Presseschau und Jan Urban über tschechische Medienhilfe im Irak

Aktuelle Stimmen aus der tschechischen Presse,sowie ein Gespräch mit dem Journalisten Jan Urban über dessen Mitwirkung an einem Lehrgang für irakische Journalisten – das sind die Themen im heutigen Medienspiegel.

Massenkarambolage auf der D1  (Foto: ČTK)
Auch wenn die Themen in den tschechischen Zeitungen während der abgelaufenen Woche vom antichinesischen Aufstand in Tibet bis hin zum Dauerbrenner Gesundheitsreform reichten, gab es dennoch ein Thema, dem sich am Freitag alle seriösen Zeitungen, wie auch die Boulevardblätter auf ihren Titelseiten widmeten: Die Rede ist von der Massenkarambolage auf der Autobahn Prag-Brünn vom Donnerstag, in die mehr als einhundert Autos involviert waren und durch die rund 20.000 Menschen für viele Stunden auf der Autobahn im Stau eingeschlossen waren.

Doch zurück zum Wochenanfang. Die Lidové noviny widmete sich am Montag auf ihrer dritten Seite ausführlich dem bereits erwähnten Aufstand in Tibet und informierte unter anderem, dass auch der frühere Präsident und einstige Kritiker des kommunistischen Regimes Vaclav Havel unter den Teilnehmern einer Demonstration vor der chinesischen Botschaft in Prag war. Ein dazu veröffentlichtes kurzes Interview mit Havel war – wie sich später herausstellen sollte – eine Art Vorwarnung auf den Mittwoch. An diesem Tag erschien nämlich in der Lidové noviny ein ganzseitiges Interview mit Havel, in dem er insbesondere die Menschenrechtslage in Russland scharf kritisierte. Die Titelüberschrift des Gesprächs mit Havel lautete: „Russland wird vom KGB und der Mafia regiert.“ Dazwischen widmete sich die Lidové noviny am Dienstag einem scheinbar unpolitischen Thema und zwar den Eckpunkten der geplanten und vielerorts kritisierten Gesundheitsreform.

Die Mladá fronta Dnes spannte bei ihren Themen in der abgelaufenen Woche einen weiten Bogen. Während am Montag die Meldung, wonach sich die Zahl der AIDS-Infizierten in Tschechien stetig vergrößert, breit erläutert wurde, ging die Zeitung auf ihrer dritten Seite am Dienstag auf den Tod des ersten tschechischen Soldaten bei der Auslandsmission in Afghanistan ein. Der Soldat wurde Opfer eines Selbstmordattentäters, der zum Terrornetzwerk Al Quaida gehörte.

Immer gut für Schlagzeilen und damit auch für eine Themenseite ist schon seit Jahren der frühere sozialdemokratische Premierminister Tschechiens Stanislav Gross. Die Mladá fronta Dnes ging am Mittwoch ausführlich auf der gescheiterten Versuch Gross´ ein die Rechtsanwaltsprüfung abzulegen.

Am Donnerstag schließlich befasste sich die Mladá fronta Dnes auf ihrer dritten Seite mit dem gesetzlichen Vorstoß der Prager Stadtregierung das älteste Gewerbe der Welt künftig gesetzlich zu regeln, wobei die Prostituierten auch gleichzeitig Steuern bezahlen sollen.


Im zweiten Teil unserer heutigen Sendung kommen wir auf den fünften Jahrestag des Beginns des Irak-Kriegs zu sprechen. Tschechien gehörte zu jenen Staaten, die in den Monaten nach dem offiziellen Ende der militärischen Operationen im Land zwischen Euphrat und Tigris wichtige Aufbauarbeit leisteten. Tschechische Wissenschaftler und Restauratoren konzentrierten sich dabei vor allem auf die Rettung der irakischen Kulturgüter, wie etwa der wertvollen Besitzstände der Bagdader Nationalbibliothek.

Weitaus weniger bekannt ist jedoch, dass tschechische Experten auch bei der Ausbildung von irakischen Journalisten halfen. Einer derjenigen, die damals ein Jahr nach dem Ende des Kriegs die Lehrgänge führten, war der frühere Bürgerrechtler und Journalist Jan Urban, mit dem wir im Folgenden ein kurzes Gespräch führten.

