Streit um den „Blob“: Nationalbibliothek will Prager Magistrat verklagen

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Die Leitung der Prager Nationalbibliothek überlegt, gegen den Prager Magistrat Strafanzeige zu stellen. Im März 2006 hatte der Stadtrat vorläufig zugesagt, der Nationalbibliothek ein Grundstück zum Bau eines neuen Bibliotheksgebäudes im Stadtteil Letná zu verkaufen. Der Verkauf fand allerdings bis zum heutigen Zeitpunkt nicht statt.

Ufo, Qualle, Krake – viele Bezeichnungen hat der futuristische Blob-Bau für die neue Prager Nationalbibliothek. Der Entwurf dazu stammt vom tschechisch-britischen Architekten Jan Kaplický und war wegen seines außergewöhnlichen Aussehens sowohl bei Politikern als auch Bürgern umstritten.

Nun wird der Kaplický-Krake wahrscheinlich erst gar nicht gebaut: die Stadt Prag will das Baugrundstück auf der Letná-Fläche nicht verkaufen, obwohl der Stadtrat dem 2006 zugestimmt hatte. Wird das neue Gebäude nicht entstehen, würden der Nationalbibliothek Schäden in Milliardenhöhe entstehen, meint ihr Generaldirektor Vlastimil Ježek erbost. Allein die internationale Ausschreibung für den architektonischen Entwurf der neuen Nationalbibliothek habe 30 Millionen Kronen (umgerechnet über 1,2 Millionen Euro) gekostet. Ježek will nun gegen den Prager Magistrat Strafanzeige erstatten:

„Ich halte es nicht für möglich, dass seit einiger Zeit die Planung für den Bau läuft, in Übereinstimmung mit allen Vorschriften, und dass diese Planung in dem Moment ein jähes Ende findet, in dem konkrete Individuen eigene ästhetische Meinungen und Stellungnahmen äußern. Ich glaube, dass das nicht mit einem demokratischen System vereinbar ist.“

Die Prager Stadtführung wehrt sich: Die Entscheidung über den Bau läge nicht in ihrer Kompetenz, sondern bei Kulturminister Václav Jehlička. Der hat sein Machtwort bereits gesprochen: Die Nationalbibliothek solle weiterhin dort bleiben, wo sie ist, nämlich im Klementinum, einem barocken Jesuitenkolleg in der Prager Altstadt.

Klementinum
„Der Krake wird auf der Letná nicht gebaut, weil das Projekt nicht genügend vorbereitet war. Es war auf eine gewisse Art eine abenteuerliche Sache. Nun muss sich unsere Aufmerksamkeit auf die Revitalisierung des Klementinums richten. Wir müssen nun unser Augenmerk darauf richten, inwieweit man das Klementinum so auslasten und nutzen kann, dass es auch weiterhin ein Bildungszentrum bleibt.“

2,5 Millionen Bücher sind im Klementinum untergebracht und jedes Jahr wächst der Bestand um 80.000 bis 100.000 neue Buchbände an. Das alte Gebäude sei einfach nicht groß genug für die vielen Bücher der Nationalbibliothek und auch technisch nicht genügend ausgerüstet, kritisiert Generaldirektor Ježek den Vorschlag aus dem Kulturministerium. Auch der Architekt des Kraken, Jan Kaplický, kann nicht verstehen, warum das Ministerium den Blob-Bau nicht zulassen will:

„Mich als Architekten hat doch sehr gewundert, dass das Kulturministerium der Tschechischen Republik das einzige Kulturministerium in Europa oder gar auf der ganzen Welt ist, das gegen die Kultur kämpft.“

Falls bis zum 2. Februar 2009 kein Vertrag über den Bau des Blob-Kraken unterschrieben ist, läuft auch die Frist aus, die der Prager Nationalbibliothek die Autorenrechte am Kraken gewährt. Der Architekt Kaplický kann dann seinen Kraken bauen, wo immer er will – die schottische Stadt Edinburgh hat bereits Interesse angemeldet.