Jiří Šlitr – Erinnerungen an einen großen Sänger des tschechischen Pop
85 Jahre wäre er alt geworden, doch seit 40 Jahren ist er tot: Jiří Šlitr – eine der wichtigsten Persönlichkeiten der tschechischen Popmusik beziehungsweise des Schlagers. Sein Name steht in Verbindung mit dem Prager Theater „Semafor“, das das „Flaggschiff“ der kleinen Theaterbühnen in der Tschechoslowakei seit den 50er Jahren war. Šlitr war ein Multitalent – vor allem in der Musik. Als Komponist sprühte er vor Ideen, als Klavierspieler war seine Begnadung zu erkennen und als Sänger konnte man ihn kaum verwechseln. Seine Lieder sind unvergessen und werden bis heute in Tschechien oft gesungen.
„Im Gymnasium Rychnov nad Kněžnou begann meine Freundschaft mit dem jungen Jiří Šlitr. Ich hatte Glück, weil er direkt vor mir in der Klasse gesessen hat. Wir haben uns gegenseitig immer hervorragend die Antworten zugeflüstert“, erinnert sich Josef Telecký.
Die ganze Begabung des Freundes zeigte sich jedoch in der Musik, erkannten Telecký uns seine Klassenkameraden schon sehr bald:
„Wir haben fast alle in der Klasse Klavier- oder Geigenunterricht gehabt und diese Instrumente einigermaßen gut gespielt. Šlitr hatte hingegen keinen Musikunterricht gehabt, aber er spielte perfekt Klavier!“
Allein zu spielen war Šlitr aber zu langweilig. Deshalb versuchte er seine Klassenkameraden damals in die Jazz-Musik einzuführen. Jazz fand damals gerade eben erst den Weg auch in die Tschechoslowakei. Josef Telecký beschreibt, wie Šlitr sein erstes Orchester zusammentat:
„Als er versuchte, ein Klassenorchester zu gründen, gab es einige Schwierigkeiten. Mehrere Jungs in der Klasse haben als Instrument Geige gespielt, doch die hat sich für ein Jazz-Orchester nicht gut geeignet. Deshalb rief er uns kurz vor den Ferien zusammen und sagte: ´Du, Zdeněk, gib die Geige auf und beginn, Gitarre zu lernen. Du, Olda, besorg dir eine Trommel.´ Und so weiter. Unser Klassenkollege Radek sollte Kontrabass spielen, Zdeněk Trompete. Mir hat er empfohlen, Saxophon zu lernen. Ich war der einzige, der seine Anwesiungen nicht erfüllt hatte. Das Orchester öffnete aber den Weg zur Musikkarriere für den später berühmten tschechischen Popkomponisten Jiří Šlitr.“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zog Šlitr nach Prag um, wo er ein Jurastudium absolvierte. 1949 machte er seinen Abschluss als Jurist, doch er wurde nie als Jurist tätig. Alles drehte sich bei ihm um die Kunst. Šlitr komponierte neue Poplieder, schuf Grafiken und Gemälde oder begleitete mit seinem hervorragenden Klavierspiel verschiedene Theatervorstellungen. Gegen Mitte der 50er Jahre begann er mit Jiří Suchý zusammenzuarbeiten. Gemeinsam gründeten sie 1959 ein eigenes Theater – das Theater „Semafor“. Von Anfang an war das Theater äußerst beliebt, wie Vladimír Šilhánek, ein weiterer Klassenfreund von Šlitr erklärt:
„Er als einer der Gründer des Theaters Semafor hat mir immer, wenn ich es brauchte, und auch wenn die Vorstellung ausverkauft war, eine Karte besorgt. Ich habe dann die ganzen Vorstellungen gesehen. Seine Kompositionen waren etwas Neues in der tschechischen Popmusik. Sie sind bis heute sehr beliebt und werden immer noch im Radio gespielt. Auch ich höre sie noch sehr gern.“
Šlitrs goldene Ära dauerte aber nur zehn Jahre lang. Das Ende war plötzlich und für viele ein Schock. Kurz nach Weihnachten 1969 ist er durch einen unglücklichen Unfall an einer Gasvergiftung gestorben. Es gab jede Menge Spekulationen um die Unfallursache – eine Version sprach sogar von einem Selbstmord des Künstlers. Was aber eindeutig ist: Sein Tod war ein großer Verlust für die tschechische Popmusik.
Jeder Künstler möchte eigene Spuren hinterlassen. Jiří Šlitr ist dies durch seine Lieder gelungen. Im Jahre 1994, als Šlitr seinen 70. Geburtstag gefeiert hätte, gründeten seine alten Freunde ein Festival zu seinen Ehren. Es heißt Šlitrs Frühling. Ende April dieses Jahres fand der 16. Jahrgang statt – im Mittelpunkt stand diesmal die feierliche Enthüllung einer Gedenktafel zu Jiří Šlitr im Kino von Rychnov nad Kněžnou. Die festliche Rede hielt der Hauptveranstalter Jan Tydlitát:
„Gegenüber dem Kino ist das Haus, in dem Šlitrs Eltern gewohnt haben, gleich neben dem Kino ist das Gymnasium, in dem Šlitr im Jahre 1943 sein Abitur abgelegt hat. Diese Gedenktafel steht also praktisch in der Mitte seines damaligen Lebens.“
Das Festival Šlitrs Frühling ist nicht nur ein Treffen alter Bekannter. Immer häufiger kommen auch neue und junge Leute, die den Zauber und den Humor von Šlitrs Liedern entdeckt haben.