Die Rückkehr der Augustiner: St. Thomas-Kloster II
Ende des 13. Jahrhunderts ließ sich der Augustiner-Orden auf der Prager Kleinseite nieder und blieb dort mehrere Jahrhunderte lang. Während des Kommunismus wurden sämtliche Ordensgemeinschaften aufgelöst, und mit ihnen auch die Augustiner, die im Kloster Sankt Thomas zu Hause waren. Anfang der 90er Jahre kamen einige Ordensmitglieder aus dem Ausland nach Prag, um die Tätigkeit der Augustiner in Tschechien wieder zu beleben. In der vergangenen Ausgabe des Spaziergangs durch Prag haben wir Sie durch einen Teil des renovierten Klosterareals geführt und dabei versprochen, die Führung fortzusetzen.
„Die Mauerstücke befanden sich ungefähr 5 Meter tief unter der Erde im zweiten Klosterhof. Zuerst wollten die Archäologen die Überreste der ursprünglichen Architektur dort liegen lassen, wo sie gefunden wurden. Da die Pläne für den Umbau des Klosters geändert wurden, wurden die Bauelemente später ausgegraben und hier im Hof ausgestellt.“
Vom Hof gehen wir ins Hauptgebäude zurück, neben dem ehemaligen Refektorium führt die Treppe durch einen Gewölbegang hinauf. Davor ein Ziergitter. Darauf ist jedoch die Überschrift „Klausur“ zu lesen. Der Bereich hinter dem Gitter soll also den Ordensangehörigen vorbehalten werden. Wie Juan Provecho erläutert, handelt es sich um die so genannte „offene Klausur“, was bedeutet, dass nicht nur Ordensmitglieder hier Zugang haben. Die Treppe führt zu einigen Gästezimmern.
„Die Gastfreundschaft ist für den Orden wichtig. Wie der heilige Augustinus sagte: Wenn ein Gast das Kloster betritt, so kommt er in Begleitung Gottes. Aus dem Grund ist es notwendig, einige Gästezimmer für die Besucher zur Verfügung zu haben, auch wenn momentan das Gebäude renoviert wird.“
Das Kloster muss leben und wir sind hier nur fünf Ordensbrüder, fügte Juan Provecho hinzu, als er erläuterte, warum ein Teil des Gebäudes nicht mehr vom Orden genutzt wird.
„Das Kloster ist groß. Wir waren gezwungen, den Teil des Gebäudes zu vermieten, wo sich einst die Thomas-Bierbrauerei befand, ganz einfach aus finanziellen Gründen. Die Augustiner haben hier im 16. Jahrhundert ihr eigenes Bier gebraut. Später wurde die Brauerei vermietet. Im ihrem Gebäude waren früher außerdem Menschen untergebracht, die für das Kloster gearbeitet haben.“
Auf der Wand über dem Treppenhaus kann man auf dem Ordenswappen die Worte „Tolle lege“ lesen, die ich zuvor auf einer der Türen jener Räume gesehen hatte, die unten im Kloster als Mini-Klassen eingerichtet sind. Alle Klosterräume tragen nämlich Namen, die mit dem Leben des heiligen Augustinus zusammenhängen, erklärte mein Begleiter. Neben Städtenamen taucht unter den Bezeichnungen eben auch die Wortverbindung „Tolle lege“ auf.„Die Worte ´Tolle lege´ sind Bestandteil des Augustinerwappens. Es bedeutet: ´Nimm und lies´. Dies sind Worte, die der heilige Augustinus bei seiner Bekehrung gehört hat und die ihn zur Lektüre der Heiligen Schrift inspiriert haben sollen. Das Herz im Wappen symbolisiert die Liebe Gottes und das ebenso abgebildete Buch erinnert daran, dass wir uns auf Kultur und Studium konzentrieren.“
Die Augustiner haben während ihrer Geschichte nicht nur auf der Prager Kleinseite gewirkt. Weitere Zentren des Ordens in Böhmen sind auf historischen Gemälden zu sehen, die den Treppeneingang in die Klausur schmücken. Im ehemaligen Klostergebäude im nordböhmischen Česká Lípa / Böhmisch Leipa wurde, wie Bruder Juan erzählt, ein Stadtmuseum eingerichtet. Demselben Zweck dienen die einstigen Klosterräume in Vrchlabí / Hohenelbe im Riesengebirge. Das Klostergebäude in Dolní Ročov bei Louny / Laun wird zurzeit nicht genutzt. Das letzte Gemälde stellt das inzwischen fast verschwundene Klosterareal in Pivoň / Stockau in Westböhmen dar. Die fünf Prager Augustiner müssen sich nun mit der Frage befassen, wie sie einige der Gebäude nutzen wollen, die dem Orden nach der Wende von 1989 zwar zurückgegeben wurden - oft in einem desolaten Zustand.
„Zuerst muss man sich um die Errichtung einer Unterkunft für die Ordensmitglieder kümmern. Und erst dann kann man an eine weitere - eventuell kommerzielle Nutzung - der Gebäude denken. Denn die Ordensgemeinschaften können sich nicht erlauben, die Kirchenbauten zu renovieren. Es mangelt uns an Geld, um diese Kulturdenkmäler wieder auferstehen zu lassen und entsprechend instand zu halten. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie die Häuser genutzt werden könnten – als Hospiz, Seniorenheim, Krankenhaus oder auch als Hotel. Es ist wichtig, dass dort Leben herrscht. Natürlich muss die Nutzung der Klosterräume von unseren Vorgesetzten gebilligt werden und der katholischen Ethik und Moral entsprechen.“Neben den Vortragssälen und Unterrichtsräumen steht der Öffentlichkeit im St. Thomaskloster auch der so genannte Paradiesgarten zur Verfügung. Der Eingang ist tagsüber geöffnet.
„Wir haben vor, den Kreuzgang, der um den Garten herum führt, zu verglasen. Es wäre hier dann nicht mehr so kalt wie jetzt und man könnte hier beispielsweise Ausstellungen organisieren. Während des Sommers kommen oft Touristen hier rein, um sich auf die Bank zu setzen und sich ein wenig auszuruhen. Der Paradiesgarten soll, wie sein Name andeutet, ein Ort der Ruhe und Entspannung sein.“Nicht nur eine kleine ruhige Oase im Paradiesgarten, aber vielleicht auch ein Cafe in den bislang leer stehenden Kellerräumen könnten die Besucher künftig im Kloster finden. An Ideen für eine entsprechende Belebung des Klosters mangelt es den Augustinern scheinbar nicht. Vor seiner Ankunft nach Prag hatte Juan Provecho jedoch keine genaue Vorstellung darüber, was ihn in Tschechien erwartet.
„Damals habe ich über Tschechien nicht viel gewusst: Mir war allerdings schon klar, dass Prag eine der schönsten Städte in Mitteleuropa ist und dass hier Mitbrüder gelebt haben, die während des Kommunismus sehr viel gelitten haben. Heutzutage wünsche ich mir, dass unsere Gemeinschaft noch größer wird und hauptsächlich, dass sich die Menschen bei uns wie zu Hause fühlen.“