschaftlichen Fakultät dieser Uni ihre Doktortitel auf mindestens sonderbare Art erworben. Sogar der Prodekan der Fakultät, Milan Kindl, hat Teile seiner Dissertation einfach abgeschrieben, wie aufgedeckt wurde. Dies könnte so oder so ähnlich auch bei 180 weiteren heutigen juristischen Fachkräften gelaufen sein. Zumindest ist das die Zahl der Dissertationen, die an der Uni auch nach zwei Wochen Suche einfach nicht auffindbar sind. Martin Zvěřina von der „Lidové Noviny“ sieht einen ganzen Berufsstand in Misskredit:

„Herr Kindl und Co. spekulieren darauf, dass der Fall ihrer Abschreiberei genauso beigelegt wird wie die anderen Fälle abschreibender Anwälte, nämlich mit einer Gehaltskürzung, mit der sie sich dann ´gereinigt´ haben. Wenn das durchkommt, dann bestärkt das das Vorurteil: Was ein Anwalt, das ein Gauner. Den Anwälten wird diese Verbindung wohl leider kaum etwas ausmachen.“

Moderator: Und mit diesem Kommentar zum Skandal um abgekupferte Dissertationsschriften an der Uni Pilsen beenden wir unsere heutige Presseschau.