Zu den Motiven, die ihn dazu verleiteten an dem Programm teilzunehmen sagte er:

"Die Gesellschaft ´Mensch in Not´ startete ein sehr interessantes Projekt, dem ich nicht widerstehen konnte. Aus Sicherheitsgründen fand die Schulung der Journalisten aber nicht im Irak, sondern im jordanischen Amman statt. In Rahmen eines kleinen tschechisch-irakischen Teams betreuten wir zwei Journalisten-Gruppen. Die eine bestand aus ausgewählten Studenten, die im achten Semester Journalistik an der Bagdader Universität studierten und die sich dafür im Rahmen eines Wettbewerbs bewerben konnten. Die zweite Gruppe bestand aus älteren, meistens schon erfahreneren Journalisten aus den südlichen Provinzen des Irak. Für mich war das eine außerordentliche Erfahrung. In meinen Augen bestätigte sich nämlich wieder einmal, dass die beste Hilfe oft darin besteht, dass man über die eigenen Fehler berichtet, die nach der Wende in Tschechien unterlaufen sind. Interessant war auch zu spüren, wie wir aufgenommen wurden. Für die irakischen Journalisten waren wir eben keine Amerikaner, ebenso wenig kamen wir aus einem großen europäischen Land. Gleichzeitig hatten wir aber die gleiche Erfahrung mit einem totalitären Regime, wie die Iraker. Dass wir mit unserem Programm erfolgreich waren, belegen auch ganz konkrete Zahlen. Elf von insgesamt 14 Teilnehmern unseres ersten Lehrgangs fanden innerhalb von zwei Wochen nach dem Ende des Kurses eine Anstellung in wichtigen Medien des Landes. Wir verfolgten dann noch einige Monate lang deren Arbeit und bezahlten den Journalisten für jeden Artikel, der erschienen ist, oder jeden Fernseh- oder Rundfunkbeitrag, der ausgestrahlt wurde. Die Journalisten hatten also auch ein finanzielles Interesse und ich denke, dass dies alles zusammen wirklich sehr viel bewirkt hat. Erst unlängst habe ich gehört, dass wir eigentlich einige irakische Medienstars geschaffen haben. Man muss sich vorstellen, dass einiger dieser Journalisten, bevor sie an unserem Kurs teilnahmen, keinen einzigen Artikel geschrieben hatten und wir haben das geändert - das ist ein wunderbares Gefühl."

Mit welchen Erwartungen nahmen die irakischen Journalistik-Studenten an den Kursen teil? Welches Prestige hat der Journalistenberuf im Irak? Hören Sie dazu noch einmal den Journalisten Jan Urban:

"Die irakischen Journalisten wussten überhaupt gar nichts vom Beruf, den sie ausüben sollten. Sie strebten nur nach Einem - entweder dem Land schnell den Rücken zu kehren, oder etwas zu lernen, was ihnen zu Hause Respekt verschaffen und das Leben retten würde. Die Medienlandschaft im Irak wird größtenteils entweder von politischen Parteien oder wichtigen Persönlichkeiten kontrolliert und journalistische Unabhängigkeit, so wie wir sie verstehen und schätzen, ist dort sehr rar. Nichtsdestotrotz lässt sich auch in einem derart mangelhaften Umfeld Vieles leisten und zwar auf den verschiedensten Ebenen und oft nur damit, dass man zu erkennen gibt, nicht Lügen, sondern reinen Wein einschenken zu wollen. Das war überhaupt das Erste, was wir versucht haben den Teilnehmern des Lehrgangs ans Herz zu legen. Wir wollten zeigen, dass die journalistische Arbeit dann Sinn macht, wenn man sie als langfristige Aufgabe und sie auch als eine nicht enden wollende Arbeit versteht. Genauso wichtig war es uns den Irakern zu vermitteln, dass Erfolg und Misserfolg im Journalismus oft sehr nah beieinander liegen. Wir haben von Beginn an betont, dass der Journalismus-Beruf nicht als Aufgabe hat, Gauner und Politiker in Schwierigkeiten zu bringen, sondern dass es sich um ein Handwerk mit dem großen Anspruch handelt, zu helfen, dass aber damit gleichzeitig auch viele Risiken verbunden sind, die niemand anderer erkennen kann als eben ein Journalist."