Erfolgreicher Jubilar: Der „Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds“
In diesem Jahr feiert der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds sein zehnjähriges Jubiläum. Grund genug, sich die Arbeit und die Ergebnisse des Fonds genauer anzusehen.
„Das übergeordnete Ziel ist natürlich, die Verständigung zwischen den beiden Völkern und ihre Zusammenarbeit zu fördern. Und das tun wir, indem wir die Probleme der Vergangenheit nicht außen vor lassen, sondern sie als wichtigen Bestandteil betrachten. Darunter fallen insbesondere natürlich auch die Auswirkungen der deutschen Vergangenheit, die Besetzung der Tschechoslowakischen Republik 1938/39. Wir haben Opfer des Nationalsozialismus, insgesamt 8000 Personen, mit Zahlungen entschädigt. Neben diesem Sozialprojekt haben wir natürlich noch eine ganze Reihe von anderen Projekten. Alles in allem haben wir in den letzten Jahren etwa 4400 Projekte gefördert, insbesondere aus dem Bereich Jugend, Schüler- und Studentenaustausch, der eine der großen Prioritäten innerhalb unserer Arbeit darstellt.“
Eines dieser 4400 geförderten Projekte ist das „Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren“. Gegründet wurde es von der letzten deutschsprachigen Prager Autorin, der kürzlich verstorbenen Lenka Reinerová.
„Die Hauptidee oder das Ziel des Literaturhauses ist, die deutschsprachige Literatur aus böhmischen Ländern der Öffentlichkeit näher zu bringen und sie zu präsentieren. Wir wollen zeigen, dass nicht nur Franz Kafka hier gelebt und geschrieben hat, sondern dass es wesentlich mehr Autoren waren. Allein in Prag waren es laut Expertenmeinung über 90“, sagt die Direktorin des Literaturhauses, Lucie Černohousová.
Das Prager Literaturhaus veranstaltet Lesungen und Diskussionsabende und es beherbergt zudem eine einzigartige kleine Präsenzbibliothek mit ungefähr 1000 Büchern zum Thema „Prager deutschsprachige Literatur“. Durch die Unterstützung des „Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds“ kann das Prager Literaturhaus aber noch mehr bieten:
„Wir möchten die Tradition, die es hier um die Jahrhundertwende gegeben hat, als sich verschiedene Kulturen hier in Prag - die deutsche, jüdische und tschechische - getroffen und gegenseitig beeinflusst haben, auf eine modernere Art und Weise wieder beleben. Prag soll wieder ein Begegnungsort europäischer Kulturen sein. Daher haben wir angefangen, Stipendien an Schriftsteller zu vergeben, die unter anderem auch vom ‚Deutsch-Tschechischen-Zukunftsfonds’ mitgefördert werden. Wir vergeben das Stipendium an tschechische Schriftsteller, die ins Ausland gehen und im Gegenzug empfangen wir hier ausländische Schriftsteller, die dann in Prag leben und schreiben können. Sie schreiben hier ein Tagebuch, das wir dann wiederum veröffentlichen. Die ausländischen Schriftsteller atmen die Atmosphäre in Prag und sammeln Inspiration für ihre Werke.“
Der „Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds“ kann jedoch immer nur 50 Prozent eines Projektes finanzieren. Gab es daher Existenzängste im Prager Literaturhaus, da ihre wichtigste Repräsentantin Lenka Reinerová Ende Juni verstorben ist? Nein, denn sie habe gute Nachrichten erhalten, so Lucie Černohousová:
