Affäre Cunek, Stasiakten und Europäischer Verfassungsvertrag: Stimmen aus der Presse

Jiri Cunek mit seinen Töchtern (Foto: CTK)

Obwohl die Sommerferien und die Urlaubszeit allmählich an die Tür klopfen, geht es in der tschechischen Politik nach wie vor hoch her. Daher nun die wichtigsten Themen der vergangenen Woche aus der Sicht der Medien.

Jiri Cunek mit seinen Töchtern  (Foto: CTK)
Die Themen, die von den tschechischen Medien in der abgelaufenen Woche aufgegriffen wurden, sind beim genauen Hinsehen nicht wirklich neu. Dennoch ergaben sich dabei in den letzten Tagen einige interessante Entwicklungen.

Als erstes wäre die Affäre des stellvertretenden Premierministers und Chefs der Christdemokraten Jiri Cunek zu erwähnen, die seit Monaten mehr oder weniger intensiv die Öffentlichkeit beschäftigt. In der vergangenen Woche hat der Fall, bei dem es um den Vorwurf geht, Cunek hätte vor fünf Jahren als damaliger Bürgermeister von Vsetin Schmiergeld entgegengenommen, eine unerwartete Wendung genommen. Kurz bevor entschieden werden sollte, ob gegen den Politiker Anklage erhoben wird, entschied die Oberste Staatsanwältin Tschechiens, Renata Vesecka, den Fall einem anderen Staatsanwalt zuzuteilen.

Die Opposition vermutet, dass die Regierung Druck auf die Anklägerin ausgeübt hat, um eine drohende Anklage des hochrangigen Politikers zu verzögern und fordert nun nicht nur den Kopf Cuneks, sondern will auch gleich die ganze Regierung stürzen.

Der Kommentator Jan Machacek kritisierte in der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny" das Vorgehen der Obersten Staatsanwältin:

Renata Vesecka  (Foto: CTK)
"Seit der Gründung der selbstständigen Tschechischen Republik ist es noch nicht vorgekommen, dass die Oberste Staatsanwaltschaft einen Staatsanwalt abberufen hätte und zwar kurz, bevor Anklage erhoben werden sollte. Es ist alarmierend, dass dieses zweifelhafte Privileg jemandem zugute kam, der erster Stellvertreter des Premierministers ist. Ungeachtet dessen sollte jedoch der Prozess gegen Jiri Cunek so früh wie möglich beginnen. Cunek sollte die Möglichkeit bekommen, sich öffentlich zu verteidigen. Gelingt es ihm, kann er vom Gericht rein gewaschen werden. Für seine Anhänger wird er dann zum Helden oder Märtyrer. Privilegien hatte nämlich Cunek bereits viel zu viele."

Der Druck auf die Christdemokraten wächst ständig, nicht zuletzt haben auch die aktuellen Umfragen gezeigt, dass die Partei - würden jetzt Wahlen stattfinden - nicht mehr den Einzug ins Parlament schaffen würde. Wer von so einer Entwicklung am meisten profitieren würde, steht zumindest für den Leitartikler der Tageszeitung "Mlada fronta Dnes", Karel Steigerwald, fest:

"Sollte Cunek die Volkspartei endlich in den Ruin treiben, wird der Sozialdemokrat Paroubek endlich eine Mehrheitsregierung zusammen mit den Kommunisten bilden können, und zwar ohne die Grünen. Es ist nämlich gewiss, dass das Schiff, auf dem sich die Christdemokraten befinden, in Turbulenzen geraten ist. In den hohen Wellen sind schon etliche ähnliche politische Gruppierungen ertrunken. Wenn die Christdemokraten wirklich eine leidenschaftlich christliche Partei bildeten, dann könnten sie sagen: ´Wen der liebe Gott liebt, den beglückt er mit Blindheit.´ Cuneks Unschuld und dessen Verbleib in den höchsten Etagen der Politik werden die Christdemokraten wohl weiter verteidigen, bis zum endgültigen Untergang der eigenen Partei. Cunek ist vielleicht wirklich unschuldig, und alle bisherigen Versäumnisse der Polizei deuten das auch an. Aber darum geht es nicht: Cuneks Affäre vernichtet die Regierungskoalition, die kein Rezept hat, um dem entgegenzutreten."


Ein weiteres Thema, das ebenfalls seit Jahren für Diskussion sorgt, ist die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit des Landes. In den letzten Wochen wurden Akten gefunden, die vom kommunistischen Staatssicherheitsdienst StB über Personen angelegt wurden, die später dann in der Nachwende-Zeit zu den neuen politischen Eliten des Landes gehörten.

