Rauchfreies Bierlokal liegt bei tschechischen Nichtrauchern nicht an erster Stelle
Das tschechische Abgeordnetenhaus verwandelt sich von Zeit zu Zeit in ein Schlachtfeld, wenn es um kontroverse Gesetzesentwürfe geht. Das gilt auch für die Gesetzesnovelle zur Regulierung des Rauchens, um deren Ausmaß seit über einem Jahr in unregelmäßigen Intervallen ein verbissenes Gefecht ausgetragen wird. In absehbarer Zeit wird eine Abstimmung im Unterhaus des Parlaments erwartet. Da bereits seit 2005 ein absolutes Rauchverbot für öffentliche Einrichtungen wie zum Beispiel Theater, Kinos, Krankenhäuser oder öffentliche Verkehrsmittel gilt, betrifft das Tauziehen hauptsächlich den Bereich der Gastronomie. Vor allem dort hat sich Jitka Mládková für die neue Ausgabe der Sendereihe Forum Gesellschaft umgesehen und umgehört.
3000 Tschechen sterben jährlich an den Folgen des Passivrauchens. Allein 450 Menschen im Monat erleiden einen Herzinfarkt. Doch die Argumente der Mediziner sind nur die eine Hälfte der Diskussion im Kampf gegen den blauen Dunst. Die politischen Geister Tschechiens scheiden sich nämlich an der Frage, inwieweit der Staat im Bemühen um die Gesundheit seiner Bürger in Privatunternehmen eingreifen darf, die öffentlichen Dienstleistungen bieten.
Der Staat habe vor langer Zeit die Produktion, Distribution und den Verkauf der Tabakwaren legalisiert, sagt der Vorleger der besagten Gesetzesnovelle, Bürgerdemokrat Boris Stastny (ODS), und argumentiert:
„Im Prinzip hat der Staat ein Produkt legalisiert, das eindeutig süchtig macht und bei seinen Konsumenten gesundheitliche Probleme bis hin zum Krebstod zur Folge hat. Der Staat hat also das Recht, die Reklame, den Verkauf und auch den Konsum von Tabak in öffentlichen Räumen zu regulieren. Es steht außer Frage, ob er dazu berechtigt ist oder nicht. Es geht aber um das Ausmaß der Regulierung, zu der wir bereit sind. Und das ist immer eine politische Entscheidung.“
Die Diskussion in Tschechien um das Rauchverbot ist emotionsgeladen. Sein hierzulande wohl bekanntester Gegner, ODS-Senator Jaroslav Kubera, wetterte kürzlich:
„Die Befürworter des Rauchverbots können ruhig das Recht der Nichtraucher auf rauchfreie Luft verteidigen, sie sollten aber die Raucher bitteschön in Ruhe lassen. Es geht doch um ihre Entscheidung, genauso wenn jemand Bier trinkt oder fettes Fleisch isst. Ich bin dagegen, dass ausgerechnet die Raucher für ihre Passion zahlen sollen. Das müsste zum Beispiel auch für alle gelten, die an Übergewicht leiden.“
Von den rund zehn Millionen Tschechen sind laut Statistik sieben Millionen Nichtraucher. Im realen Leben sieht es aber nicht dementsprechend aus: Ein rauchfreies Lokal ist nicht leicht zu finden. Auch in Prag nicht, wo es Restaurants oder Bier- und Weinstuben beinahe an jeder Ecke gibt. Per Zufall bin ich vor kurzem auf eins gestoßen - sogar im Stadtzentrum. Kommen Sie mit!
Es ist etwa vier Uhr nachmittags, das Restaurant ist fast voll besetzt. Es duftet nach Bier, das direkt im Haus gebraut wird. Keine Spur vom typischen Zigarettengeruch und den üblichen Rauchschwaden der meisten tschechischen Bier- und Weinstuben. Das absolute Rauchverbot gilt hier erst seit einem halben Jahr. Aleš Dočkal, Manager und Mitbesitzer des Lokals, weiß natürlich mehr:
“Das war eigentlich meine Entscheidung. In diese Richtung sind wir schon länger gegangen.”
