Litoměřice – der „Garten Böhmens“ mit vielen Baudenkmälern

St. Stephan-Kirche

Die historische Stadt Litoměřice / Leitmeritz liegt etwa 60 Kilometer nördlich von Prag.

Litoměřice liegt am rechten Elbeufer, gegenüber der Mündung der Ohře / Eger in den Fluss und südlich des Böhmischen Mittelgebirges. Die Fahrt mit dem Bus von Prag dauert rund eine Stunde. Ein schöner Blick auf die Stadt bietet sich gleich bei der Anreise von der Brücke, die über die Elbe führt. Nicht zu übersehen sind der Domhügel mit der St. Stephan-Kirche sowie der Hügel Radobýl / Radebeule, der sich westlich der Stadt erhebt. Der Bus hält vor dem Bahnhof. Von dort aus sind es ins Stadtzentrum nur ein paar Minuten zu Fuß. Eva Břeňová ist im Rathaus von Litoměřice für den Tourismus verantwortlich, zudem ist sie Sprecherin der Stadt. Diese könne auf eine lange Geschichte zurückblicken, wie sie anmerkt:

St. Stephan-Kirche | Foto: Jan Kubelka,  Radio Prague International

„2019 haben wir das 800. Jubiläum der königlichen Stadt Litoměřice gefeiert. Den Aufschwung verdankt sie ihrer günstigen Lage an der Elbe. Sie war vor Jahrhunderten ein wichtiges Handels- und Verwaltungszentrum. Litoměřice war damals bedeutender als andere Städte in der Umgebung, einschließlich von Ústí nad Labem.“

Břeňová macht auf die lange Tradition des Weinbaus aufmerksam, die sich in der Gegend von Litoměřice seit den Zeiten von Karl IV. entwickelte. Bei den Weinliebhabern punkten der Sprecherin zufolge insbesondere Produkte aus dem nahegelegenen Velké Žernoseky / Groß Tschernosek. 2001 wurde auch die Bierbrauertradition wiederbelebt. In der königlichen Brauerei Litoměřice werde das Bier Kalich hergestellt, erzählt die Expertin.

St. Stephan-Kirche | Foto: Anna Kubišta,  Radio Prague International

Kelchhaus, Burg und St.-Stephan-Kirche

Das Infozentrum, das zum Rathaus gehört, befindet sich auf dem Platz namens Mírové náměstí (Friedensplatz). Dieser sei einer der schönsten und größten in Böhmen, sagt Eva Břeňová:

Mírové náměstí | Foto: Anna Kubišta,  Radio Prague International

„Den Marktplatz dominieren zwei Springbrunnen und eine Pestsäule. Rundherum steht eine Reihe historischer Häuser. Seit 1978 steht der Platz unter Denkmalschutz. Derzeit geht die Restaurierung des alten Rathauses zu Ende. Dieses gilt als Nationales Kulturdenkmal. Das Stadtmuseum wird in dem Gebäude eine neue interaktive Dauerausstellung eröffnen. Zu den bekanntesten historischen Bauten auf dem Marktplatz gehören das Haus ‚Zu den fünf Jungfrauen‘ und das Haus ‚Salva Guarda‘. Das Stadtamt hat im historischen Haus ,Pod bání‘ (Unter der Zwiebelhaube, Anm. d. Red.) den Sitz. Aus dem hiesigen Aussichtsturm Kalich (Kelch, Anm. d. Red.) bietet sich ein herrlicher Blick auf die ganze Stadt. Kalich und der Aussichtsturm der St.-Stephan-Kirche sind die meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Litoměřice.“

Die Touristen können seit einigen Jahren direkt in der Stadt auch die Burg von Litoměřice besuchen. Diese sei jedoch keine Burg im ursprünglichen Sinne des Wortes, merkt Eva Břeňová an:

Büste von Felix Holzmann | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Denn von der ursprünglichen gotischen Burg ist während des kommunistischen Regimes nicht mehr viel übriggeblieben. Das historische Baudenkmal diente damals unter anderem als Gemüselager. Vor einigen Jahren gelang es, die Burg samt ihrer gotischen Kapelle zu rekonstruieren. Im Areal werden verschiedene Kulturveranstaltungen und Konferenzen veranstaltet. Zudem gibt es dort drei Dauerausstellungen. Eine davon stellt den Komiker Felix Holzmann (1921-2002) vor, der Jahre lang in Litoměřice lebte. Die Geschichte des Bierbrauens in der Stadt steht im Fokus einer weiteren Ausstellung. Und die dritte Schau konzentriert sich auf den Weinbau in Böhmen. Dort können die Besucher auch Weine verkosten, die vor allem in der Umgebung der Stadt produziert wurden.“

Der schönste Blick auf die Stadt und ihre Umgebung bietet sich, wie Eva Břeňová betont, aus diesen beiden Aussichtstürmen: Der eine befindet sich auf dem sogenannten „Kelchhaus“ auf dem Marktplatz, der andere ist Bestandteil der Stephanskirche auf dem Domplatz. Die Führung durch das Kelchhaus, die bis in den Turm geht, beginnt im Gewölbegang im Erdgeschoss. Der italienische Architekt Anbrosio Balli baute das Haus im 16. Jahrhundert für die Familie Mráz von Milešovka. Die Mrázes seien Verwalter vieler Weinberge im Elbtal gewesen, erzählt Jana Hattová. Sie führt die Touristen durch die Stadt und auch durch das Kelchhaus.

