Streifzug durch die Wappen tschechischer Städte

Glasgemälde mit dem Prager Wappen im Hauptgebäude der Stadtbibliothek
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Wer glaubt, dass die Wappen tschechischer Städte alle alt sein müssten, der irrt. So hat sich zum Beispiel die behördlich erlaubte Gestalt dieser Wahrzeichen immer wieder geändert. Das heute gültige Wappen Prags etwa wurde erst nach der politischen Wende von 1989 festgelegt. Im Folgenden mehr dazu und zu einigen Kuriositäten der Heraldik tschechischer Städte.

Wer sich hierzulande mit Stadtwappen beschäftigen will, kommt nicht an Milan Buben vorbei. Eigentlich war er Tschechisch- und Englischlehrer. Doch 1986 schrieb er ein Standardwerk mit dem schlichten Titel „Heraldik“. Dieses wurde noch im folgenden Jahr ins Deutsche übersetzt – und konnte sowohl in der DDR als auch in der BRD erstanden werden.

Milan Buben: 'Heraldik' | Foto: Verlag Albatros

Doch wie kommt ein Sprachwissenschaftler und Pädagoge zur Wappenkunde? Buben, mittlerweile 78 Jahre alt, schilderte dies im Gespräch für Radio Prag International. Demnach entflammte bei ihm die Liebe zu diesem Fach noch zu Uni-Zeiten. So wurde während des Prager Frühlings in einer Sendung des Tschechoslowakischen Rundfunks immer auch ein Ausflug in die Heraldik unternommen. Und Buben lauschte aufmerksam den dortigen Ausführungen...

„Noch während meines Studiums im Jahr 1968 hörte ich im damaligen Tschechoslowakischen Rundfunk einen Aufruf, dass jene, die an der Heraldik interessiert seien, in ein Restaurant im Prager Stadtteil Smíchov kommen sollten. Es war die Kneipe ‚U Holubů‘ bei Anděl. Das blieb mir im Gedächtnis. Ich ging also dorthin und war angenehm überrascht, wie ich aufgenommen wurde. Die entsprechenden Herren, die bereits in den Jahren waren, halfen mir, wie es nur ging. Sie erläuterten mir nicht nur Dinge, von denen ich damals noch keine Ahnung hatte, sondern liehen mir auch Literatur. Und die Heraldik begeisterte mich so sehr, dass ich ihr bis heute treu geblieben bin“, so der heutige Experte.

'Heraldik' | Foto: Juan Pablo Bertazza,  Radio Prague International

Eine Besonderheit der Heraldik in Tschechien ist, dass viele Wahrzeichen von der deutschen Sprache beeinflusst sind. Denn dies war im Hochmittelalter auch das Idiom am Hof der Přemysliden, und zu der Zeit entstanden die Wappen wichtiger Adelsgeschlechter, die über Jahrhunderte an den Geschicken Böhmens beteiligt waren. Die Embleme der Städte wiederum teilt Buben in neun große Gruppen. Dabei gibt es ein Motiv, das hierzulande zu 40 Prozent überwiegt: Es sind Stadtmauern oder ein Turm. In diesem Punkt zeigen die Stadtwappen eine Parallele mit jenen aus weiteren Teilen Europas, die früher zum Heiligen Römischen Reich gehörten.

Von der Krone zum roten Stern und zurück

Milan Buben hält die Wappen vieler tschechischer Städte für sehr interessant. Allerdings sind sie erst nach und nach entstanden – und haben sich im Laufe der Jahrhunderte auch verändert. Der Experte erläutert, warum:

„Die städtische Heraldik ist ein Kapitel, das für sich genommen relativ jung ist. Denn zu Anfang haben die Städte gar keine Wappen verwendet. Eher haben sie Zeichen für Siegel gehabt. Und genau diese nutzten sie später meist für ihre Wappen. Später kam es jedoch zur Praxis, dass der Herrscher bestimmte Embleme den jeweiligen Städten zuteilte. Anfangs jedoch eigneten sich die Städte selbst ihr Abbild an.“

Milan Buben | Foto: Juan Pablo Bertazza,  Radio Prague International

Buben verweist darauf, dass sich in der Geschichte einzelner Stadtwappen hierzulande sowohl die Motive geändert haben konnten, als auch die Farben. Und dass dies die Historie der jeweiligen Gemeinde erzähle.

Das betrifft etwa das Wappen von Prag. Dieses sieht heute so aus, dass in der Mitte der Schild ist. Auf diesem sind in Rot drei goldene Türme auf einer zinnengekrönten goldenen Stadtmauer dargestellt. In der Mitte der Mauer befinden sich ein schwarzes Tor mit aufgezogenem Fallgitter und darin ein geharnischter silberner Arm mit ebenso gefärbtem Schwert. Der Schild wird von zwei Böhmischen Löwen gehalten, die links und rechts stehen. Auf dem Schild sind drei spätmittelalterliche Stechhelme drapiert, aus dem mittleren ragt ein weiterer Böhmischer Löwe empor, aus den anderen beiden jeweils zwölf Fahnen...

„Für mich ist verständlicherweise das Prager Wappen wichtig. Es hat eine interessante Entwicklung, weil die Türme und die Stadtmauer früher silbern waren. Die heutige goldene Farbe war eine Änderung, die erst der Habsburger Kaiser Friedrich III. vornahm. Und den geharnischten Arm fügte Ferdinand III. ein, als Auszeichnung dafür, dass sich Prag 1648 erfolgreich gegen die Schweden verteidigt hat“, so Milan Buben.

