120 Kilometer entfernte Gemeinde beantragt Eingemeindung nach Prag

Gleich zu Beginn des neuen Jahres hat die nordböhmische Gemeinde Hora Sv. Kateřiny / Katharinaberg an der tschechisch-deutschen Grenze für Aufsehen in den Medien gesorgt. Völlig unerwartet hat sie offiziell um die Eingemeindung nach Prag ersucht – und das, obwohl es bis zur Hauptstadt gut 120 Kilometer sind. Über die Gründe hat Jitka Mladkova mit dem Vizebürgermeister Petr Pakosta gesprochen:

Hora Sv. Kateřiny / Katharinaberg,  foto: Jirka Dl,  CC BY-SA 3.0 Unported
Das Hauptargument lautet: Katharinaberg fühlt sich durch das tschechische System der Finanzierung der Gemeinden diskriminiert. Petr Pakosta:

„Das System ist so konzipiert, dass es im Endeffekt eine ungleichberechtigte Stellung von Gemeinden und ihren Bürgern entstehen lässt. Es ist doch nicht normal, dass die Hauptstadt, die über viel mehr Einnahmequellen verfügt, für ihre Bewohner pro Kopf das Fünffache vom Staat bekommt wie eine kleine Grenzgemeinde, für deren Bewohner die übliche kommunale Infrastruktur nur an anderen Orten außerhalb der Gemeinde zu erreichen ist. Ihre Lebensqalität leidet darunter.“

Nun will also Katharinaberg Teil der tschechischen Hauptstadt werden, trotz 120 Kilometer Entfernung. Was sagen denn die Zahlen über die Verteilung der Gelder? Während die Hauptstadt 37.000 Kronen für jeden ihren Einwohner aus der Staatskasse beziehen kann, entfallen auf jeden Katharinaberger 6.500 Kronen, gerade einmal 250 Euro. Der Gemeinderat legte schon vor einiger Zeit beim Finanzministerium einen Vorschlag für eine neue Finanzverteilung vor, betitelt „Existenzminimum der Gemeinde“.

Dieses sollte anders als jetzt verschiedene Faktoren berücksichtigen: zum Beispiel die Entfernung der Gemeinde von den Verwaltungsbehörden und anderen öffentlichen Einrichtungen, ihre Lage über dem Meeresspiegel, die für den Straßendienst von Bedeutung ist, die Länge der Winterzeit, in der geheizt werden muss, und viel mehr.

„Unsere Bürger müssen 80 Kronen für eine Busfahrkarte bezahlen, wenn sie zum Arzt, zum Friseur oder zu einer Behörde in die nächstgelegene Stadt fahren. Sie müssen aber auch noch weiter fahren wie zum Beispiel in das 35 Kilometer entfernte Most / Dux. Mit dem Bus sind es von der ersten bis zur Endstation sogar 60 Kilometer.“

Prag
Und das sei für die Bewohner von Katharinaberg absolut ungünstig, sagt der Vizebürgermeister. Die Gemeinde will allerdings in ihren Bemühungen, den finanziellen Verteilungsschlüssel zu ändern,nicht nachlassen. Auch wenn bereits das Verfassungsgericht eine Stellungnahme zu dieser Angelegenheit erlassen hat. Für den Anspruch auf dieselbe Pro-Kopf-Taxe, den Katharinaberg schon früher vor dem Verfassungsgericht erhoben hat, gebe es keine rechtliche Unterstützung, hieß es. Als erstes plant der Gemeinderat:

„Wir wollen demnächst die Kopie unseres Antrags auf Eingemeindung nach Prag an alle 650 Gemeinden, die unsere Beschwerde beim Verfassungsgericht unterstützt haben, verschicken und sie auch in dieser Angelegenheit um Unterstützung ersuchen. Man kann davon ausgehen, dass sie auch diesmal auf unserer Seite stehen werden.“

Auch diese Gemeinden leiden laut Pakosta unter Geldmangel und den Problemen, der nachhaltigen Entwicklung der Gemeinde gerecht zu werden. Vorgesehen sind daher weitere gemeinsame Aktivitäten, darunter auch das Vorhaben, das Verdikt des Verfassungsgerichts und überhaupt das tschechische Fördersystem der Gemeinden vom europäischen Gericht in Straßburg überprüfen zu lassen. Ziel der Initiative sei es zu bewirken, so der Vizebürgermeister von Katharinaberg, dass sich endlich die zuständigen Politiker hierzulande den Kopf über die Probleme der kleinen Gemeinden zerbrechen.