Jana Hattová | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Der Turm hat die Form eines Weinglases. Der Kelch hat hierbei keine Verbindung mit den Hussiten, sondern hängt mit der Weinbautradition in unserer Region zusammen. Den Turm durften damals nur eingeladene Gäste besteigen, die hier beispielsweise Geschäfte vereinbart haben. Um den schönen Blick von oben genießen zu können, muss man 153 Stufen hinaufklettern.“

Zuerst geht es durch das Gebäude, in dem auch das Stadtamt seinen Sitz hat, in den Dachboden. Dort werden in einer interaktiven Schau die Geschichte des Hauses und seine Instandsetzung dokumentiert. Zu bewundern sind einige Exponate, darunter die ursprünglichen verzierten Balken, eine historische Zeitkapsel und eine Maschine, die die Rathausuhr bis 1991 antrieb. Vom Dachboden geht es weiter auf einer steilen Holztreppe bis in den etwas engen Turm. Durch die kleinen Fenster bietet sich der Blick auf die Stadt und ihre ganze Umgebung. Am schönsten sei die Aussicht auf den Domhügel, meint Jana Hattová:

„Dort befand sich schon im 10. Jahrhundert eine Burgstätte der Přemysliden. Es ist der älteste Teil der Stadt, der besiedelt war. Die Stephanskirche ist durch eine kleine Brücke mit einem Aussichtsturm verbunden. Dieser ist täglich geöffnet, und hinauf führen 206 Stufen. Von diesem Turm ist die Stadtbefestigung gut zu sehen. Das weiß-rote Haus neben dem Dom ist der Sitz des Bistums. Dort wohnt derzeit der 21. Bischof von Litoměřice, Stanislav Přibyl.“

St. Stephan-Kirche | Foto: Anna Kubišta,  Radio Prague International

Dichter Karel Hynek Mácha

Jana Hattová macht außerdem auf die Burg Házmburk / Hasenburg aufmerksam. Ihre beiden Türme sind in der Ferne hinter der Bischofsresidenz zu sehen. Die Burg, die vom staatlichen Denkmalschutzinstitut verwaltet wird, ist ebenfalls für Besucher zugänglich. Und links vom Domhügel, fast am Elbeufer, weckt ein Doppelhaus die Aufmerksamkeit der Besucher.

„In diesem Haus lebte der Dichter Karel Hynek Mácha (1810-1836). Dort ist er auch gestorben. Er hatte ein Zimmer mit Aussicht auf die Elbe gemietet. Im Gebäude wurde unlängst eine Dauerausstellung eröffnet, und die Eintrittskarten für die Besichtigung des Hauses werden im Stadtmuseum verkauft. Die Mitarbeiter des Museums begleiten die Besucher dann in die Wohnung des Dichters.“

Jana Hattová macht dann auf ein längliches helles Gebäude aufmerksam, das links vom Haus des Dichters zu sehen ist. Dies sei „Kavárna s párou“ (Café mit Dampf), erzählt die Expertin:

„Das ehemalige Bahnhofsgebäude wurde vor ein paar Jahren im Stil der Ersten Republik umgestaltet. Draußen finden sich Miniaturen der Baudenkmäler der Stadt. Im Areal wird zudem eine Dampflokomotive gezeigt. Der frühere Bahnhof wurde in ein Café umgewandelt, das die Stadtbewohner sehr gern besuchen.“

Vom Café ist es laut der Stadtführerin nur ein paar Schritte zur Schützeninsel, von der aus der Zusammenfluss der Eger mit der Elbe zu sehen ist. Jana Hattová empfiehlt den Besuchern, mit einem Schiff wenigstens ein Stück in Richtung Ústí zu reisen.

Café mit Dampf | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Gotischer Zwilling“

Kirche der Verkündigung der Jungfrau Maria | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Litoměřice sei eine Stadt der Kirchen, erzählt Jana Hattová, die immer noch vor einem der kleinen Turmfenster steht:

„Die ehemalige Jesuitenkirche der Jungfrau Maria ist derzeit in Trägerschaft der Nordböhmischen Galerie. Bis Ende September wird dort die Ausstellung mit dem Titel ,Depositum‘ gezeigt. Der Maler Patrik Hábl präsentiert seine Werke mit viel Verständnis für das Kircheninterieur. Wir wissen, dass es Besucher gibt, die extra wegen der Schau wiedergekommen sind. Gleich unterhalb der Kirche steht das älteste Haus in der Stadt, das ,gotischer Zwilling‘ genannt wird. Denn es hat zwei gotische Dachschilder. Dort befindet sich eine Galerie, in der internationale Projekte des Kulturzentrums Řehlovice gezeigt werden. Fast direkt neben unserem Rathaus steht zudem die Allerheligenkirche. Das Infozentrum bietet zweimal täglich Führungen durch die Sakraldenkmäler der Stadt an. Dabei werden vier Kirchen sowie der Turm der Stephanskirche besichtigt.“