„Frau Reinerová hat die beiden Außenminister, den tschechischen und den deutschen, für das Prager Literaturhaus und vor allem für seine Idee und Tätigkeit begeistert. Wir sind darüber sehr froh, denn mit Frau Reinerovás Tod gab es natürlich auch Bedenken, wie es jetzt weitergehen soll. Daher freut es mich sehr, dass sich der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier in seiner Pressemitteilung ganz klar zur weiteren Förderung des Literaturhauses geäußert hat. Wenn ich genau seine Worte zitieren darf: ‚Frau Reinerová setzte sich ihr Leben lang unermüdlich für ein lebendiges, deutschsprachiges Literaturleben in Prag ein. Das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren war ihr Herzensprojekt. Ihr Tod ist uns Verpflichtung, es zum Erfolg zu führen.’ Das sind sehr schöne Worte.“
Ein weiteres Projekt, das vom Zukunftsfonds gefördert wird, ist das „Deutsch-Tschechische Jugendforum“. Es sei wichtig, dass auch Jugendliche etwas zum Verständnis zwischen den beiden Ländern Deutschland und Tschechien beitragen, sagt Bianca Lipanská vom Jugendforum und erklärt den Aufbau und die Organisation des Forums:
„Es gibt immer 20 deutsche und 20 tschechische Mitglieder im Jugendforum. Häufig sind das Jugendliche, die zum Beispiel entweder als Tscheche ein Semester oder ein Jahr in Deutschland studiert haben oder umgekehrt. Daher haben sie bereits einen gewissen Hintergrund, weshalb sie sich gerade für die deutsch-tschechischen Beziehungen interessieren. Jedes Jahr gibt es zwei Treffen, bei denen sich das ganze Plenum trifft. Bei dem ersten Treffen, das dieses Jahr im September in Nürnberg stattgefunden hat, wurden AGs gebildet, also verschiedene Arbeitsgruppen. Es gibt zum Beispiel die AG Politik, AG Kultur, AG Info, AG Europa, AG Migration und innerhalb dieser AGs werden dann verschiedene Projekte gemacht.“
Die Organisation „Sdružení Ackermann Gemeinde“, auf deutsch „Verein Ackermann Gemeinde“, ist die tschechische Partnerorganisation der deutschen „Ackermann Gemeinde“, die 1946 von sudetendeutschen Katholiken gegründet wurde. Die Mitglieder des „Sdružení Ackermann Gemeinde“ sind vor allem tschechische Bürger deutscher Nationalität, die sich im besonderen Maße um die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen bemühen wollen. Unsere Kollegin Martina Schneibergová ist im Vorstand des „Sdružení Ackermann Gemeinde“:
„Während der vergangenen Jahre haben die ‚tschechischen Ackermänner’ mehrere Konferenzen organisiert, außerdem Bildungsreisen, Seminare und auch zwei Studentenkonferenzen, in denen auch die junge Generation angesprochen wird. Jedes Jahr wird eine Jahreskonferenz zu einem tragenden Thema veranstaltet. In den ersten Jahren haben sich die Konferenzen eher mit den historischen Tatsachen beschäftigt, denn sie waren auf die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen ausgerichtet. Dieses Jahr haben wir dann aber eine Konferenz zur Problematik der Migrationspolitik organisiert, zu der wir auch Experten aus mehreren Ländern eingeladen haben.“
Eigentlich war der „Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds“ nur für die Dauer von zehn Jahren konzipiert und hätte demnach im Jahr 2007 seine Arbeit einstellen müssen:
„Aber beide Regierungen waren dann überzeugt, dass die Arbeit des ‚Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds’ sehr erfolgreich und nützlich ist. Deshalb haben beide Parlamente und beide Regierungen entschieden, die Finanzierung fortzusetzen und im letzten Jahr sind dann von beiden Seiten wieder entsprechende Zahlungen in die Kasse des Zukunftsfonds getätigt worden. Das heißt, wir fördern dann je nach dem, wie groß die Projekte sind, im Jahr ungefähr 500 bis 600 einzelne Projekte“, erklärt Konrad Scharinger, der Geschäftsführer des Zukunftsfonds.
Gute Nachrichten also für viele weitere erfolgreiche deutsch-tschechische Begegnungen!