„Portae vitae“: Die Lebenspforten von Josef Hlávka

hlavka_josef1.jpg

Nicht nur das Mäzenatentum von Josef Hlávka, sondern auch weitere Bereiche seiner Tätigkeit werden in einer Ausstellung vorgestellt, die anlässlich des 100. Todestags des Architekten vom Prager Nationalmuseum vorbereitet wurde. Die Ausstellung ist im Palais Lobkovic auf der Prager Burg zu sehen.

Im September 1890 wurde die Karlsbrücke durch das Hochwasser beschädigt. In der damaligen Tagespresse tauchten sogar Schlagzeilen auf, die der historischen Brücke ein Ende prophezeiten. Denn die Gemeinde konnte sich mit den Experten nicht darüber einigen, wie und ob die Karlsbrücke repariert werden soll. Aus den Fotos geht hervor, dass die Renovierung nicht ganz einfach schien. Da es damals in Prag natürlich nicht so viele Brücken über die Moldau wie heute gab, war der vorübergehende Ausfall der wichtigen Verkehrsader problematisch. Der Vizebürgermeister wandte sich damals offiziell an Architekt Josef Hlávka mit der Bitte, als ein hervorragender Bauexperte ein Gutachten über den Stand der Bögen und Pfeiler der Karlsbrücke auszuarbeiten. Hlávka reagierte schnell und verfasste einen ausführlichen Bericht über den Stand der Brückenfundamente, Pfeiler und Bögen. Er unterbreitete zudem einige Vorschläge zur Renovierung der Brücke und entwarf einen Plan, um einige Statuen aus dem Fluss zu heben, die während der Hochwasserkatastrophe von der Brücke abgerissen wurden. Hlávka verdanken wir die Rettung der Karlsbrücke. Der Architekt beaufsichtigte persönlich die Bauarbeiten und beteiligte sich zudem finanziell an der Brückenrenovierung.

Dies ist nur ein Beispiel aus der vielfältigen Tätigkeit des Architekten und Mäzens Josef Hlávka, über den die meisten Tschechen heute nur recht wenig wissen. Das Prager Nationalmuseum bemüht sich in seiner neuesten Ausstellung auf der Prager Burg, Josef Hlávka nicht nur als einen großzügigen Förderer verschiedener Bildungs- und Kulturaktivitäten, sondern auch als einen erfolgreichen Unternehmer und außerordentlich begabten Mann vorzustellen. Das Nationalmuseum hat gleich mehrere Gründe dafür, um Hlávka zu popularisieren. Museumsleiter Michal Lukeš bemerkte bei der Eröffnung der Ausstellung:

„Hlávka hat dem Nationalmuseum zahlreiche Gegenstände geschenkt und vererbt, auf die wir in unseren Sammlungen stolz sind. Ich würde ihn genauso wie den Architekten Josef Schulz als Gründungsvater des heutigen Museumsgebäudes bezeichnen. Hlávka war übrigens der zweite Redner bei der feierlichen Eröffnung des Museumsgebäudes im Jahre 1891. Er war Präsident der Akademie der Wissenschaften, die damals in diesem Haus ihren Sitz hatte. Er ist also mit dem Nationalmuseum wirklich eng verbunden. Es freut mich, dass wir die Besucher der Ausstellung durch die Pforten des Lebens von Josef Hlávka führen können.“

Karel Ksandr  (rechts) mit dem Violinvirtuosen Josef Suk
„Portae vitae – also Tore des Lebens - von Josef Hlávka“ heißt die Ausstellung, die seit dem vergangenen Dienstag auf der Prager Burg zu sehen ist. Die Ausstellung über das hundertjährige Vermächtnis des Mäzens bereitete der stellvertretende Leiter des Nationalmuseums, Karel Ksandr, vor:

Original des Autografs der Lužany-Messe D-dur Antonín Dvořáks
„Im ersten Kapitel der Ausstellung möchte ich insbesondere auf ein Exponat aus unseren Museumssammlungen aufmerksam machen: Es ist das Original des Autografs der Lužany-Messe D-dur, Antonín Dvořáks Opus Nr. 86. Dvořák hatte sie auf Hlávkas Bestellung geschrieben und hatte sie Hlávka gewidmet. Zu sehen ist auch der Brief, mit dem der Architekt dem Komponisten dankte. Im nächsten Kapitel der Ausstellung, das sich auf die Tschechische Akademie konzentriert, ist die Originalgründungsurkunde der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, des Schrifttums und der Kunst zu sehen, die mit der Unterschrift von Kaiser Franz Josef versehen ist. Wenn der Kaiser seinen Völkern eine Urkunde ausstellte, wurde diese immer in der Sprache des jeweiligen Volkes verfasst. Aus dem Grund ist auch diese Originalurkunde in Tschechisch. Diese Urkunde haben wir von der Akademie der Wissenschaften und dem Masaryk-Institut ausgeliehen.“

