Ex-Botschafter im Vatikan: Benedikt XVI. versteht die tschechische Seele
Am Samstag wird Papst Benedikt XVI. zu Besuch in Tschechien erwartet. Neben Prag wird er Brünn und Stará Boleslav besuchen, wo er Gottesdienste unter freiem Himmel zelebrieren wird. Obwohl die Religiosität in Tschechien nicht gerade stark ist, sind die tschechischen Bischöfe durch das Interesse an den beiden großen Messen angenehm überrascht. Pavel Jajtner war in den Jahren 2003 – 2008 tschechischer Botschafter im Vatikan und hat Benedikt XVI. einige Mal persönlich getroffen.
„Am stärksten erinnere ich mich an das Treffen, als er noch Kardinal Ratzinger war. Das war im Frühling 2003. Ursprünglich sollte das Gespräch nur eine halbe Stunde dauern, aber dann haben wir uns eine Stunde lang unterhalten. Denn er hat Bairisch und ich habe Wienerisch gesprochen. Die Sprache war bestimmt die Brücke und natürlich auch die guten Kenntnisse des Kardinals über die Realien in der Tschechischen Republik. Für mich war die größte Überraschung, wie bescheiden er war. Er war vielleicht eine Ausnahme unter den Persönlichkeiten, denen ich während meiner diplomatischen Karriere begegnet bin. Denn er hat wirklich zugehört. Er wollte beispielsweise wissen, wie die Agnostiker in der Tschechischen Republik leben. Das war eine schwierige Frage.“
Was haben Sie ihm damals geantwortet?
„Ich habe geantwortet, das seien die Agnostiker bona fide, das heißt in gutem Glauben. Das sind Leute, die mit Kenntnissen der Geschichte und der Religion aus der fünften Klasse der kommunistischen Schule leben, das ist also nicht ihre Schuld.“
Man kann jeden Tag in den Tageszeitungen lesen, der Papst komme in ein atheistisches Land. Was ist Ihrer Meinung nach der Hauptgrund der Reise des Heiligen Vaters?
„Ich glaube, dass es nicht nur für die Christen oder die katholischen Christen wichtig ist. Wir stellen als Katholiken eine Minderheit in der Gesellschaft dar. Aber der Besuch ist für die ganze Gesellschaft von Bedeutung, die in der Überzeugung lebt, dass es normal ist, nicht zu glauben. Der Heilige Vater wird kommen, um zu sagen, zu glauben ist normal.“
Sie haben gesagt, dass Benedikt XVI. die tschechische Seele gut kennt. Wie kamen Sie zu dieser Überzeugung?
„Der Heilige Vater ist Musiker. Im Jahre 2007, als er den 80. Geburtstag feierte, hat er das Programm für das Konzert zu seinem Jubiläum selbst zusammengestellt. Er hat sich gewünscht, dass die 9. Sinfonie Aus der Neuen Welt von Antonín Dvořák gespielt wird. Wer diese Musik, die tschechisch spricht – denn das ist die Sehnsucht der tschechischen Seele, versteht, versteht auch die tschechische Seele. Davon bin ich überzeugt.“