Geld her! Die kleinen Gemeinden proben den Aufstand

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Wenn es ums liebe Geld geht, hört oft alle Freundschaft auf. Ein ähnliches Gefühl haben seit Jahren die kleinen tschechischen Kommunen, die sich bei der Verteilung der Steuergelder ungerecht behandelt fühlen. Lange hielten sie still, doch jetzt sind sie bereit für ihre Anliegen zu kämpfen und bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen.

Vor ein paar Wochen ereignete sich in Tschechien etwas, das von manchen Medien ein wenig überspitzt als "Revolution der kleinen Gemeinden" bezeichnet wurde. Stein des Anstoßes war die seit gut sieben Jahren bestehende Regelung über die Rückverteilung der Steuermittel an die Gemeinden. Dabei besteht eine offenkundige Ungerechtigkeit, in dem die großen Kommunen für jeden Einwohner wesentlich mehr Mittel vom Staat erhalten, als kleine Dörfer.

So bekam zum Beispiel die Millionenstadt Prag in der Vergangenheit sechsmal so viel Mittel für jeden Einwohner wie die kleinsten Gemeinden des Landes.

Nicht zuletzt wegen der Olympiabewerbung der tschechischen Hauptstadt und aus Angst, dass auch die Nicht-Prager für die Finanzierung dieses Prestigeprojekts zur Kasse gebeten werden könnten, haben sich die Bürgermeister einiger kleiner Kommunen zusammengeschlossen und versuchen jetzt Druck auf die Regierung auszuüben, den bisherigen Verteilungsschlüssel für die Steuergelder zu ändern.

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Ist also das Fass übergelaufen? Oder warum ist es gerade jetzt, also sieben Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, zu diesem Aufstand der kleinen Gemeinden gekommen? Der geschäftsführende Vizepräsident des Bundes der Tschechischen Städte und Gemeinden, Jaromir Jech, vermutet im Gespräch mit Radio Prag noch einen anderen Grund:

"Auf den ersten Blick hängt das mit dem eigentlichen Problem vielleicht gar nicht zusammen, aber im nächsten Jahr finden in Tschechien Regionalwahlen statt und eine gewisse Gruppe von Politikern will dabei ein gutes Ergebnis erreichen. Deshalb soll dieses Thema, das heißt ein Mehr an Gerechtigkeit bei der Verteilung von Steuergeldern unter die Gemeinden, Punkte bei den Wählern bringen. Das hängt stark mit dem in Tschechien stark verbreiteten Neidkomplex zusammen und nicht anders ist es auch bei der Verteilung der staatlichen Zuschüsse unter die Gemeinden. Dieser viel zitierte Aufstand einiger Kommunen geht ursprünglich auf die Initiative einiger Bürgermeister zurück, die jetzt vielleicht von mehr als 1500 Gemeinden unterstützt wird. Eine klare politische Stoßrichtung bekam das Ganze, als sich die Vertreter des Verbandes der unabhängigen Kandidaten an die Spitze dieser Bewegung stellten mit dem Ziel vor den bevorstehenden Wahlen auf sich aufmerksam zu machen. Und alles, was wir in diesem Zusammenhang bisher öffentlich gehört haben, ist damit eng verbunden."

Die Regierung hat auf die Forderungen der kleinen Gemeinden zunächst ablehnend reagiert und eine Entscheidung vertagt. Wenig später hat sie jedoch eingelenkt und hat für das kommende Jahr eine Veränderung versprochen, bzw. eine endgültige Entscheidung über den Verteilungsschlüssel, wie die Steuergelder künftig an die Gemeinden verteilt werden sollen. Die Regierung hat also jetzt Zeit gewonnen. Ist es aber überhaupt real, dass irgendwann ein Modell gefunden werden kann, mit dem halbwegs alle leben können - nicht nur die kleinen Gemeinden, die sich nun benachteiligt fühlen, sondern auch die großen? Jaromir Jech:

"Die Regierung hat letzten Endes einen Entwurf verabschiedet, der vom Verband der Städte und Gemeinden nach zweijähriger Arbeit vorgelegt wurde. Wir versuchen immer dem Grundsatz zu folgen, dass es nicht möglich ist Gemeinden mit einer bestimmten Größenordnung mehr und die anderen wieder weniger zu vertreten. Schon vor sieben Jahren, als die jetzt kritisierte Regelung über die Verteilung der Gelder getroffen wurde, ist es uns gelungen, gerade für die kleinen Gemeinden eine Anhebung ihrer Finanzkraft zu erreichen und die Mittel, die sie vom Staat erhalten, um hundert Prozent aufzustocken. Hätten wir das damals nicht durchgesetzt, wäre die finanzielle Situation vieler tschechischer Kommunen heute wesentlich schlechter."