Der bislang letzte Fall betrifft den tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus, der in den 80er Jahren systematisch vom kommunistischen Geheimdienst bespitzelt wurde. Der Zeitpunkt, zu dem diese Information veröffentlicht wurde, macht stutzig. Besteht nicht vielleicht ein Zusammenhang mit der vor kurzem erfolgten Ankündigung von Vaclav Klaus, ein weiteres Mal für das Präsidentenamt zu kandidieren. Dazu schreibt Viliam Buchert in der "Mlada fronta Dnes":

Präsident Vaclav Klaus
"Bekommt der Präsident durch die Akte bei der Staatssicherheit den Heiligenschein eines Dissidenten? Wohl kaum, weil Klaus so etwas bisher immer abgelehnt hat. Es steht jedoch die Frage im Raum, ob es ein Zufall ist, dass der Aktenvermerk über Klaus gerade im Juni 2007 gefunden wurde? Also so lange nach der Samtenen Revolution und so kurz vor der nächsten Präsidentenwahl, bei der Vaclav Klaus erneut kandidieren will? Höchstwahrscheinlich steckt wirklich purer Zufall dahinter. Es hängt aber sicherlich auch damit zusammen, dass die gegenwärtige Regierung einen anderen Zugang zur Aufarbeitung der kommunistischen Archive hat, als die Vorgängerregierung. Warum hat es so lange nach 1989 gedauert, bis einige Dokumente aus der Vorwendezeit das Licht der Öffentlichkeit erblickten? Diese Frage sollten all jene beantworten, die in der Vergangenheit beim Innenministerium beschäftigt waren und höchstwahrscheinlich vieles unter Verschluss halten wollten. So, wie ich aber Vaclav Klaus kenne, wird er sicherlich versuchen, die Existenz der aufgetauchten Akten zu bagatellisieren und herunterzuspielen. Seinem Ego hat das sicherlich geschmeichelt."


Foto: Europäische Komission
Und auch das dritte Thema, dem wir uns heute widmen wollen, gehört zu den Evergreens der tschechischen Politik: das weitere Schicksal des Europäischen Verfassungsvertrags. In den kommenden Tagen will die derzeitige deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen Kompromissvorschlag vorlegen. Tschechien gehört ja bekanntlich neben Polen zu jenen Ländern, die wohl am schwersten zu überzeugen sein werden, dass der Großteil des ursprünglichen Textes eine weitere Chance verdient. Tschechiens Präsident Vaclav Klaus, der kein Freund des europäischen Einigungsprozesses im Allgemeinen und des Verfassungsvertrags im Konkreten ist, wünscht sich von der Prager Mitte-Rechts-Regierung, wie er in einigen Interviews betonte, eine mutige Haltung. Im Klartext soll das heißen, dass sich der Präsident am liebsten ein "Nein" der tschechischen Delegation wünschen würde.

Über die nicht leichte Aufgabe von Premier Topolanek schreibt Pavel Masa in der Tageszeitung "Lidove noviny":

"Der Premier muss einen ausgeglichenen Weg einschlagen, der einen Mittelweg zwischen rechter Ideologie und den realen Interessen des Staates darstellen muss. Die nationalbezogene Haltung des Präsidenten ruft zu einem selbstherrlichen Spielen mit den Muskeln auf. Gleichzeitig weiß aber die Regierung nur allzu gut, dass ohne eine Unterstützung von Seiten einer starken Union auch die realen tschechischen Interessen leiden werden. Und zwar mindestens jene, die der tschechische Vizepremier für Europafragen, Alexandr Vondra, hervorhebt: das Interesse an einem einheitlichen Auftreten Europas gegenüber Russland und die Sicherheit der Energieversorgung."

Premier Mirek Topolanek
Mit dem gleichen Thema beschäftigt sich auch ein Meinungsartikel in der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny". Dessen Autor Adam Cerny meint in diesem Zusammenhang:

"Nächste Woche wird es in Brüssel ein zähes Ringen geben. Es wird die Entscheidung darüber anstehen, was mit jenem Dokument geschehen soll, dass ein tschechischer Unterhändler bereits sechs Fuß unter der Erde begraben sehen wollte. Premier Topolanek wird mit der Gewissheit nach Brüssel fahren, dass seine Position vielleicht von drei oder vier Ländern geteilt wird. Zudem muss er damit rechnen, dass er zu Hause einen Präsidenten hat, der ihn für jedes Entgegenkommen beim Rettungsversuch für den ursprünglichen Verfassungsentwurf hart kritisieren wird. In einer Union von 27 Mitgliedern kann jedoch ein Einzelner nicht alles haben wollen. Der Verfassungsvertrag ist zwar tot, aber er kann einem neuen wichtige Organe spenden. Premier Topolanek wird aus Brüssel entweder nichts mitbringen oder einen Kompromiss. Und so wie alle Regierungschefs wird auch er sich zu Hause anhören müssen, dass das Maximum des Möglichen, das er für das Land herausgeholt hat, einem Ausverkauf der nationalen Interessen gleichkommt."