Jan Masaryk – mysteriöser Tod vor 60 Jahren
2008 ist in Tschechien das Jahr der Gedenktage. Einer fällt auf den 10. März. Vor genau 60 Jahren, am 10. März 1948, wurde Jan Masaryk, der amtierender tschechoslowakischer Außenminister und Sohn von Staatsgründer Tomáš Garrigue Masaryk, auf dem Platz vor dem Ministerium tot aufgefunden – ums Leben gekommen bei einem Sturz aus dem Fenster. War es Mord, Selbstmord oder ein Unfall? Bis heute ist diese Frage ungeklärt.
Zweifellos aber war es ein wirklich böhmischer Tod, mit dem vor 60 Jahren das Leben von Außenminister Jan Masaryk endete – ein Fenstersturz, wie er schon mehrfach zuvor in der böhmischen Geschichte eine bedeutende Rolle gespielt hat. Mit Masaryks plötzlichem Tod schied zwei Wochen nach dem Februar-Umsturz der letzte nicht-kommunistische Minister aus der Regierung aus. Der ehemalige demokratische Abgeordnete Josef Lesák ist nicht der einzige, der glaubt, dass Masaryks enorme Pouplarität Stalin und den tschechoslowakischen Kommunisten im Weg gestanden haben könnte:
„Wir haben ihn wirklich geliebt – Masaryk war ein wunderbarer Mensch. Ich habe ihn als außerordentlich gebildeten und weisen Menschen in Erinnerung – ein Mensch, der gerne gelacht hat, der auch über sich selbst lachen konnte, kurzum: ein Mensch, den jeder gern haben musste.“
Geboren wurde Jan Masaryk im Jahre 1886. Während sein Vater im Ausland die Entstehung der Tschechoslowakei vorbereitete, kämpfte er im Ersten Weltkrieg als Offizier für die Donaumonarchie. In der Ersten Republik machte der Sohn des Staatspräsidenten Karriere im diplomatischen Korps der Tschechoslowakei, lange Jahre war er der Botschafter Prag in London, von hier aus organisierte er nach 1938 auch den Widerstand gegen die NS-Besatzer. Im Lande wurde er in dieser Zeit mit seinen Rundfunkansprachen über die BBC populär.
Uneindeutig und geheimnisvoll sind aber nicht nur die Umstände seines Todes, sondern auch seine politische Haltung in den vorhergehenden Wochen und Monaten, besonders die auffällige Nachgiebigkeit gegen die Kommunisten, meint Historiker Jan Kalous:
„Zum Beispiel ist er der Auseinandersetzung mit den Kommunisten ausgewichen. Er hat es auf keinen größeren Konflikt ankommen lassen, und das ist ihm von den nicht-kommunistischen Ministern auch vorgeworfen worden. Außerdem wird ihm immer wieder vorgehalten, dass er als Außenminister großen Raum seinem Staatssekretär gelassen hat, und das war der slowakische Kommunist Vladimir Clementis.“
Dieser wurde übrigens auch Masaryks Nachfolger im Außenamt – und auch ihm brachte das Ministerium nicht mehr Glück. In einem Schauprozess wurde er wenige Jahre später wegen Hochverrates hingerichtet. Was aber ist mit Masaryks Ausharren im Amt und seinem plötzlichen Tod? Steht dahinter das dem Vater gegebene Versprechen, Edvard Beneš nie allein zu lassen – oder war es die Hoffnung auf einen gemäßigten kommunistischen Kurs, deren Scheitern Masaryk schließlich in einen „Bilanzselbstmord“ trieb, wie manche spekulieren? Bis heute stehen sich die Anhänger der verschiedenen Theorien unversöhnlich gegenüber. Aufklärung ist wenn überhaupt, dann allenfalls noch aus Moskauer Archiven zu erhoffen.