Ratsvorsitzender Vondra in Irland: Lissabon-Referendum im Oktober
Der tschechische Vizepremier für europäische Angelegenheiten und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Alexandr Vondra war am Wochenende zu einem Arbeitsbesuch in Irland. In Cork sprach er mit dem irischen Außenminister Micheál Martin über die Zukunft des Lissabon-Vertrages. Über das Ergebnis der Verhandlungen sprach Lothar Martin mit Radio-Prag-Redakteur Daniel Kortschak.
Daniel, Tschechien und Irland sind die einzigen beiden EU-Staaten, die den EU-Reformvertrag von Lissabon bisher noch nicht ratifiziert haben. Im Juni vergangenen Jahres hat es in Irland ein Referendum gegeben, bei dem eine Mehrheit gegen die Annahme des Lissabon-Vertrages votiert hat. Wie ist jetzt die Stimmung in Irland?
"Jetzt scheint sich die öffentliche Meinung in Irland gewandelt zu haben: Die Tageszeitung „The Irish Times“ hat am Wochenende die Ergebnisse einer neuen Meinungsumfrage veröffentlicht. Demnach würden jetzt 51 Prozent der Iren in einem Referendum für die Ratifizierung des EU-Reformvertrages stimmen. Nur ein Drittel der Wahlberechtigten ist noch dagegen, 16 Prozent sind unentschlossen. Selbst wenn also die Gegner alle Unentschlossenen auf ihre Seite ziehen würden, käme keine Mehrheit gegen den Lissabon-Vertrag zu Stande. Grund genug, ein neuerliches Referendum anzusetzen. Das sieht auch Ratsvorsitzender Vondra so, hier seine Worte:
'Dieses Referendum sollten die Iren spätestens Anfang Oktober durchführen. Für uns ist es wichtig, dass die Entscheidung, wann diese Abstimmung erfolgt, spätestens im Juni fällt.'
Irlands Außenminister Martin wollte sich da nicht so genau festlegen. Hören wir auch dazu einen Ausschnitt:
'Die Regierung hat noch keinen genauen Tag bestimmt. Wir haben unseren europäischen Kollegen ein Versprechen gegeben: Das Referendum sollte, aus organisatorischen Gründen, vor der Formierung der neuen Kommission sein. Das kann irgendwann zwischen jetzt und Mitte Oktober sein. Wir haben noch kein genaues Datum.'"
Die Amtszeit der Kommission Barroso endet ja am 31. Oktober 2009. Was passiert danach?"Am liebsten würde man die endlose Lissabon-Debatte noch vorher vom Tisch haben. Daher Alexandr Vondras Vorschlag, das Referendum in Irland bis Mitte Oktober über die Bühne zu bringen. Aber in Brüssel feilt man auch schon an einem „Plan B“: Es könnte nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni nämlich zunächst nur ein neuer Kommissionspräsident gewählt werden. Die übrigen Kommissionsmitglieder könnten dann nach der Volksabstimmung in Irland bestellt werden. Kommissionspräsident José Manuel Barroso jedenfalls hat schon einmal vorsorglich seine 26 Kollegen gebeten, sich auf eine mögliche Verlängerung der Amtszeit einzustellen."
Das klingt ja nach ziemlich taktischen Manövern. Was ist der Grund dafür?
"Der Grund ist im EU-Vertrag von Nizza zu suchen: Der sieht nämlich eine schrittweise Reduktion der Anzahl der EU-Kommissare vor. Und so lange der Lissabon-Vertrag nicht in allen Ländern ratifiziert ist, bleibt der Vorgänger-Vertrag von Nizza in Kraft."
Eine Verkleinerung der Kommission sieht doch auch der Lissabon-Vertrag vor. Und angesichts der Erweiterungspläne ist eine solche ja sicher auch früher oder später notwendig, oder?
"Nun, der Lissabon-Vertrag sah eine Verkleinerung der Kommission vor. Nur mehr zwei Drittel der Mitgliedsländer sollten einen Kommissar stellen. Aber dass auch die neue Kommission 27 Mitglieder haben wird, das ist eines der Zugeständnisse an Irland. Neben der Unabhängigkeit des irischen Steuersystems, der militärischen Neutralität und der Unantastbarkeit des strikten Abtreibungsverbots. In dem Vorschlag von der französischen Ratspräsidentschaft ist aber nur von der derzeitigen Kommission die Rede: In Zukunft wird man wohl um eine drastische Verkleinerung nicht umhinkommen. Schön langsam gehen ja die Ressorts für so viele Kommissare aus."
Daniel, eine letzte Frage: Wie geht es jetzt in Tschechien weiter?
"Also, am vergangenen Freitag hat der europapolitische Ausschuss im Abgeordnetenhaus die Ratifizierung des Papiers empfohlen. Am Dienstag ist der außenpolitische Ausschuss an der Reihe. Noch in dieser Woche könnte dann im Plenum abgestimmt werden. Das hat Europaminister Vondra am Wochenende in Irland anklingen lassen. Danach geht der Vertrag weiter ins Oberhaus – den Senat und das letzte Wort hat Staatspräsident Václav Klaus."