Ermittlungen zum Tod von Jan Masaryk eingestellt

Dokumentation zum Tod von Jan Masaryk (Foto: Michaela Danelová, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Vor genau 73 Jahren, in den Morgenstunden des 10. März 1948, wurde im Hof des Czernin-Palais im Prager Burgviertel die Leiche des damaligen Außenministers Jan Masaryk gefunden. Die Frage, ob es Selbstmord, Mord oder ein Unfall war, beschäftigt Polizei und Öffentlichkeit in Tschechien bis heute. Nun wurde ein weiteres Untersuchungsverfahren ergebnislos eingestellt.

Jan Masaryk  (Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums)

Der Tod von Jan Masaryk wird vermutlich nie endgültig aufgeklärt werden. Sicher weiß man heute nur, dass Masaryk am Abend des 9. März 1948 noch am Leben war. Am nächsten Morgen wurde sein lebloser Körper direkt unter dem Fenster seiner Dienstwohnung im Außenministerium gefunden. Was in der Zwischenzeit passiert ist, wurde zunächst im Auftrag der herrschenden Kommunistischen Partei untersucht. Schnell kam man damals zu dem Ergebnis, Masaryk hätte Selbstmord begangen.

Spätere Ermittlungen gingen eher von einem Unglücksfall und auch von Mord aus. Im Oktober 2020 wurde das insgesamt fünfte Untersuchungsverfahren aufgenommen – und am vergangenen Freitag ergebnislos wieder eingestellt. Aleš Cimbala ist Sprecher der Prager Staatsanwaltschaft:

Foto: Jan Špička

„Im Verlauf der Ermittlungen wurden keine neuen Erkenntnisse erzielt, die auch unter Berücksichtigung früherer Ergebnisse einen eindeutigen und unzweifelhaften Schluss über die Todesumstände ermöglichen würden. Die Anwesenheit weiterer Personen beim Sturz aus dem Fenster kann weder bestätigt noch widerlegt werden.“

Der Tod des Sohnes von Republikgründer Tomáš Garrigue Masaryk wird oft in Zusammenhang gebracht mit der Machtübernahme der Kommunisten zwei Wochen zuvor. Anders als die anderen demokratischen Minister weigerte sich Jan Masaryk nämlich, sein Amt niederzulegen. In der Bevölkerung war er beliebt und sein plötzliches Ableben ein Schock.

Simulation des Sturzes Masaryks  (Quelle: Archiv von Jan Špička)

Die Neuaufnahme der Ermittlungen hatte zwei Auslöser. Zum einen hatte der Tschechische Rundfunk 2019 eine bis dahin unbekannte Aufnahme von Vilibald Hofmann präsentiert. Der Polizist traf 1948 als erster am Tatort ein und widersprach 20 Jahre später in einem privaten Gespräch der ursprünglichen Version der Ermittler. Die zweite Anregung ging aus aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen hervor, die es prinzipiell für möglich halten, dass Masaryk selbst gesprungen oder aus Versehen hinuntergestürzt sein könnte. Martin Čermák ist einer der Verfasser der Analyse:

„Ich wende mich gemeinsam mit dem Kollegen Jan Špička von der Westböhmischen Universität in Pilsen gegen die Ergebnisse der Ermittlungen von 2003. Auf Grundlage der heute bekannten Fakten kann ein Mord nicht eindeutig belegt werden. Möglich sind auch ein Selbstmord und ein Unfall. Alle Varianten sind gleichermaßen wahrscheinlich.“

Jan Špička und Martin Čermák  (Foto: Michaela Danelová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Die beiden Wissenschaftler haben nicht nur Archivmaterialien, Fotos und den Autopsiebericht erneut studiert. Zusätzlich wurden biomedizinische Untersuchungen im Forschungszentrum für neue Technologien an der Pilsener Universität durchgeführt, die eine Simulation des Fenstersturzes beinhaltete. Begleitende Versuche fanden auch direkt im Außenministerium statt. Noch einmal Čermák:

„Wir haben alle Daten zusammengetragen und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass sich Masaryk zuletzt an der Außenseite des Czernin-Palais befand. Er stand auf dem Sims mit dem Gesicht zur Wand zwischen zwei Fenstern, etwa einen Meter von ihnen entfernt.“

Foto: Archiv von Jan Špička

Die Analyse lautet, dass Masaryks Körper andere Verletzungen aufgewiesen hätte und auch ein anderer Fundort wahrscheinlicher sei, wenn der Minister aus dem Fenster gestoßen worden wäre.

Diese Variante deckt sich mit Untersuchungen aus den 1990er Jahren. Es ist also inzwischen so gut wie sicher, wie Masaryk gestorben ist. Unklar bleibt hingegen, warum der Minister auf dem Sims stand – ob aus freiem Willen oder unter Zwang. Die Kriminalbeamten gehen davon aus, dass zur Klärung dieser Frage weitere Forschungen in den Archiven der russischen Geheimdienste beitragen könnten.