Energiemix in Tschechien: Photovoltaik boomt derzeit wie nie zuvor

Die Bedeutung und das Marktpotenzial von erneuerbaren Energien – insbesondere der Solarenergie – nehmen in der Tschechischen Republik ständig zu. Um die EU-Ziele für Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien zu erreichen, muss in Tschechien noch einiges geschehen. Reserven gibt es auf allen Gebieten, doch gerade der Bereich Photovoltaik spielt im tschechischen Energiemix eine immer größere Rolle.

Seit dem 1. August 2005 existiert mit dem neuen Ökostromgesetz das gegenwärtig wichtigste Instrument für die Förderung erneuerbarer Energien in Tschechien. Es ist das Gesetz, das der alternativen Energiegewinnung im Land letztlich zum Durchbruch verholfen hat:

„Das Gesetz ist dem deutschen EEG sehr, sehr ähnlich. Und ähnlich wie in Deutschland hat es jetzt auch hier mit leichter Verzögerung zu einem enormen Boom geführt. Entscheidend dafür ist die Einspeisevergütung, die mit derzeit 12,79 Kronen pro KWh sehr hoch ist. Das ist je nach Kronenkurs weit mehr, ja teilweise sogar erheblich mehr, als sie in Deutschland kriegen. Laut Verordnung liegen die Garantien zurzeit bei 15 bis 20 Jahren; wirtschaftlich ist die Erzeugung serneuerbarer Energien also ein hochinteressanter Bereich“, so der Prager Wirtschaftsjurist Arthur Braun.

Erzeuger von erneuerbarer Energie erhalten in Tschechien wie gesagt 12,79 Kronen für eine ans Netz abgegebene Kilowattstunde, Kleinerzeuger mit Stromanlagen von unter 30 kW sogar 12,89 Kronen je Kilowattstunde. Zur Stromgewinnung aus Solarenergie, der so genannten Photovoltaik, reicht dafür in der Regel bereits eine Modulfläche von rund zehn Quadratmetern aus. Kein Wunder also, dass Photovoltaik hierzulande ein buchstäblich aufblühender Wirtschaftszweig ist:

„Seit anderthalb Jahren ist Photovoltaik wahnsinnig im Steigen begriffen. Die ersten größeren Projekte gehen jetzt auch ans Netz. Was vorher eher ein Hobby war, ist inzwischen ein sehr wichtiger Geschäftszweig geworden.“

Wie wichtig, das könne man bereits kurz hinter der Grenze sehen, wenn man von Bayern aus in die Tschechische Republik einreist, sagt Braun:

„Wenn Sie bei Rozvadov über die Grenze fahren, sehen Sie an jedem zweiten Bauernhof Solarpaneele; und zwar nicht nur zur Wasseraufwärmung, sondern auch zur Stromerzeugung. Das hängt mit dem deutschen Hunderttausend-Dächer-Programm zusammen. Dieses Programm hat gewirkt, denn inzwischen sind die Preise für die Paneele nicht mehr als ein Drittel von dem, was sie früher waren. Folglich wird die Wirtschaftlichkeit noch enorm gesteigert.“

Der große Boom in der Photovoltaik-Branche hat jedoch bereits dazu geführt, dass nicht mehr alle potenziellen Ökostromproduzenten die Möglichkeit haben, ihre Energie ins Netz einspeisen zu können:

„Den einzigen Engpass, den es zurzeit gibt, sind die Kapazitäten. Und zwar deshalb, weil diese Kapazitäten innerhalb eines halben Jahres im Windhundverfahren bei den großen Netzbetreibern vergeben wurden. Daher besteht jetzt die Kunst der Entwickler von großen Objekten eher darin, noch freie Kapazitäten zu finden.“

In Tschechien gibt es drei große Energieversorger, die sich das hiesige Stromnetz untereinander aufteilen. Hier sollte man sich als privater Erzeuger erneuerbarer Energien eigentlich problemlos entsprechende Kapazitäten sichern können, aber:

„Diese Kapazitäten kann man sich entweder bei ČEZ, den Prager Energiewerken (PRE) oder bei E.ON in Südböhmen und Südmähren sichern. Angeblich läuft es sauber, transparent und ohne Beziehungen ab. Doch in diesem Land ist nicht immer alles so gegeben, wie es die Theorie verspricht“, sagt Braun und erläutert, worin die Schwierigkeiten zum Erwerb freier Kapazitäten zum Teil bestehen:

