Glas raus, Metall rein - Handelsabkommen 1965 zwischen Wien und Prag

Es gab Zeiten, da war die Tschechoslowakei wichtigster Handelspartner Österreichs: in den 20er Jahren zum Beispiel. Auch unmittelbar nach 1945 war das so, denn Österreich konnte davon profitieren, dass die tschechoslowakischen Nachbarn von den großen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg verschont geblieben waren. 1959 wurde dann erstmals ein langfristiges Handelsabkommen zwischen der nun kommunistischen Tschechoslowakei und dem neutralen Österreich abgeschlossen. Jährlich wurde nun der Umfang der Warenlieferungen neu bestimmt. 1965 bewertete der stellvertretende tschechoslowakische Außenhandelsminister Jaroslav Kohout die Handelsbeziehungen zwischen Prag und Wien in einem Interview auf Deutsch für Radio Prag. Wir haben einige Antworten daraus zusammengestellt.

Zu Beginn steht die Bilanz - das ist so üblich in der Wirtschaft. Deswegen fasst Kohout den Warenaustausch zwischen der Tschechoslowakei und Österreich im Jahr 1964 zusammen.

„Obwohl noch keine genauen Daten vorliegen, kann ich sagen, dass unsere Handelsbeziehungen abermals erweitert wurden und sich der Warenaustausch mit Österreich erneut erhöht hat. Der Gesamtumfang dürfte 1,5 Milliarden Schilling betragen haben“, so der stellvertretende Außenhandelsminister damals gegenüber den deutschen Sendungen von Radio Prag.

Jaroslav Kohout zählte zudem auf, was alles exportiert und importiert wurde:

„So wie in früheren Jahren lieferten auch im vergangenen Jahr vor allem feste und flüssige Brennstoffe, Personenkraftwagen, Werkzeugmaschinen, Erzeugnisse der chemischen Industrie, aber auch traditionelle Waren wie zum Beispiel böhmisches Glas und Porzellan, Pilsner und Budweiser Bier und so weiter. Es ist wohl nicht uninteressant, dass die Personenwagen Škoda MB 1000, die in Österreich sehr guten Anklang finden, in einer neuen, modernen Fabrik in Mladá Boleslav hergestellt werden, an deren Bau auch österreichische Firmen beteiligt waren. Aus Österreich bezogen wir im vergangenen Jahr auch vor allem Walzmaterial, vor allem Bleche, Maschinen und Einrichtungen für die Chemie- und Papierindustrie und andere Industriezweige. Weiter: Elektromotoren, Messeinrichtungen, Erzeugnisse der chemischen Industrie, besonders Stickstoff, und so weiter, aber auch die bereits traditionellen Sensen und weitere Konsumgüter.“

Und die Perspektiven für das Jahr 1965? Jaroslav Kohout verweist darauf, dass das neue Warenhandelsprotokoll bereits im Dezember in Wien unterzeichnet wurde und sagt:

„Der Gesamtumfang der Ein- und Ausfuhrlisten wurde um etwa zehn Prozent gesteigert, so dass die Voraussetzungen für die neuerliche Erweiterung des Warenaustausches gegeben sind.“

Aber auch allgemein zeigt Prag damals Interesse an einem weiteren Ausbau der tschechoslowakisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen:

„Für die Weiterentfaltung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen bestehen gute Voraussetzungen. Wir sind an einer Erweiterung des Handels interessiert, der für beide Seiten von Vorteil ist, allein weil wir ja Nachbarländer sind und bereits eine lange Tradition an Handelsbeziehungen besteht. Ich bin überzeugt, dass es auf beiden Seiten eine ganze Reihe ungenutzter Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit sowohl für unsere beiden Länder als auch bei der Komplettierung der Lieferungen für Drittmärkte gibt. Und abschließend möchte ich die Möglichkeit nutzen, alle unsere Geschäftsfreunde und Partner in Österreich zu begrüßen, ihnen für ihre Arbeit im abgelaufenen Jahr zu danken und ihnen viel Erfolg in ihrer Tätigkeit und Zufriedenheit im Privatleben zu wünschen.“

Autor: Till Janzer
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