Tschechien geht ohne Lissabon-Ratifizierung in die EU-Ratspräsidentschaft
Bis kurz vor Sitzungsbeginn am Dienstag war nicht einmal klar, ob die Tagesordnung des Abgeordnetenhauses überhaupt eine Chance hat, gebilligt zu werden. Auf ihr stand nämlich ganz oben der EU-Vertrag von Lissabon. Die pro-europäischen Sozialdemokraten hatten die Sondersitzung beantragt - gegen den Willen der regierenden Bürgerdemokraten, von denen die meisten Lissabon ablehnen. Trotzdem gab es einen Kompromiss – vorerst.
„Der Lissabon-Vertrag liegt uns zwar vor, aber zur Verhandlung ist er noch nicht gekommen. Deshalb scheint mir die Abstimmung, die auf ihre Weise an etwaige Abmachungen geknüpft ist, verfrüht.“
Es scheint paradox: Der Bürgerdemokrat und Premier Topolánek hat den Lissabon-Vertrag vor rund einem Jahr unterschrieben. Jetzt jedoch wird verzögert. Der EU-Vertrag stößt nämlich in seiner national-liberal ausgerichteten Partei nicht auf Gegenliebe. Dafür befürwortet diese aber das geplante US-Radar auf tschechischem Boden. Zwei Angelegenheiten, die sachlich nichts miteinander zu tun haben. Auf parlamentarischem Boden aber schon. Denn die oppositionellen Sozialdemokraten sehen die Sache genau anders herum. Sie sagen Ja zu Lissabon und Nein zum Radar. Und der Lissabon-Vertrag braucht eine Verfassungsmehrheit von 120 Stimmen. Das Zauberwort in beiden Vertragsfragen heißt also Abmachung, oder Handel.Vor wenigen Tagen sah es damit aber noch schlecht aus. Sozialdemokraten-Chef Jiří Paroubek hatte mit ernster Mine verkündet: Ohne Lissabon keine Unterstützung für die Regierung während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Nach der parlamentarischen Sondersitzung und der Vertagung von Lissabon zeigte er sich aber erstaunlich zufrieden:
„Das ist eine bessere Lösung, als wenn die ODS zusammen mit den Kommunisten die Verhandlung sofort abgebrochen hätte. So ist wenigstens der Ratifizierungsprozess eröffnet worden.“Die Hauptakteure sind also alle ein Stück von ihren Forderungen abgerückt und gemeinsam einen kleinen Schritt vorgerückt. Brüssel ist dieser Schritt zu klein. Zwar hieß es am Dienstag von offizieller Seite, beim Ratifizierungsprozess handele es sich um eine innere Angelegenheit Tschechiens. Viele EU-Politiker sprechen aber von einer geschwächten Führungsposition Tschechiens, wenn es als EU-Präsident mit Irland über die Zukunft des Lissabon-Vertrages verhandeln muss. Das sei aber ein Problem der Regierung, nicht der Sozialdemokraten, meint der Abgeordnete Jan Hamáček:
„Das hat die Regierung selbst zu verantworten. Wir, die Sozialdemokraten, waren bereit unsere 70 Stimmen für den Lissabon-Vertrag zu geben. Das ist also ein Problem der Regierung.“