Presseeinblick - und außerdem: „Euranet“, das europäische Radio-Projekt

Heute präsentieren wir Ihnen im Medienspiegel das „Euranet“, ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer europäischer Radiosender. Gerald Schubert berichtet, worum es geht. Aber zunächst zu unserem regelmäßigen Presseeinblick.

Ganz aktuell erscheint die Tageszeitung „Lidové noviny“ mit einem echten Eye-Catcher, einem Blickfang auf der Titelseite. Präsident Vaclav Klaus im Krankenbett. Unter einer blaurot gemusterten Decke lächelt er über die „Financial Times“ hinweg in die Kamera. Nach seiner Hüftoperation will das Staatsoberghaupt auch noch die kommende Woche im Krankenhaus verbringen. Die wichtigere Medlung findet sich als Leitartikel direkt darüber und ausführlichst noch auf der ganzen Seite drei: „Die Tschechen haben aufgehört auszusterben – Es werden mehr Menschen geboren als sterben. 36 Prozent der Kinder sind unehelich.“ Dieser Geburtentrend hält nun schon das dritte Jahr an. Zur steigenden Bevölkerungszahl tragen im übrigen auch Ausländer bei, die sich immer häufiger nach Tschechien orientieren. Die Tageszeitung„Mladá fronta Dnes“ hat sich über das gleiche Thema hergemacht und fügt noch einen Aspekt hinzu: „Jetzt fehlen die Kindergärten, in ein paar Jahren die Schulen“.

Präsident Vaclav Klaus im Krankenbett  (Foto: ČTK)
Und wir bleiben bei der „Mladá fronta Dnes“. Sie informiert die Tschechen über das neue Bürgerliche Gesetzbuch, an dem schon viele Jahre gearbeitet wird. Noch in diesem Jahr soll es eingeführt werden. Die MfD titelt: „Die Wohnung von der Oma übernehmen? – Nur für zwei Jahre. Nach 40 Jahren hat das Justitzministerium ein neues Gesetzbuch erarbeitet, das auch das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter neu regelt.“ Grundlose Kündigung wird ermöglicht und auch die Regelungen zu Eheschließungen und zum Erbschaftsrecht sollen geändert werden.

Die "Právo" kommt am Montag mit ihrer regelmäßigen Beilage „Die Firma“ heraus – Informationen für Unternehmer. Diese Woche mit einem sehr speziellen Thema, das eher an die Gangster-Szene erinnert als an die Wirtschaft: „Überfallen! – Wie und womit sich verteidigen – eine detaillierte Anleitung, wie man an einen Waffenschein kommt, praktische Erfahrungen von Kommissaren am Schießstand und wie man sich eine passende Pistole aussucht“. Die Pravo reagiert – nach eigenen Worten - mit dieser Beilage darauf, dass die besten Leute den Polizeidienst verlassen. Es bliebe den Unternehmern bei der Verteidigung ihres Eigentums nichts anderes übrig, als selber zur Waffe zu greifen. Drei Seiten Unterstützung liefert die Pravo unter anderem bei der Auswahl des richtigen Revolvers. Der Wilde Osten lässt grüßen! Und für die weiblichen Unternehmer etwas sehr Kundenorientiertes: Ein Minirevolver ohne Abzugshahn. So kann sich in der Handtasche nichts verhaken, wenn Frau mal schnell ziehen muss! Soweit unser Presseeinblick über die Schwerpunktthemen der tschechischen Tageszeitungen.

Im Anschluss hören Sie ein Gespräch von Till Janzer mit dem Chefredakteur von Radio Prag, Gerald Schubert, und zwar zum neuen Europa-Radio-Projekt „Euranet“.




Gerald, Wie funktioniert Euranet, worum handelt es sich dabei?

