April 1939: Reichsprotektor von Neurath wird in Prag empfangen

Konstantin von Neurath

Am 15. März 1939 besetzten deutsche Truppen die damalige Tschechoslowakei und Hitler ernannte Konstantin Freiherr von Neurath zum ersten „Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“ – vom propagandistischen Empfang, der ihm bei seiner Ankunft Anfang April 1939 in Prag bereitet wurde, ist in unserem Archiv eine Tonaufnahme erhalten geblieben.

Konstantin von Neurath
5. April 1939, Wilson-Bahnhof in Prag. Der erste Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Konstantin Freiherr von Neurath, trifft in der ehemaligen Hauptstadt der Tschechoslowakei ein. Eine große Menschenmenge ist versammelt und der Rundfunk berichtet live:

„Freiherr von Neurath reitet nun die Front der aufgestellten Ehrenformationen ab. Wie aus ehernem Guss stehen die Soldaten Adolf Hitlers, das Gewehr präsentierend, unbeweglich da. Eine eherne Mauer, die zum Empfang des Reichsprotektors bereit steht. Überall sieht man kleine Hakenkreuzfähnchen, die hauptsächlich Kinder in den Händen halten, die eifrig und begeistert beim Herauskommen des Herrn Reichsprotektors aus dem Bahnhof gewunken haben.“

Die Ansprache, mit der der neue Reichsprotektor begrüßt wird, trieft geradezu vor Deutschtum und Begeisterung über den Reichsanschluss der Tschechoslowakei. Sie könnte den Eindruck erwecken, als gäbe es zu dieser Zeit keinen aktiven Widerstand gegen die deutschen Besatzer – das Gegenteil ist aber der Fall.

Protektorát Čechy a Morava - Protektorat Böhmen und Mähren
„Herr Reichsprotektor, in dem Augenblick, da Sie den Boden dieser mit der deutschen Geschichte so eng verbundenen Stadt betreten, ist jenes Werk beendet, als dessen Schöpfer, der Führer, vor drei Wochen seinen Einzug auf der Prager Burg hielt. Böhmen und Mähren, für immer unlösliche Teile des Großdeutschen Reiches. Als Zeichen dessen wird nun immerfort der Reichsprotektor in Prag residieren. Deswegen jubeln Ihnen heute zum freudigsten Willkommen die Herzen aller Prager Deutschen in inniger Dankbarkeit entgegen. Erfüllt sich doch heute für diese Prager Deutschen ein so lange gehegter, inbrünstiger Wunsch: die Sehnsucht nach der Heimkehr ins Reich, die aus dem niemals hier erloschenen Reichsbewusstsein erwachsen ist.“

Konstantin von Neurath ist auf dem politischen Parkett kein Neuling: Nach fast 30 Jahren im diplomatischen Dienst wird er 1932 Außenminister in der Regierung von Reichskanzler Franz von Papen und tritt 1937 der NSDAP bei. Zwei Jahre später ernennt Hitler ihn zum Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Massenverhaftungen vor allem von Kommunisten, Sozialdemokraten und politisch Verdächtigen durch die Gestapo beginnen. Von Neurath am Tag seiner Ankunft in Prag:

Adolf Hitler in Prag
„Ich betrete heute zum ersten Mal den Boden Prags und ich kann ihnen nur das Eine versichern, dass mein Bestreben, wie ich es schon vorübergehend zum Ausdruck gebracht habe, dahin gehen wird, auch der Stadt Prag, wie diesem Land, den Frieden zu sichern und zu erhalten.“

Von Frieden kann keine Rede sein: In seiner Funktion ist er vor allem zuständig für die Einhaltung der Nürnberger Rassen-Gesetze und die Unterdrückung der politischen Kultur der Tschechen. Neben dem Reichsprotektor gibt es nämlich auch noch eine scheinautonome Protektoratsregierung, an deren Spitze der Präsident Emil Hácha steht. Die machtlose Protektoratsregierung hat allerdings Verbindungen zu der tschechischen Exilregierung in London und zahlreichen Widerstandsbewegungen - dies soll von Neurath unterbinden. Für Hitlers Geschmack geht Neurath allerdings nicht schonungslos genug vor: Der Reichsprotektor wird daher im September 1941 dauerhaft beurlaubt, an seine Stelle tritt Reinhard Heydrich.

Im Mai 1945 wird von Neurath von französischen Truppen festgenommen und bei den Nürnberger Prozessen zu 15 Jahren Haft verurteilt - wegen „Verschwörung gegen den Weltfrieden, Verbrechen gegen den Frieden, Planung und Durchführung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. 1954 wird er jedoch aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig entlassen und stirbt zwei Jahre später in Süddeutschland.