Frei in Prag

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Da arbeitet man Tag ein Tag aus und malt sich aus, was man so alles Schönes unternehmen könnte, wenn man nur mal einen Tag frei hätte. Ausschlafen, ausspannen, Ausflug machen… Und vor allen Dingen „Aus“: Keeein Streß! Und dann ist er endlich da, der Tag, der kostbare Urlaubstag, der angemessen genutzt werden will.

Um sieben sitzt man kerzengerade im Bett. Macht ja nix. Hat man wenigstens noch was vom Tag. Da kann man dann Geschirr spülen, aufräumen, putzen und all die wichtigen Dinge erledigen, zu denen man normalerweise nicht kommt.

Und zwar so lange bis sich der Magen meldet, weil man vor lauter wichtigen Dingen das unwichtige Essen vergessen hat. Damit man die saubere Küche nicht direkt wieder versaut, bekommt er, also der Magen, eine Tiefkühlpizza. Hinterher kippt man die ungefähr zwanzigste Tasse Kaffee, damit ihm, also dem Magen, nicht langweilig wird.

Dafür wird dem Hirn langweilig. Da war doch noch diese Recherche, an der man mal… Aber nein, heute ist frei! Und außerdem schon fünf Uhr nachmittags. Also raus und eine Runde mit dem Fahrrad drehen. Am Prager Moldauufer genießen Heerscharen von Inline-Skatern ihren wohlverdienten Feierabend. Keeeein Streß bitte! Also raus aus Prag. Das rot-weiß-rote Rechteck weist den Weg: der Radweg nach Kralupy. Nur noch 20 Kilometer und dann zurück mit dem Zug. Spitzenidee!

An der Moldau wird es Abend und dunkel, der Radweg immer schmaler, das Vorderlicht ist kaputt. 20 Zentimeter weiter rechts beginnt dichtes Gestrüpp, 50 Zentimeter weiter links geht es abwärts, senkrecht, direkt ins Wasser, dazwischen Wurzelwerk und Stolperstein: ein tschechischer Radweg. Lieber schieben als schwimmen.

Vier Kilometer vor Kralupy dann endlich wieder Zivilisation: Durch die apokalyptische Landschaft der Chemiefabriken führt eine einsame Landstraße, die Scheinwerfer der Autos rasen mit gefühlten 120 km/h heran, das Rücklicht existiert nicht. Lieber schieben als sterben.

Um halb zehn fährt der Zug zurück nach Prag. Um halb elf ist man wieder zu Hause. Warum eigentlich „man“?! Das alles ist mir passiert. Dieses Feuilleton habe ich nach Feierabend geschrieben. Lieber arbeiten als frei haben!