„Am besten kann man das anhand der Entstehungsgeschichte erklären: Unsere Hörerinnen und Hörer kennen vermutlich Treffpunkt Europa, eine Sendereihe, die wir auf unseren Wellen immer am Samstagfrüh ausstrahlen. Etwas Ähnliches gibt es auch auf Englisch, dort heißt die Sendung Network Europe. Das Prinzip ist, dass wir dabei mit verschiedenen Partnersendern gemeinsame Themen vereinbaren und zu diesen Themen gemeinsame Sendungen gestalten, die alle beteiligten Sender dann wieder auf ihren Frequenzen ausstrahlen können. Jetzt, im Rahmen von Euranet, werden diese bestehenden Projekte ausgeweitet und gleichzeitig intensiviert: Es gibt mehr Sendungen in mehreren Sprachen mit mehreren Partnern, und das alles unter einem gemeinsamen Dach - mit dem gemeinsamen Markennamen Euranet, und mit einer gemeinsamen Finanzierung durch die Europäische Union.“

Wie viele Partnersender sind denn dabei, und wie viele Sprachen sind an dem Projekt beteiligt?

„Vorerst sind 16 Radiostationen aus 13 europäischen Staaten beteiligt. Es gibt dabei fünf Hauptsprachen, und zwar Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Polnisch. Radio Prag ist mit allen Sprachen außer Polnisch dabei, denn eine polnische Redaktion haben wir nicht. Zusätzlich gibt es noch fünf weitere Sprachen: Griechisch, Portugiesisch, Ungarisch, Bulgarisch und Rumänisch. Diese Sprachen werden zum Teil von kleineren Sendern abgedeckt, die kein mehrsprachiges Angebot haben und nur zu Hause senden. In Zukunft ist außerdem eine Ausweitung auf noch mehr Partner und noch mehr Sprachen geplant.“

Worin besteht das Ziel von Euranet, was ist sozusagen die Philosophie dahinter?

„Ziel ist es, Wissen über Europa fördern, ein Bewusstsein über die Gemeinsamkeiten aber auch die Vielfalt des Kontinents. Ich etwa bin in Wien aufgewachsen, also 50 Kilometer von der slowakischen Hauptstadt Bratislava entfernt. Wenn im Westen Österreichs, also in Tirol oder in Vorarlberg, ein Verkehrsunfall passiert ist, dann haben wir das abends in den Nachrichten gehört. Aber wenn etwa in Bratislava, 50 Kilometer vor der Haustüre, Parlamentswahlen waren, dann haben wir davon nur am Rande der Berichterstattung erfahren. Ich glaube, im zusammenwachsenden, sich integrierenden Europa muss es mehr Bewusstsein über die Nachbarn und überhaupt die europäischen Partner geben. Unser Ziel ist es also, zur Herausbildung einer Europäischen Öffentlichkeit beizutragen. Es ist aber ganz wichtig zu sagen, dass wir redaktionell unabhängig arbeiten. Auch wenn das Projekt von der Europäischen Union finanziert wird, sind wir bestimmt nicht Radio Brüssel. Die Brüsseler Agenda macht auch nur einen Teil der Themen aus. Wir wollen also nicht nur über EU-Gipfel sprechen, sondern über die Küche in Ungarn, die Atom-Diskussion in Deutschland, Wahlen in Griechenland, junge Skateboardfahrer in Prag, neue Musikrichtungen in ganz Europa und so weiter.“

Was haben die Hörerinnen und Hörer jetzt konkret von dem Projekt? Wie und wo können sie das Angebot nutzen?

„Für die Hörer des deutschen Programms von Radio wird sich vorerst nicht viel ändern. Wir werden jetzt im Rahmen des Projekts weiterhin Treffpunkt Europa ausstrahlen – wir waren da ja sozusagen Vorreiter, denn den Treffpunkt gibt es schon länger als Euranet. Vielleicht wird es zu einer gewissen Internationalisierung der Inhalte kommen, denn wir wollen mit den Partnern vermehrt O-Töne austauschen. Wenn es zum Beispiel ein gemeinsames tschechisch-polnisches Thema gibt, dann können wir damit rechnen, von polnischen Partnern Töne zu bekommen. So können wir das Geschehen in Tschechien besser in einen internationalen Zusammenhang bringen, wobei der tschechische Bezug aber natürlich der Hauptschwerpunkt unserer Sendungen bleibt. Aber andere Partnersender bekommen von uns nun Extra-Beiträge, und so entsteht eine Vielzahl von Sendungen wie Treffpunkt Europa, die in ganz Europa ausgestrahlt werden. Spätestens im Sommer soll es dann auch eine Internetplattform geben, wo alles gebündelt in allen Sprachen angeboten wird. Da kann man dann podcasten, downloaden, live hören, und dann wird es - glaube ich - für die Hörer auch wirklich übersichtlich.“