Sommer 1940 im Protektorat Böhmen und Mähren - Alois Eliáš appelliert zu Erntebeginn
Am 1. September vor genau 70 Jahren hat auf der polnischen Westerplatte der Zweite Weltkrieg begonnen. Aus diesem Anlass sind dort rund 20 Regierungschefs bei einer Gedenkveranstaltung zusammengekommen. Der Krieg hatte aber ein Vorspiel. Mit dem Münchner Vertrag von September 1938 hörte die Tschechoslowakei auf zu existieren. Davon, womit die politische Repräsentanz des so genannten Protektorats Böhmen und Mähren in den ersten Kriegsjahren beschäftigt war, gibt es in der neuen Ausgabe von „Aus dem Tonarchiv“ zu hören.
Nach der Besetzung der Rest-Tschechoslowakei am 15. März 1939 durch die Hitlertruppen hat General Alois Eliáš gut einen Monat später, am 27. April, das Amt des Regierungschefs übernommen. Das Land war in einer prekären Situation: die Infrastruktur war stark zerrüttet, die Ernährung der Bevölkerung war ein großes Problem.
Jeden Sommer zu Erntebeginn wurde daher im Rundfunk an die Bevölkerung appelliert. 1940 erinnerte Alois Eliáš an die Vorjahresrede von Staatspräsident Emil Hácha, in der er dazu aufgerufen hatte, alles, was der Ackerboden hergebe, bis zum letzten Korn einzusammeln. So wie Hácha beruft sich auch Eliáš auf die Verbundenheit des Volkes mit dem Boden:
„In diesen Tagen ist wieder die Ernte da. Ihre Bedeutung ist noch größer, weil es die erste Ernte in der Kriegszeit ist. Öffentliche Stellen, Turnvereine und andere Institutionen, Studenten, Beamten und die Arbeiterschaft, an die alle ich mich heute wende, werden bestimmt bereitwillig überall dort helfen, wo ein Bedarf besteht, damit wir unsere Schlacht um das Korn schnell und erfolgreich beenden können.“
Der tschechische Regierungschef zeigte sich in seiner Ansprache sehr loyal gegenüber den Deutschen:
„Es ist unsere Pflicht, die Betätigung der Ackerarbeiter gerecht zu bewerten und anzuerkennen. Nur aufgrund des gemeinsamen Verständnisses stärken wir die Voraussetzungen für unsere nationale Gemeinsamkeit. Nur durch unsere Arbeit und die richtige Einschätzung unserer Position im Reich bereiten wir uns eine Zukunft vor, an die wir alle glauben. Die Nation, die sich ihrer Verbundenheit mit dem Ackerboden bewusst ist und diese verstärken will, bereitet am besten die Bedingungen für die nationale Entwicklung vor. Die deutsche Nation hat in den letzten Monaten der ganzen Welt gezeigt, was man mit dem Zusammenhalt und der Aufopferungsbereitschaft erreichen kann. Auch für uns sind die Erntearbeiten von heute und die gerechte Verteilung der Ernteprodukte von morgen eine Gelegenheit sowie eine Herausforderung zu zeigen, dass auch wir genug von den beiden genannten Eigenschaften – Zusammenhalt und Aufopferungsbereitschaft - besitzen, ohne die keine Nation an ihre Zukunft glauben kann. Es lebe die Heimat!“
Alois Eliáš, der offiziell und nach außen hin sehr loyal auftrat, hat die ganze Zeit den Widerstandskampf gegen die Besatzungsmacht nicht nur tatkräftig unterstützt, sondern er hat sich selbst an ihm beteiligt. Als dann der stellvertretende Reichsprotektor Reinhard Heydrich am 18. September 1941 sein Amt in Prag antrat, ließ er Alois Eliáš sofort verhaften. Am 2. Oktober meldete der Rundfunk:
„Am 2. Oktober hat die Tagespresse im Protektorat die amtliche Meldung gebracht, dass der ehemalige Regierungsvorsitzende Alois Eliáš vom 1. Senat des Volksgerichts wegen seiner Handlungen zur Begünstigung des Feindes und Vorbereitung des Hochverrats zum Tod verurteilt.“