Car-Sharing in Prag? Die Räder rollen erst langsam an

Foto: Autor

Staus in den Straßen von Prag. Das kennen nicht nur die Prager. Auch die Touristen pilgern täglich durch Wolken von Feinstaub. Obendrein sind Parkplätze Mangelware. Umweltverbände brechen seit Jahren eine Lanze für den öffentlichen Nahverkehr und für Park-und-Ride Systeme. Integriert werden soll nun auch das Car-Sharing, das in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern schon seit langem bekannt ist. Einfach ist das allerdings nicht.

Die „Národní třída“, die Nationalstraße, mitten in der Prager Altstadt. Es pulsiert. Hier kreuzen sich die Verkehrsadern von Metro und Straßenbahn. Durch die engen Gassen schlängeln sich massenweise Autos auf der Jagd nach einer der seltenen Parklücken. Ein Ort, wo das so genannte Car-Sharing Entlastung bringen könnte, meint Michael Frömming von der Abteilung für Umwelt und Verkehr vom Bremer Senat.

„Wir sehen hier in Prag – gerade in der Altstadt – ein sehr großes Potenzial gerade deswegen, weil es ja auch sehr wenig Parkplätze gibt und immer mehr Menschen, die glauben, mit dem Auto in die Innenstadt fahren zu müssen.“

Aber was bedeutet das genau – Car-Sharing? Mehrere Menschen bzw. Familien teilen sich ein Auto, nutzen es abwechselnd und reduzieren so die Kosten, schonen die Umwelt und sparen Parkplätze. Oder sie sind Mitglied in einer Gesellschaft, die den Car-Sharing-Service professionell anbietet. Weniger Autos in den Städten, heißt das Ziel.

Foto: Autor
Und die Prager, die Tag aus Tag ein in das Verkehrsgetümmel an der Nationalstraße eintauchen, haben sie vom Car-Sharing schon einmal gehört? Immer wieder ein Nein und ratloses Schulterzucken beim Begriff Car-Sharing.

Um das zu ändern, hat eine Abordnung vom Bremer Senat eine Konferenz in Prag veranstaltet, um über die Möglichkeiten und Wirkungen vom Car-Sharing zu informieren. In Bremen hat man damit seit Jahren gute Erfahrungen. Am Konferenztisch saßen Umwelt- und Verkehrsvereine aus Tschechien und potenzielle Betreiber von Car-Sharing-Unternehmen. Interesse zeigte auch das Umweltministerium. Sie alle hatten Gelegenheit mit Vertretern aus mehreren europäischen Ländern zu sprechen, wo das Car-Sharing schon ein Erfolgsmodell ist. Aber es blieb nicht nur bei trockener Theorie, wie Michael Frömming vom Bremer Senat berichtet. Symbolisch wurde an der Nationalstraße die erste Car-Sharing-Station für Prag eingeweiht:

„Wir haben einen Car-Sharing-Wagen aus Bremen überführt, wir haben eine Informationssäule aufgebaut und wir haben in einer gut besuchten Pressekonferenz demonstriert, wie die Kombination von Car-Sharing zusammen mit dem öffentlichen Verkehr – sprich Metro und Tram, aber potenziell natürlich auch mit dem Fahrradverkehr - aussehen könnte.“

Foto: Autor
Wenn man im Jahr nicht mehr als 10-15.000 Autokilometer fährt, dann sei Car-Sharing billiger als ein eigenes Auto. Und billiger als ein Mietwagen ohnehin. Den hätte man ja auch nicht überall zur Verfügung, meint Frömming. Da aber liege genau der Vorteil von Car-Sharing. Ziel sei es, den Nutzern ein dichtes Netz von Autos zu Verfügung zu stellen. Und zwar in Reichweite - nahe der Wohnung, nahe am öffentlichen Verkehr. Das Umsteigen auf ein Auto soll unkompliziert sein. Gerade in Prag wären die Chancen für Car-Sharing nicht schlecht, sagt Michael Frömming. Der öffentliche Verkehr sei sehr gut ausgebaut, aber die Altstadt dennoch mit Autos verstopft. Was könnte das Modell konkret für Prag bringen?