Die Stiftungstätigkeit ist das nächste Thema der Ausstellung. Erinnert wird an den wahrscheinlich bekanntesten Studenten, der im Prager Hlávka- Studentenheim wohnte – an Jan Opletal. Der Medizinstudent wurde bei einer Studentendemonstration gegen die Nazi-Herrschaft am 28. Oktober 1939 schwer verletzt und erlag seinen Verletzungen. Das Begräbnis des Studenten verwandelte sich damals in einen öffentlichen Protest gegen die Besatzungsmacht. Karel Ksandr weist auf ein Dokument aus dieser Zeit hin:

„Ein sehr wertvolles Exponat ist die Quittung für das Begräbnis. Daran findet man eine Bemerkung, dass das gesamte Geld, das von dem Begräbnis übrig blieb, von den Nazis am 17. November 1939 gestohlen wurde.“

Josef Hlávka
Diejenigen, die nie die Gelegenheit hatten, das Schloss Lužany zu besuchen, können sich eine Vorstellung über das Interieur des Schlosses in der Prager Ausstellung machen. Der Salon wurde mit Möbeln und weiteren Gegenständen aus dem Schloss eingerichtet.

Marie Hlávková,  die erste Gattin von Josef Hlávka
„Man kann sich an einen gedeckten Tisch setzen und gedanklich in die Zeit Hlávkas versetzen, als an den Wochentagen in Lužany Erbsenbrei serviert wurde. Oder aber man kann sich als Gast an den mit Meißner Porzellan gedeckten Tisch setzen – und an die Zeit denken, als beispielsweise Antonín Dvořák zu Besuch kam.“

Hlávkas Architektur wird im nächsten Teil der Ausstellung vorgestellt. Es wird an die bekanntesten Bauten erinnert - wie das große griechisch-katholische Areal in Czernowitz in der Bukowina. Diese gehört heute zur Ukraine. Hlávkas Baufirma schuf die Wiener Hofoper sowie die Prager Geburtsklinik Apolinář. Dies sind weitere Bauten Hlávkas, die auf der Burg dokumentiert wurden. Ist etwas an Hlávkas Architektur besonders typisch? Kunsthistoriker Mojmír Horyna:

„Die Architektur entspricht nicht den üblichen Maßstäben, nach denen man den Baustil vom Ende des 19. Jahrhunderts bewertet. Natürlich kann man über Neogotik sprechen, aber Hlávka arbeitete mit den Formen sehr individuell und variabel. Er fand in dem Material neue Stilmöglichkeiten. Einige von Hlávkas Entwürfen aus den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts deuten schon den Jugendstil an. Man sieht hier die Spuren der Beuron-Kunstschule. Hlávka war ein Mensch, der an die gültigen Normen nicht gebunden war, sondern ging die Aufgaben sehr schöpferisch anging. Dies fasziniert mich. Denn andererseits war er ein sehr disziplinierter Mensch, der fast streng war.“

Die Ausstellung dokumentiert abschließend die Beziehung Hlávkas zum Nationalmuseum. Ohne ihn hätte es das Museum nicht gegeben, sagt Karel Ksandr:

„Für meine Kollegen ist ein Autograf sehr wertvoll, das von Hlávka unterzeichnet wurde. Es ist das Bauprogramm des Museumsgebäudes.“

„Bis heute schulden wir Josef Hlávka viel, “ meint der Experte Karel Ksandr. Dies kommt seinen Worten zufolge davon, dass Hlávka für jede vergangene Epoche mehr oder weniger unbequem war. In der Ersten Republik hatte man kaum Verständnis für Hlávkas Loyalitat zur Monarchie, sagt Karel Ksandr:

„Während des Nazi-Regimes wurde er wegen seines Patriotismus verdammt. Und während der kommunistischen Diktatur wurde er aus dem Grund gehasst, weil er selbst noch während seines Lebens sein eigenes Vermögen zugunsten der Wissenschaft, der Stiftungsfonds, der Kunst und der Studenten ´nationalisiert´ hatte. Vielleicht können wir erst heute die besondere Bedeutung Hlávkas für die tschechische Wissenschaft, Kunst und Bildung entsprechend hoch schätzen. Wir können uns dessen bewusst werden, dass Hlávka das, was er gemacht hat, immer nach einem höheren moralischen Prinzip machte, das aus seinem tiefen Glauben folgte. Zu dieser Erkenntnis soll auch diese Ausstellung beitragen.“

Die Ausstellung „Portae vitae von Josef Hlávka“ ist im Palais Lobkovic auf der Prager Burg bis zum 27. Juli geöffnet.