Managergehälter: Rekordgagen lösen auch in Tschechien Debatte aus
Wie viel darf ein Manager verdienen? Gibt es eine Moral der Gehaltsdimensionen oder geht es nur die Unternehmen etwas an, wie viel sie wem bezahlen? Soll gar der Staat eine gesetzliche Obergrenze für Managergehälter festlegen? Fragen wie diese haben in den letzten Wochen die deutsche Politik beschäftigt, nun gibt es eine ähnliche Debatte auch in Tschechien. Auslöser: Die Top-Manager des halbstaatlichen Energieriesen ČEZ haben ihre Aktienoptionen geltend gemacht und damit auf einen Schlag gigantische Gewinne eingefahren.
Eigentlich hat er nie etwas anderes gemacht als irgendwo Direktor zu sein, sagt Martin Roman. Mit 23 in der Lebensmittelindustrie, dann in der Klimatechnik. 2004 wurde Roman mit erst 34 Jahren Chef des halbstaatlichen Energieriesen ČEZ, der unter anderem die Kernkraftwerke Temelín und Dukovany betreibt – und bewies eine glückliche Hand. Als er einstieg, war die ČEZ-Aktie knapp 175 Kronen wert; als vorige Woche bekannt wurde, dass Roman und zwölf andere Manager ihre Optionen zum Kauf von Firmenaktien geltend machen, da lag der Kurs bei knapp 1400 Kronen. Ein Anstieg auf das achtfache also, und das innerhalb von vier Jahren.
Das Optionsprogramm, das nun den Geldregen für die 13 Manager brachte, war als Anreiz für die Chefetage gedacht und funktioniert simpel: Die ČEZ-Spitzen hatten das Recht, jederzeit Firmenaktien zu kaufen, und zwar zu dem Preis, zu dem sie vor ihrem Einstieg ins Unternehmen gehandelt wurden. Von diesem Recht haben sie jetzt Gebrauch gemacht und damit zusammen 1,14 Milliarden Kronen verdient, das sind über 43 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte davon, konkret 677 Millionen Kronen, entfallen allein auf Martin Roman.
Welche Größenordnung hat dieser Coup im heimischen und im internationalen Vergleich? Das haben wir den Kommentator der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny, Adam Černý gefragt.
„Für tschechische Verhältnisse haben die ČEZ-Manager mit ihren Aktienoptionen wirklich extrem hohe Gewinne erzielt. Wenn wir sie jedoch mit den Prämien vergleichen, die Manager von großen Unternehmen in anderen europäischen Ländern oder in den USA bekommen, dann sind sie wiederum nicht so riesig. Das hängt mit der Größe der tschechischen Wirtschaft insgesamt zusammen. Aber man kann natürlich verstehen, dass in Tschechien über die Höhe dieser Prämien diskutiert wird. Denn 677 Millionen Kronen für den Generaldirektor von ČEZ – das ist eine Summe, die sich ein durchschnittlicher Tscheche gar nicht vorstellen kann.“
Da kommt Neid auf, und natürlich auch der Verdacht, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Diverse Internetforen geben einen Einblick in die Stimmungslage vieler Tschechen. Die Firma ČEZ sei ein Selbstbedienungsladen für Top-Manager, diese wiederum seien Lumpen, die aus der Erhöhung der Strompreise Profit schlagen, so der Tenor der Kritiker. Adam Černý will die Kirche lieber im Dorf lassen:
„Erstens handelt es sich um ein Optionsprogramm, das noch unter dem Vorgänger des derzeitigen Chefs beschlossen wurde und keineswegs für ihn maßgeschneidert war. Zweitens: Als das Programm geplant wurde, konnte niemand wissen, dass die Energiepreise, und damit natürlich auch der heimische Strompreis, so stark ansteigen würden.“
Ähnlich sehen es die meisten Massenmedien in Tschechien. Von astronomischen Summen ist die Rede, von der Frage nach Verhältnismäßigkeit und Fairness, nicht aber von einem Skandal.
„Prinzipiell überwiegt die Bereitschaft, die Umstände der Causa zu erklären und darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Ausnahmefall handelt, ermöglicht durch die Architektur dieses Optionsprogramms und den Anstieg der Energiepreise. Man darf auch nicht vergessen, dass das Unternehmen tatsächlich floriert und dass seine Aktien dramatisch gestiegen sind. Es haben also auch die anderen ČEZ-Aktionäre Gewinne gemacht, nicht nur der Staat, der nach wie vor über die Mehrheit verfügt. Eine ganze Menge von Kleinaktionären hat ebenfalls gut verdient – wenn auch in absoluten Zahlen nicht so viel wie Martin Roman.“
Die Strompreise werden zwar nicht von der Firma ČEZ bestimmt, sondern von der Situation am internationalen Energiemarkt. Dennoch verleihen sie der Diskussion einiges an Schärfe. Viele Tschechen sehen das Geld, das sie für die Heizung in ihrem Wohnzimmer ausgeben, direkt in die Taschen von Martin Roman & Co fließen, obwohl der Mehrheitseigentümer von ČEZ der Staat ist, und damit letztlich seine Bürger.
„Die Firma argumentiert damit, dass sie von ihren hohen Gewinnen über die Steuern auch wieder etwas in die Staatskasse zurückzahlt“, so Černý. „Das Gegenargument lautet natürlich, dass das Geld, das auf diese Weise in die Staatskasse fließt, von den Steuerzahlern selbst kommt, eben wegen der höheren Preise. Hier schließt sich also der Kreis – ein Einwand, der meiner Ansicht nach durchaus angebracht ist.“
Die Optik für den neuesten Milliarden-Coup ist also nicht unbedingt die beste. Betrugsvorwürfe werden aber wie gesagt keine laut, und angesichts der steigenden Gewinne kann man den ČEZ-Managern wohl auch kaum Unfähigkeit vorwerfen. In anderen, auf den ersten Blick ähnlichen Fällen sieht genau das ganz anders aus. Adam Černý, Kommentator der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny:
„In Westeuropa und vor allem in den USA wurde stets dann Kritik geübt, wenn Manager hohe Prämien bekamen, und sich dann gezeigt hat, dass die Firma nicht so floriert, wie alle gedacht haben. Darin liegt auch die Schwäche dieser Optionsprogramme. Denn wenn die Prämien für Top-Manager von der Höhe des Aktienkurses abhängen, dann könnten die Manager eventuell dazu tendieren, den Kurs um jeden Preis hoch zu halten, um ihren eigenen Gewinn zu steigern, und zwar auf Kosten der Stabilität des Unternehmens. Das gab es in Amerika, aber auch in Europa. Ein relativ aktueller Fall ist der des deutsch-französischen EADS-Konzerns. Die dortigen Manager, so der Verdacht, hätten gewusst, dass die Firma Probleme hat, und ihre Aktien verkauft, bevor die Sache geplatzt ist.“Bei ČEZ gelten mittlerweile neue Regeln für Manager-Optionen: Die Prämie darf jetzt nur noch 100 Prozent des Aktienpreises ausmachen. Mit anderen Worten: Es gibt eine Deckelung, die Manager können mit den Optionen nur noch das Doppelte der Summe verdienen, die sie für die Aktien bezahlt haben.
Eigentlich kommt die Diskussion also ohnehin zu spät. Was sie dennoch leisten könnte, ist eine Neubewertung der Dauerdebatte über Politikergehälter: Für die 677 Millionen Kronen von Martin Roman müsste der tschechische Premierminister nämlich mehr als 560 Jahre lang die Regierung anführen.