Hatte sie trotzdem negative Konsequenzen? Hat sich etwa Ihre Klientel verändert oder gab es unzufriedene Gäste?
“Ich muss sagen, die Klientel hat sich nicht verändert. Unsere Klientel kommt zu uns hauptsächlich, um das gute Bier genießen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich jemand beschwert hat.”
Sind Sie also dafür, dass unser Parlament das Rauchverbot für den gesamten Gastronomiebereich einführt?
“Ich bin gegen jede Entscheidung, die jemand irgendwo für alle macht. Diese Entscheidung soll in den Händen der Besitzer bleiben. Die sind verantwortlich für das Geschäft und der Markt wird entscheiden.”
Das absolute Rauchverbot ist nach dem Vorbild anderer Länder vielleicht doch nicht abwendbar!
“Wir können auch weiter gehen. Vielleicht ist das Gemüse gesünder als Wiener Schnitzel. Werden wir das Wiener Schnitzel verbieten, nur weil das Gemüse gesünder ist?”
In einem Nichtraucherlokal muss es eingefleischte Nikotingegner und daher potentielle Rauchverbotbefürworter geben, dachte ich und befragte mehrere Gäste vor Ort. Hören Sie zu, was ist dabei zu hören bekam:
„Ich bin Nichtraucher, aber von Kindheit an bin ich in der Kneipe. Ich sage, verbietet einfach alles, das Bier, das Rauchen, die Abtreibungen, kurzum alles. Ich persönlich bin tolerant und der Zigarettenrauch stört mich in der Kneipe nicht.“
Der Aufruf, alles zu verbieten, war natürlich nicht ernst gemeint. Die Toleranz war aber nicht vorgetäuscht. Auf die bin ich in dem Bierlokal buchstäblich auf Schritt und Tritt gestoßen:„Ab und zu kommen wir hierher, vor allem wegen dem Bier und es ist gut, dass hier nicht geraucht wird. Wenn ich einen Anzug an habe, gehe ich lieber in ein rauchfreies Lokal, um nachher nicht nach Rauch zu stinken. Für ein absolutes Rauchverbot bin ich eigentlich nicht. Es sollte aber immer ein Raum den Nichtrauchern zur Verfügung stehen.“
„Wenn ich das Problem lösen sollte, würde ich rauchfreie Zonen einrichten, aber nur dort, wo es geht. Doch das muss nicht um jeden Preis sein.“
Könnte man sich veilleicht auch Inspirationen aus dem Ausland holen, fragte ich auch:
„Was ich vom Hörensagen weiß, hat man sich zum Beispiel in Irland schnell an das Rauchverbot gewöhnt. Dadurch kann das Geschehen im Lokal belebt werden, wenn Leute immer wieder nach draußen gehen und sich am Tisch sozusagen abwechseln. Ich bin Nichtraucher, aber der Rauch stört mich in der Kneipe nicht.“Merkwürdig, für die meisten meiner Gesprächspartner schien die nachgewiesene Nikotinschädlichkeit nicht relevant zu sein. Ausschlaggebend seien die Bierqualität und die Menschen, mit denen man das Bier trinke, wurde mir wiederholt gesagt. Kaum zu glauben, es gab dort nur einen einzigen Befürworter des Rauchverbots. Es war eine Frau und ein Nikotinfeind in einer Person:
„Das ist kein Zufall, dass ich da bin, weil ich eine verbissene Nichtraucherin bin und gar keinen Rauch vertrage. Ich bin natürlich für ein absolutes Rauchverbot. Nur dort, wo es geht, würde ich im Lokal eine abgetrennte Zone einrichten, damit auch die Raucher ihre Freude haben.“
Dem Abgeordnetenhaus liegt seit Kurzem auch eine Petition mit über 90.000 Unterschriften von Befürwortern des absoluten Rauchverbots vor. Mich würde nur interessieren, wie viel Mühe und Zeit es gekostet hat, sie einzusammeln.