Rigide Germanisierung Prags - „Primator-Stellverteter“ Pfitzner 1940

Otakar Klapka (links) und Josef Pfitzner (rechts), foto: CTK

Schon bald nach der Besetzung im März 1939 haben die Nationalsozialisten mit der Germanisierung des so genannten „Protektorats Böhmen und Mähren“ begonnen. In der Hauptstadt Prag war der zweite Bürgermeister, der „Primator-Stellverteter“ Josef Pfitzner die treibende Kraft dabei. Obwohl nur die Nummer Zwei, kontrollierte der sudetendeutsche Politiker faktisch den eigentlichen Oberbürgermeister Otakar Klapka. Das Archiv des Tschechischen Rundfunks ist im Besitz eines Gesprächsfragments mit Pfitzner vom 31. Juli 1940. In der Sendung des deutschsprachigen Reichssenders Böhmen wird der Primator-Stellvertreter über die Umbenennung von Straßen in Prag befragt.

Otakar Klapka  (links) und Josef Pfitzner  (rechts),  foto: CTK
„Herr Primator-Stellvertreter Prof. Dr. Pfitzner, wollen Sie uns bitte sagen, wie die Straßenumbenennung zustande gekommen ist?“, fragt der Mitarbeiter des Reichssenders Böhmen.

Josef Pfitzner antwortet:

„Gleich mit der Errichtung des Protektorats im Frühjahr 1939 war es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir aus dem bestehenden Prager Namensantlitze all das ausmerzen, was mit der wahren Vergangenheit und Bestimmung Prags in einem unheilvollen Widerspruche stand.“

Worte wie „ausmerzen“ und „unheilvoll“ waren beliebt bei den Nazis. Pfitzner war im April 1939 der NSDAP und auch der SA beigetreten. Er war ein überzeugter Völkischer. Die Namensänderungen Prager Straßen verkauft er im Interview als friedliches Stück Arbeit:

„Wir haben uns daher im April des vergangenen Jahres von der Stadt aus und in enger Zusammenarbeit mit dem Amte des Herrn Reichsprotektors, aber auch in Verbindung mit einer Reihe von Wissenschaftlern ehrlich darum bemüht, ein neues, brauchbares und taugliches Werk zustande zu bringen, von dem wir behaupten können, dass es ein wahrhaftes Gemeinschaftswerk auf Prager Boden ist, über dessen friedlichen Grundcharakter kein Zweifel bestehen kann.“

Wenn Pfitzner hier von Gemeinschaftswerk spricht, dann sind Tschechen natürlich nicht gemeint. Bei der Germanisierung Prags und der Straßenumbenennung stieß Josef Pfitzner auf versteckten Widerstand von Oberbürgermeister Otakar Klapka. Deswegen denunzierte der Primator-Stellvertreter seinen formellen tschechischen Vorgesetzten beim Reichsprotektor. Und nur wenige Wochen vor diesem Interview wurde Klapka verhaftet, wegen Verbindungen zum Widerstand zum Tod verurteilt und 1941 von den Nazis hingerichtet.

Danach hatte Pfitzner freie Bahn, sein völkisches Gedankengut umzusetzen. Die Straßenumbenennung begründete er damals im Interview mit der deutschen Tradition in Prag:

„Nun steht es eindeutig und streitlos fest, dass deutsche Geschlechter seit der Begründung der Stadt einen bedeutenden Anteil an dem Auf- und Ausbau dieser unvergänglich schönen Moldau-Stadt besitzen. Es war daher nichts anderes als ein Akt der Gerechtigkeit, wenn wir uns bemühten, nunmehr auch den Jahrhunderte alten deutschen Leistungsanteil entsprechend zur Geltung zu bringen.“

„Jahrhunderte lang“ war wörtlich gemeint, denn Pfitzner ließ zum Beispiel auch einen Nürnberger und einen Magdeburger Platz benennen, und zwar:

„Weil einstens im Mittelalter die Prager Altstadt und die Prager Kleinseite nach Nürnberger Recht und nach Magdeburger Recht gelebt haben.“

Umbenennung von Straßen war noch die harmlose Form von Germanisierung. Germanisierung bedeutete vor allem die Deportation der Juden aus der Stadt in die Vernichtungslager. Pfitzner war auch hierbei treibende Kraft.

Deswegen und wegen seiner Rolle im Fall Klapka wurde Josef Pfitzner unmittelbar nach Kriegsende verhaftet, angeklagt und zum Tode verurteilt. Anfang September 1945 wurde er öffentlich in Prag erhängt.

Autor: Till Janzer
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