Lissabon-Vertrag: Topolánek droht mit Moskau – Bém schießt ein Eigentor

Foto: Europäische Kommission

Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft 2009 rückt näher. Die Ratifizierung des EU-Vertrages von Lissabon ist jedoch in weite Ferne gerückt. Präsident Klaus hat durch seinen viel diskutierten Irlandbesuch die Entscheidung des Verfassungsgerichts verzögert. Dass der Vertrag noch in diesem Jahr ratifiziert wird, gilt eher als unwahrscheinlich. Am Donnerstag hat sich Mirek Topolánek - Premier und Parteichef der Bürgerdemokraten - zu Wort gemeldet und in der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ Werbung für Lissabon gemacht. Darüber sprach Patrick Gschwend mit Radio-Prag-Redakteur Christian Rühmkorf.

Premier Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
An wen wendet sich Topolánek eigentlich und welche Argumente führt er für eine Annahme des Lissabon-Vertrages ins Feld?

„Bevor ich auf die Argumente und die Zielgruppe eingehe, die Topolánek hier anzusprechen versucht, ist es vielleicht nötig zu sagen: Die Tschechische Republik befindet sich derzeit wieder im Wahlkampf. Anfang Dezember wählt die stärkste Regierungspartei, die bürgerdemokratische ODS einen neuen Vorsitzenden und das heißt, es gigt ein Duell zwsichen Mirek Topolánek und Pavel Bém. Pavel Bém, das ist der Prager Oberbürgermeister, Vizevorsitzender der ODS und ein enger Vertrauter von Präsident Václav Klaus. Die Strategie von Topolánek heißt: Medienpräsenz – Artikelschreiben. Das Thema, das er jetzt gewählt hat, ist der EU-Vertrag von Lissabon. „Die Wahl heißt: Lissabon oder Moskau“, so der Titel von Topoláneks Artikel. Topolánek sagt also, ´wenn wir nicht den Vertrag von Lissabon annehmen, dann gelangen wir wieder in die Einflusssphäre von Moskau´, also Russland. Topolánek räumt ein, dass auch er nicht hundertprozentig zufrieden ist mit dem Vertrag von Lissabon, aber ein kleines Land, wie die Tschechische Republik, könne auf dem EU-Parkett eben nicht 10:0 gewinnen. Die EU sichere Prosperität, Stabilität und Frieden, sagt Topolánek und deshalb sei ein Ja zur EU, ein Ja zu Lissabon notwendig. Und wer meint, dass der Lissabonvertrag die nationalen Interessen der Tschechischen Republik schädige, dem teilt Topolánek mit: wer A sagt muss auch B sagen! Und das hieße Austritt aus der EU. Topolánek erinnert dann noch kurz an Präsident Klaus, der damals als Premier, den EU-Mitgliedsantrag eingereicht hat – ebenso aus pragmatischen Gründen, sagt Topolánek und witzelt: Es sei besser mit Angela Merkl Küsschen auszutauschen, als den russischen Bären zu umarmen. Also, es heiße nicht ‚Lissabon oder nichts’, sondern ‚Lissabon oder Moskau’.“

Foto: Europäische Kommission
Funktioniert in der Tschechischen Republik eine Drohung mit dem „russischen Bären“?

„Ich würde sagen – Jein. Zum einen haben natürlich die Kommunisten relativ hohe Stimmenanteile bei den Wahlen, aber die Unabhängigkeit des Landes, die will eigentlich niemand mehr aufgeben. Und eine echte Gefahr aus Russland sehen, glaube ich, wenige hier in der Tschechischen Republik. Also der ´Moskauer Trumpf´ von Topolánek zieht meiner Meinung nach nicht so ganz.

Gab es schon Reaktionen auf den Artikel von Topolánek?

Ja, die gab es. Der Fisch hat angebissen, würde ich sagen. Ich habe ja am Anfang den Wahlkampf erwähnt und der Konkurrent von Topolánek, Pavel Bém hat angebissen. Bém hat Topoláneks Drohung mit Russland für ´unsinnige Angstmacherei´, für ´Demagogie´, erklärt. Gleichzeitig hat er einen eigenen Vorschlag gemacht: Lissabon soll ersetzt werden, durch ein 15 Seiten langes, einfaches Dokument, das jeder verstehen kann. Ein EU-Vertrag im Westentaschenformat könnte man sagen. In der Presse hagelte es daraufhin natürlich Häme: dieser Vorschlag sei aberwitzig und komme außerdem zu spät. 2007 hatten nämlich die Parteigremien der ODS schon den Lissabonvertrag angenommen und abgesegnet und damals war von Pavel Bém keine Widerrede zu hören. Auch Außenminister Karel Schwarzenberg hat sich natürlich negativ geäußert. Er sagte: ‚Einen Wunschzettel gebe man nicht erst eine Woche vor Weihnachten ab.’ Alles in allem würde ich sagen: Für Pavel Bém war das ein Eigentor.“