Aus einem der Turmfenster ist am nördlichen Stadtrand von Litoměřice auch der Hügel Mostná hora mit dem Aussichtsturm Namens Mostka zu sehen. Jana Hattová:

Statue von Karel Hynek Mácha | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Vom Stadtzentrum ist es ein schöner Spaziergang. Es dauert etwa 30 Minuten. Am Fuße von Mostná hora gibt es seit 2011 eine Statue von Karel Hynek Mácha. Es ist ein Abguss der Originalplastik von Bildhauer Josef Václav  Myslbek, die auf dem Laurenziberg in Prag steht.“

Jana Hattová macht des Weiteren auf den Berg Radobýl aufmerksam.

„Oben auf dem Berg steht ein Kreuz aus Eisen. Wer von Prag aus dorthin kommt, bemerkt vielleicht, dass Radobýl von einer Seite her wie ein verdorbener Zahn aussieht. Früher wurde dort Basalt abgebaut. Mit Basaltsteinen wurde beispielsweise auch der hiesige Marktplatz gepflastert, außerdem wurde das Material nach Deutschland exportiert. Aus dem Stein wurde in den Seeregionen viel gebaut, weil er widerstandsfähig ist, was die Salzeinwirkungen anbelangt.“

Radobýl | Foto: Jan Kubelka,  Radio Prague International

Pflaumenbahn, Schifffahrt, Museum der Kristallberührung

Die Gegend von Litoměřice wird hierzulande als der Garten Böhmens (Zahrada Čech) bezeichnet. So heißt auch die große Ausstellung, die jedes Jahr im September in Litoměřice stattfindet. Eva Břeňová:

„Zur Herbstmesse kommen jedes Jahr Tausende von Menschen. Und kurz nach der Ausstellung findet dann die Weinlese in Litoměřice statt.“

Die Pressesprecherin der Stadt hat zudem einen Tipp für die Musikliebhaber:

Václav Hudeček | Foto: Ilja Šmíd,  Tschechischer Rundfunk

„Ende August findet in Litoměřice jedes Jahr das Musikfestival ,Svátky hudby‘ (Feiertage der Musik, Anm. d. Red.) statt. Die Schirmherrschaft hat der renommierte Violinist Václav Hudeček. Die Konzerte werden auf der Burg und in der Allerheiligenkirche veranstaltet. In diesem Jahr stehen unter anderem Werke der Barockkomponisten auf dem Programm.“

Bei den Ausflügen in die Umgebung der Stadt empfiehlt Eva Břeňová den Touristen, verschiedene Verkehrsmittel auszuprobieren:

Die Allerheiligenkirche und die Kirche der Verkündigung der Jungfrau Maria | Foto: Anna Kubišta,  Radio Prague International

„Sie können mit der sogenannten ,Pflaumenbahn‘ reisen. Diese Strecke ist sehr beliebt. Die Züge fahren aus Litoměřice bis nach Most. Wer eine Elbefahrt bevorzugt, kann mit dem Schiff ‚Porta Bohemica‘ entweder in Richtung Ústí nad Labem oder Roudnice reisen. Bei der Fahrt Richtung Ústí bietet sich etwa eine schöne Aussicht auf die Weinberge. Die Rückreise nach Litoměřice absolvieren viele Touristen mit dem Fahrrad. Den hiesigen Elberadweg nutzen auch viele Besucher aus Deutschland.“

Und wofür interessieren sich die deutschen Touristen in der Stadt am meisten?

„Einer großen Beliebtheit erfreuen sich die Sakraldenkmäler. Oft nehmen die deutschen Besucher an den Führungen durch die Kirchen der Stadt teil. Dabei können sie auch Sakralbauten besuchen, die sonst nicht geöffnet sind. Viele der Touristen finden zudem das Museum der Kristallberührung hochinteressant. Es ist das einzige Museum dieser Art in Europa. Der Leitmeritzer Glaskünstler Jan Huňát gießt Handabdrücke namhafter Persönlichkeiten in böhmisches Kristallglas, und diese werden im Museum gezeigt. Darunter finden sich beispielsweise Handabdrücke von dem ehemaligen Präsidenten Václav Havel, dem Eishockeystar Jaromír Jágr, von der US-amerikanischen Sängerin Anastasia und vom Retter jüdischer Kinder aus der NS-Zeit, Sir Nicholas Winton. Die Museumsgalerie wird ständig erweitert. Das Museum befindet sich auf dem Marktplatz, etwa 100 Meter vom Infozentrum.“

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