Prager Wappen | Foto: public domain

Interessant ist sicher auch die Veränderung, die der Böhmische Löwe auf dem mittleren Stechhelm in den vergangenen mehr als einhundert Jahren erfahren hat. Zunächst ersetzte er nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 den österreichischen Doppeladler. Der Löwe hatte damals eine Krone auf dem Kopf und ein Brustschild mit dem slowakischen Wappen. Zu kommunistischen Zeiten wurde die Krone aber durch einen roten Stern ausgetauscht. 1991 kam die Krone zurück, aber schon da – zwei Jahre vor der Trennung der Tschechoslowakei – verschwand der Brustschild mit dem slowakischen Wappen.

Wenn man das frühere Wappen Prags mit Stadtmauer und drei Türmen in silberner Farbe original abgebildet sehen will, dann muss man nach Lauf an der Pegnitz fahren, also in die Nähe von Nürnberg. In der dortigen Wenzelburg befindet sich ein einzigartiger Wappensaal, der den Hofstaat von König und Kaiser Karl IV. aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts veranschaulicht. Und unter den Wahrzeichen zahlreicher Adelsgeschlechter befindet sich eben auch das der heutigen tschechischen Hauptstadt.

Das halbe Pferd von Pardubice

Wappen von Prag 6 | Foto: public domain

Milan Buben macht aber ebenso auf die Wappen einiger Prager Stadtteile aufmerksam. So hätten etwa Bubeneč, Vinohrady oder Žižkov eine Stadtmauer in ihrem Zeichen, obwohl sie bis ins 19. Jahrhundert noch Dörfer waren, dann erst zu Städten erhoben und 1922 nach Prag eingemeindet wurden:

„Dörfer hatten keine Stadtmauern, sie haben aber dieses Symbol in ihren Wappen. Dahinter steht, dass sie sich der Altstadt, Neustadt und Kleinseite angleichen wollten. Sie setzten also durch, dass die Mauern in ihr Emblem kamen. Bubeneč, aus dem der sechste Prager Stadtbezirk hervorging, hieß früher Ovenec. Und das verweist auf einen Schafsbock. Deswegen ist zudem als redendes Wappen ein springender Bock zu sehen.“

Redendes Wappen bedeutet im Fall von Gemeinden, dass auf den Ortsnamen angespielt wird. Einige solcher Fälle sind im Tschechischen nicht mehr direkt nachvollziehbar. Das betrifft etwa Jihlava. Die Stadt hat zwei Igel im Wappen, ausgehend vom deutschen Namen der Stadt: Iglau.

Wappen von Pardubice mit halbiertem Pferd | Foto: public domain

Weitere Ortswappen können sich ebenso auf Legenden und historische Ereignisse beziehen. So etwa im Fall von Stará Boleslav in Mittelböhmen, das mittlerweile eine Doppelstadt ist. Die Stadt hat den heiligen Wenzel in ihrem Wahrzeichen. Denn dieser Přemyslidenherrscher wurde dort am 28. September 935 von seinem Bruder Boleslav ermordet. Pardubice in Ostböhmen hat die vordere Hälfte eines sich aufbäumenden Schimmels zu bieten. Es handelt sich eigentlich um das Wappen des Adelsgeschlechts, das im 14. Jahrhundert die Stadt beherrschte. Diese Herren von Pardubice kamen der Legende nach zu ihrem Emblem, als der Gründer des Geschlechts, Ješek von Pardubitz, im Jahr 1158 am Feldzug von Kaiser Barbarossa teilnahm. Als die Truppen der feindlichen Belagerung von Mailand entkamen, soll das herunterfallende Eisengitter des Stadttors Ješeks Pferd genau in der Mitte getroffen haben. Der wackere Kämpfer schleppte jedoch die vordere Hälfte des treuen Tiers unter Aufwendung aller Kräfte davon. So geht die Sage. Das Pferd im Wappen von Pardubice bezieht sich also nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, auf das berühmte Steeplechase-Rennen, das immer in der Stadt ausgetragen wird.

Amateurhafte Versuche

Doch längst nicht alle heutigen Städte in Tschechien können sich auf ein alteingeführtes Kennzeichen stützen.

Das surrealistische Wappen von Česká Třebová | Foto: public domain

„Bis zur Samtenen Revolution von 1989 hatten viele Städte und Gemeinden kein Wappen. Zum Beispiel wuchs ihre Einwohnerzahl erst spät so stark an, dass sie zu Städten erhoben wurden. Und da gab es bereits keinen Herrscher mehr, der ihnen ein Emblem zuteilen konnte. Stattdessen dachten sie sich selbst etwas aus. Deswegen wurde im Abgeordnetenhaus die sogenannte Heraldik-Kommission eingesetzt. In dieser begutachten Experten jene Wappen, die sich die Gemeinden selbst gegeben haben. Da es sich häufig um amateurhafte Entwürfe handelte, die allen Regeln der Heraldik widersprachen, hat die Kommission einige von ihnen ausgebessert“, weiß Milan Buben.

Allerdings führen manche Städte auch traditionell Seltsames im Schilde. So etwa Česká Třebová auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, heute ein bekannter Eisenbahnknotenpunkt Tschechiens. Der Fachmann erläutert:

„Diese Stadt trägt einen Hahn in ihrem Wappen, der einen menschlichen Kopf mit Hut hat. Niemand weiß, wie es dazu kam und was das bedeutet. Und dieses Geheimnis wird wohl auch nie gelüftet werden, da keine schriftlichen Quellen dazu erhalten sind. Es ist ein altes Wappen, und die Stadt nutzt es bis heute.“

Wappen von Zahořany | Foto: Juan Pablo Bertazza,  Radio Prague International
Autoren: Till Janzer , Juan Pablo Bertazza
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