„Der Boom ist bestimmt noch nicht zu Ende, er wird sicherlich noch ein Jahr lang weitergehen. In den nächsten Monaten wird man zudem feststellen können, dass viele der reservierten Kapazitäten wieder freigegeben werden. Der Grund: mehrere Leute haben einfach nur spekuliert. Auch wir haben schon Fälle gehabt, bei denen Kapazitäten auf Grundstücken reserviert wurden, auf denen der Anmeldende überhaupt kein Nutzungsrecht hatte. Für ihn ging es nur darum, erst einmal spekulativ 30 Megawatt in der Region zu blockieren. Wir haben zurzeit Projekte im Bereich von 30 bis 40 Megawatt – das sind riesige Flächen, vergleichbar mit 50 Fußballfeldern, die voll bebaut werden. Da habe ich natürlich ein Problem, wenn ein solches 40-Megawatt-Projekt nur zum Schein angemeldet ist, denn es nimmt die Kapazitäten für 20 kleine Zwei-Megawatt-Projekte weg. Wenn aber Projekte nicht zustande gekommen sind, weil zum Beispiel die Grundstücke nicht gesichert wurden, dann sollten einige Kapazitäten bald auch wieder frei werden. Denn gerade jetzt im Sommer laufen Anmeldungen nach dem halbjährlichen Turnus aus. Der Boom kann also weitergehen.“

Foto: Archiv Radio Prag
Und das nicht ohne Grund, denn die Stromgewinnung aus Sonnenenergie soll von Jahr zu Jahr noch rentabler werden, so Braun:

„Im Bereich der Photovoltaik wird angenommen, dass ungefähr im Jahr 2014 die Stromgewinnung aus der Sonne in etwa genauso teuer sein wird wie all der andere Strom, der an der Strombörse gehandelt wird. Zurzeit ist der Energiemix aus Kohle, Atomkraft und ähnlichen Energieträgern noch günstiger zu haben.“

Apropos Energiemix. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromversorgung Tschechiens liegt derzeit bei etwa fünf Prozent. Im kommenden Jahr soll dieser Anteil auf mindestens acht Prozent erhöht werden. Aber selbst dann müsse die Tschechische Republik noch zulegen, um ihre Verpflichtung zu den hochgesteckten EU-Zielen im Bereich der erneuerbaren Energien zu erfüllen, meint Braun:

„In Tschechien ist man noch ziemlich weit weg von der Hausaufgabe, die man bis zum Jahr 2012 meistern soll. Es gibt jetzt schon Planungen, die sagen, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix im Jahr 2025 bei 20 Prozent liegen soll. Auf dem Weg dorthin dürfte Deutschland schon erheblich weiter sein. Es kann aber auch hier viel schneller gehen: Wenn die Paneele weiter derart billiger werden wie in den letzten Jahren, dann wird es sicherlich irgendwann nochmals einen ganz radikalen Umbruch geben. Dazu verweist die Photovoltaik-Gemeinde immer auf das Beispiel, dass 100 x 100 Kilometer Paneele in der Sahara schon nach dem jetzigen Stand ausreichen würden, um ganz Europa mit Strom zu versorgen.“

Für die Stromversorgung der Tschechischen Republik genügt demzufolge schon ein kleiner Teil einer solchen Riesenanlage. Aber selbst den bräuchte es nicht, wenn man hierzulande weit mehr auf einen anderen Schwerpunkt setzen würde:

Foto: Europäische Kommission
„Der Stromverbrauch in Tschechien ist noch immer unverhältnismäßig hoch. Das Energiesparen ist einfach noch nicht so ausgeprägt, wie es sein sollte. Aber gerade das Einsparen von Strom und Wärme wird kurzfristig sicherlich die beste Energiequelle sein, die man finden kann.“

Dem Energiemix der Zukunft sind also auch in Tschechien keine Grenzen gesetzt. Um ihn möglichst optimal zu gestalten, müsse man sich, so Braun, zunächst diese Frage zu beantworten:

„Gibt es einen Ausbau von Temelín oder nicht? Bei allen Projekten dieser Größenordnung besteht auch immer die Frage: Fallen diese Blöcke irgendwann aus oder nicht? Sei es durch eine technische Störung, durch Engpässe in der Uranversorgung oder ähnlichem – es ist alles denkbar. Zurzeit ist die Kohle zwar wieder billiger, sie wird sicherlich aber auf immer kleinere Fördermengen reduziert werden. Das ist eine politische Entscheidung. Dass gegenwärtig gerade die Braunkohle noch extrem abgebaut und verfeuert wird, ist unter dem Gesichtspunkt der CO²-Emissionen sicher nicht ideal. Im Bereich Windenergie wird es sicherlich noch ein kleines Potenzial geben, Photovoltaik und Biomasse werden ebenso eine zunehmende Rolle spielen. Aber es wird sicher nicht so sein, dass wir sagen können, 2030 wird der Strom allein und einzig aus erneuerbaren Energien gewonnen. Aber vielleicht wird man dann bereits andere Lösungen haben. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Kernfusion, wo man irgendwann ein ganzes Stück weiter kommen sollte. Es gibt eine Vielzahl von Bereichen, aus denen man noch mehr herausholen kann. Ich bin deshalb der Meinung, dass die Energie einer der Hauptbereiche sein wird, in denen die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahre festgelegt wird.“