Eishockey-WM: Tschechien formiert starkes Team um Jágr – Problemzone ist die Abwehr
Am Freitag beginnt die 73. Eishockey-Weltmeisterschaft. Sie wird bis zum 10. Mai in der Schweiz ausgetragen, Spielorte sind Bern und Kloten. Das tschechische Team wird am Samstag in das Turnier einsteigen, in seinem ersten Spiel trifft es in Kloten auf Dänemark. Wie hoch sind die Erwartungen der Tschechen an ihre Mannschaft? Auf diese und andere Fragen antwortet Sportexperte Lothar Martin.
„Es ist ein gutes Team, aber andererseits nicht das optimal stärkste Team. Denn Tschechien hat dieselben Probleme wie andere Topnationen auch: Die besten Cracks spielen in der NHL (50 bis 60 Tschechen), von denen jetzt einige mit ihren Mannschaften um den Stanley Cup spielen. Das bedeutet, sie können nicht bei der WM mitwirken. Andere Spieler, deren Teams sich nicht für den Stanley Cup qualifizieren konnten, sind entweder verletzt oder physisch ausgelaugt von der anstrengenden Saison NHL-Saison. Daher erhielt Trainer Růžička leider mehrere Absagen, was insbesondere in der Verteidigung ein Problem darstellen könnte. Hier haben die Tschechen nur wenige gute Alternativen in Europa. Das zweite Problem ist die Torhüterposition. Hier hatte Růžička ganz fest mit Tomáš Vokoun gerechnet, der in Florida spielt. Aber auch er sagte ab, so dass Růžička jetzt auf junge, nachdrängende Goalies aus tschechischen Extraliga und der russischen KHL setzen muss. Das sind auch sehr gute Torleute, die allerdings noch keine WM-Erfahrung haben. Gleich mehrere Topleute aber hat Tschechien im Angriff. Hier kommen vier Spieler aus der NHL, darunter Aleš Hemský. Er gilt schon jetzt als Ausnahmekönner, in Nordamerika ist die Presse jedenfalls des Lobes voll über ihn. Und dann steht diesmal auch wieder Jaromír Jágr im Team, der tschechische Superstar schlechthin.“
Jaromír Jágr ist also der große Star der Mannschaft. Kann Tschechien mit ihm wieder an glorreiche Zeiten (fünf WM-Titel seit 1996) anknüpfen?„Ich denke schon, auch wenn er selbst sagt: Man soll von ihm keine Wunderdinge erwarten. Aber: Jágr ist ein Weltstar, den jeder gern in seiner Mannschaft hätte. Bei den Gegnern löst seine bloße Anwesenheit schon Respekt aus. Zumeist werden gleich zwei Gegenspieler auf ihn angesetzt. Er ist kaum von der Scheibe zu trennen, das bedeutet Sicherheit für das Team. Das hat man erst neulich beim WM-Vorbereitungsturnier in Liberec gesehen: Alle schauen im tschechischen Team zu ihm auf und steigern sich an seiner Seite. Er ist nicht nur der beste tschechische Crack der Gegenwart, sondern der Statistik nach auch der beste Europäer, der je in der NHL gespielt hat. Mit Jágr war Tschechien vor vier Jahren das letzte Mal Weltmeister, und mit ihm will man auch diesmal zumindest eine Medaille gewinnen, so Trainer Růžička.“
Lothar, wie würde denn der tschechische Weg zu einer Medaille aussehen? Wer sind die größten Konkurrenten?„Als ersten Gang erhält Tschechien in der Vorrundengruppe D sozusagen ein skandinavisches Menü, denn man trifft nacheinander auf Dänemark, Norwegen und Finnland. In der Zwischenrunde, die man problemlos erreichen sollte, sind dann die ersten Drei der Gruppe A die Gegner. Darunter sollten Kanada und die Slowakei sein. Die ersten Vier der Zwischenrunde gelangen ins Viertelfinale. Tschechien sollte vermeiden, dort auf Titelverteidiger Russland zu treffen, dem man zurzeit wohl nicht das Wasser reichen kann. Gewinnt Tschechien dieses Schlüsselspiel ist man unter den Top Four, und gewinnt man dann von den letzten zwei Partien zumindest eine, dann hat man die begehrte Medaille.“