Gibt es in den Ländern der Europäischen Union irgendwo ein Modell, welches man nach einer gewissen Modifizierung auch in Tschechien anwenden könnte, um sowohl die großen wie auch die kleinen Kommunen zufrieden zustellen? Dazu sagt Jaromir Jech vom Verband der tschechischen Städte und Gemeinden:

"Wir haben gleich nach der Wende die Erfahrung gemacht, dass eine Sache, die bestimmt nicht ohne weiteres übernommen werden kann eben die Frage der Finanzierung der Kommunen ist. Das hängt viel der Struktur der öffentlichen Verwaltung zusammen, die in jedem Land eine andere ist und von anderen Traditionen ausgeht. Ganz zu schweigen von den unterschiedlichen Kompetenzen auf den einzelnen Verwaltungsebenen, die auch ganz konkret mit finanziellen Aspekten verbunden sind. Das was wir jetzt in Tschechien brauchen ist eine nähere Spezifizierung der öffentlichen Dienstleistungen, was auf der einen oder anderen Ebene sicher gestellt werden muss, um hier einen gerechteren Zugang zu erreichen. Aber das Wort gerecht muss man in Anführungszeichen sehen, weil es in Wahrheit nie eine gerechte Verteilung geben wird."

In den frühen 90er Jahren haben sich viele Ortschaften Tschechiens aus bisher bestehenden größeren Einheiten losgelöst und sind selbständig geworden. In einigen Fällen versuchte man auf diese Weise historische Fehlentscheidungen von früher zu überwinden, als etwa die Verbindung von zwei traditionell rivalisierenden Gemeinden gelöst wurde. In anderen Fällen versprach man sich von der kommunalen Selbständigkeit die Verbesserung der eigenen finanziellen Lage, etwa durch die Möglichkeit gezielt große Investoren anzulocken. Seit einigen Jahren lässt sich aber mancherorts eine entgegen gesetzte Entwicklung feststellen und kleinere Orte planen entweder enger mit den Nachbargemeinden zusammenzuarbeiten - etwa bei der Schöpfung der Fördergelder aus Mitteln der Europäischen Union - oder sie planen gar einen offenen Zusammenschluss.

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Es sind aber ebenfalls Fälle bekannt, wo auch einige großen Kommunen, die wegen des jetzigen Verteilungsschlüssels, was die Einwohnerzahl angeht, knapp unter einer bestimmten Grenze liegen und ihnen dadurch zusätzliche Millionen aus dem Staatshaushalt entgehen, versuchen die Nachbargemeinden zu überzeugen sich ihnen anzuschließen und versprechen dafür oft das Blaue vom Himmel.

Abschließend kommt noch einmal der geschäftsführende Vizepräsident des Bundes der tschechischen Städte und Gemeinden, Jaromir Jech zu Wort:

"Allgemein lässt sich behaupten, dass eine der wenigen Sachen, die dem früheren kommunistischen Regime vielleicht zu ungerecht angekreidet wurden, war, dass die Gemeinden dazu gezwungen wurden sich mit anderen zusammenzuschließen. Diese Tendenz gab es in ganz Europa. Unterschiedlich war lediglich, wie die jeweiligen Bewohner dazu standen. Bei uns gab es seit Jahrhunderten eine Tradition, dass diese Zusammenschlüsse nicht freiwillig, von unten, sondern häufig unter Druck und von oben diktiert, entstanden. Deshalb kann diese Unabhängigkeits-Welle in den ersten Jahren nach der Wende auch als Versuch verstanden werden sich diesem Jahrhunderte währenden Druck zu widersetzen. Jetzt im Nachhinein lässt sich sagen, dass das wieder alles eine Frage dessen ist, wie man die Aufgaben, die eine selbständige Gemeinde zu regeln hat, definiert. Eine Gemeinde muss in erster Linie die Erwartungen ihrer eigenen Bewohner erfüllen, womit sie auch zu einem Bindeglied wird. Dazu kann etwa die Sauberhaltung der Gehsteige gehören, die Veranstaltung verschiedener Feste usw. Und das reicht praktisch auch. Alle anderen und größeren Aufgaben, wie etwa die Müllabfuhr, kann schon jemand anderer regeln."