„Ich weiß, es ist nicht 1:1 übertragbar, aber wenn man es theoretisch betrachtet: Wir haben in Bremen 5000 Menschen, die das Car-Sharing heute nutzen. Prag ist zweieinhalb mal so groß. Das würde für Prag bedeuten, dass 12.500 Menschen hier Car-Sharing nutzen könnten. Das hätte zur Folge, dass man 2500 Autos weniger auf der Straße hätte. (…) Und das würde für Prag bedeuten, wir bräuchten rund 12 Kilometer weniger an öffentlichen Parkplätzen“, rechnet Frömming vor.

Foto: Autor
In der Theorie klingt das gut. Aber wie weit ist man in Tschechien – vor allem in Prag – was die Umsetzung eines Car-Sharing-Modells betrifft? Steht man noch - im Leerlauf - oder ist die Sache bereits im ersten oder gar zweiten Gang angerollt? Michaela Valentová vom gemeinnützigen Institut für Ökopolitik:

„Wir wissen eigentlich nicht einmal, wo das Lenkrad ist. Ja und viele Leute kennen überhaupt nicht den Begriff Car-Sharing. Die hören das zum ersten Mal und wissen nur wenig über diese ´weichen´ Methoden, den Autoverkehr zu reduzieren. Und sogar unsere Fachleute im Umweltministerium freuen sich, dass sie etwas mehr darüber erfahren können.“

Der Prager Magistrat hatte das Car-Sharing schon entdeckt und in die Konzepte für zur Luftverbesserung aufgenommen. Bisher ein Papiertiger, denn eigentlich wusste niemand Genaueres mit diesem Begriff anzufangen, wie Michaela Valentová erzählt. Eine Informationskampagne hat deshalb das Institut Ökopolitik in die Hand genommen:

„Niemand wusste eigentlich genau, was das heißt. Deshalb haben wir uns umgeschaut und festgestellt, dass das in Deutschland, in den Niederlanden und anderen Ländern ganz gut funktioniert. Wir haben also Leute eingeladen, Flugblätter herausgegeben, eine Broschüre zusammengestellt und auch Seminare organisiert. Und so haben die Leute etwas darüber erfahren. Aber das ist noch ein langer Weg bis hin zu einer Organisation, die wirklich diese Dienste leistet, wie man das schon im Westen Europas kennt.“

Foto: Autor
Das Problem ist: Noch vor 20 Jahren, in der damaligen kommunistischen Tschechoslowakei, waren Autos Mangelware, so dass man heute kaum auf ein eigenes Auto verzichten will, sagt Michaela Valentová:

„Ein Auto ist hier auch ein Statussymbol. Irgendwie ist es wichtig für die Leute, dass sie einen guten Wagen haben. Das gehört wirklich zum Status.“

Wenn man die Prager fragt, dann scheint das Brett, das man für Car-Sharing hier noch bohren muss, tatsächlich recht dick zu sein:

„Ich brauche das Auto spontan, in meiner Situation kommt das nicht in Frage“, sagt ein Vater mit zwei Kindern an der Hand. „Ich brauche die Unabhängigkeit. Ich will das Auto für mich allein haben und benutzen, wann ich es will“, meint eine Frau in den 50ern. Und ein Mann Mitte 30, der gerade sein Auto geparkt hat, betrachtet sich auch nicht als Zielgruppe für Car-Sharing: „Ich fahre täglich mit dem Auto und kann mir nicht vorstellen, es mit jemandem zu teilen“.

Und seine Frau?

„Ich fahre mit dem Bus. Mein Mann will das Auto nicht mit ihr teilen“. Sie seien ein Paradebeispiel für das Modell Car-Sharing, stellen beide lachend fest.