21. August 1968 - Erinnerungen an den Prager Frühling

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Vor genau 39 Jahren endeten in der Tschechoslowakei die Träume von einem "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" unter den Panzerketten der Warschauer-Pakt-Truppen. Der Einmarsch der vorgeblich befreundeten Staaten beendete die Reformära des Prager Frühlings und stieß das Land in eine 20-jährige Agonie. Traditionell wird mit einer Kranzniederlegung vor dem Prager Funkhaus den Opfern der schickalshaften Tage gedacht. Und bei Radio-Prag-Hörern in Chemnitz erinnert eine nicht getrunkene Flasche Becherovka an die dramatischen Ereignisse.

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Mit militärischen Ehren würdigten auch in diesem Jahr die Spitzen der tschechischen Politik die Menschen, die im August 1968 und in den nachfolgenden Jahren der Okkupation ihr Leben für die Freiheit gelassen haben. Am Prager Funkhaus, das im Mittelpunkt des Widerstandes gegen den Einmarschh gestanden hatten, legten unter anderem Premier Topolanek und der Prager Oberbürgermeister Pavel Bem Kränze nieder. Senats-Chef Premysl Sobotka erinnerte an die Bedeutung der Augusttage für die tschechische Geschichte:

V.l.n.r.: Mirek Topolanek,  Miloslav Vlcek und Premysl Sobotka  (Foto: CTK)
"Ich denke an den Morgen des 21. August 1968 wie an einen bösen Traum, aber es war die Wirklichkeit. Und die war umso schrecklicher, weil die Panzer und Soldaten aus den Ländern kamen, von denen es immer hieß, wir seien mit ihnen auf ewig in Freundschaft verbunden. Natürlich hat sich ein Teil der Menschen schon damals keine Illusionen über den Sozialistischen Block gemacht. Trotzdem: das Ende des Prager Frühlings, das war für die Tschechoslowakei, aber auch für die Welt wirklich ein eiskalter Guss. Ich glaube man kann sagen, dass damit endgültig das Nachkriegs-Märchen einer strahlender sozialistischen Zukunft und eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz begraben wurde."

Aber nicht nur Politiker und Historiker gedenken in diesen Tagen der Ereignisse vor 39 Jahren. Radio-Prag-Hörerin Helga Heinemann aus Chemnitz war mit ihrem Mann im August 1968 im Urlaub in Prag und hat dort noch die Hoffnung der Menschen auf Wandel und Reformen erlebt:

"Wir haben noch vor Ort mitbekommen, wie Dubcek Tito empfangen hat. Da war auf dem Prager Hradschin mächtig was los - man wurde an Bilder von einem brasilianischen Fußballspiel erinnert. Der ganze Hradschiner Platz war voll von Menschen, und Dubcek und Tito wurden dort begeistert begrüßt. Ich wollte weg, weil mir das zu eng wurde und ich in der Masse Angst bekam, aber mein Mann hat gesagt: Hier können wir nicht weg, hier wird Geschichte geschrieben! Und wir hatten damals auch wirkliche alle auf einen Sozialismus mit einem demokratischen Antlitz gehofft."

Helga und Ulrich Heinemann in Prag
Ausgerechnet am 20. August endete der Urlaub der Heinemanns. Von dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen haben sie erst in Chemnitz erfahren, als sie am nächsten Morgen das Radio einschalteten - ein Schock auch für sie. Ein Urlaubsmitbringsel erinnert bei den Heinemanns bis heute an den schicksalshaften Tag:

"Wir hatten uns dort noch von unserem letzten Urlaubsgeld eine Flasche Becherovka gekauft, die wir noch gemütlich an unseren letzten Urlaubstagen im Garten trinken wollten. Diese Flasche Becherovka, die steht noch heute bei uns im Keller, weil uns der Appetit gründlich vergangen war. Wir wollten sie trinken, wenn die sowjetischen Truppen wieder abgezogen sind. Das ist zwar schon passiert, aber die Flasche steht noch da..."