ODS-Streit um Haushaltsreform: Es geht um künftige Regierungsformen
Das Duell innerhalb der regierenden Demokratischen Bürgerpartei (ODS) zwischen Premier Mirek Topolanek und dem einflussreichen Abgeordneten Vlastimil Tlusty scheint sich nur vordergründig um die geplante Finanzreform zu drehen. Im Hintergrund geht es erneut um die Frage, ob eine große Koalition mit den Sozialdemokraten nicht die bessere Regierungsform wäre.
Die größte Kritik an der Reform scheint dabei, was vielleicht etwas paradox ist, nicht von der sozialdemokratischen und kommunistischen Opposition zu kommen, sondern von einigen Abgeordneten der Regierungsparteien. Der bekannteste Kritiker der Reform ist der frühere Chef des Haushaltsausschusses und kurzzeitige Finanzminister Vlastimil Tlusty, der Topolaneks Partei angehört.
Ein abweichendes Abstimmungsverhalten Tlustys und der übrigen Mandatare hätte jedoch fatale Konsequenzen, denn schließlich kann sich die Regierung im Abgeordnetenhaus nicht auf eine eigene Mehrheit stützen, sondern ist auf zwei abtrünnige sozialdemokratische Abgeordnete angewiesen.
Ungeachtet dessen schien jedoch diese Regierungsmehrheit bisher zur Verfügung zu stehen. Oder war das nur deshalb, weil es bislang keine wirklich wichtige Abstimmung gab? Das habe ich den Politikwissenschaftler Bohumil Dolezal von der Prager Karlsuniversität gefragt:
"Ich bin eher der zweiten Meinung. Die Koalition hat, und das muss man anerkennen, die Technik der Regierungsarbeit mit dieser sehr knappen Mehrheit, die man immer wieder aufs Neue unter Beweis stellen muss, gelernt. Damit kann die Regierungskoalition einfache, technische Angelegenheiten lösen. Die größten Prüfungen stehen aber noch bevor. Leider zeigt sich, dass sie viel schwieriger sein werden, als es auf den ersten Blick aussah, und zwar deshalb, weil die größte Koalitionspartei, die rechtsliberale ODS, sich überhaupt nicht einig ist."Verfolgt man die Debatten der letzten Wochen, die über die Ausgestaltung der Reform innerhalb der stärksten Regierungspartei geführt werden, muss man sich zwangsläufig an ähnliche Reformversuche der sozialdemokratischen Regierung von Vladimir Spidla im Herbst 2002 erinnert fühlen. Auch der Versuch der damaligen Regierung die Folgen des Jahrhunderthochwassers vom Sommer 2002 mit Steuererhöhungen zu finanzieren, scheiterte am Widerstand einer einzigen Abgeordneten aus dem Regierungslager.
Droht nun ein ähnliches Szenario auch Premier Topolanek? Dazu der Politikwissenschaftler Dolezal:
"Das wage ich nicht vorauszusagen, das wäre eher die Frage für einen Prognostiker, wie der frühere Regierungschef Milos Zeman einer war. Ich bin aber vor allem der Meinung, dass es sich bei Weitem nicht nur um die konkrete Frage der Finanzreform handelt, sondern um die Frage, wie man in diesem Land künftig regieren soll, welche Koalition und welche Zusammenarbeit welcher Parteien die beste wäre. Auch persönliche Fragen innerhalb der ODS spielen eine große Rolle. In diesem Konflikt um die Reform der Finanzen geht es eher um einen innerparteilichen Kampf um die Macht in der ODS."Das gegenwärtig öffentlichkeitswirksam ausgetragene Duell zwischen Premier Mirek Topolanek und dem einflussreichen Abgeordneten Vlastimil Tlusty also nicht nur der Kampf um die Finanzreform und die Art und Weise, wie der Staatshaushalts saniert werden soll? Lässt sich die Auseinandersetzung aber wirklich darauf reduzieren, dass der jetzige Premier Topolanek Anhänger einer Regierungsform ist, die ohne die Sozialdemokraten (CSSD) auskommen würde, während Tlusty weitaus lieber, als mit den Christdemokraten und Grünen im gemeinsamen Regierungsboot zu sitzen, eine Koalition der beiden größten Parteien des Landes an der Macht sehen würde?
"Ja, ich bin dieser Meinung. Ich glaube, dass es jetzt darum geht, ob diese Koalition, die bei Weitem nicht ideal ist, aber unter den gegebenen Umständen die einzig mögliche ist, regieren wird. Oder ob man die große Koalition der ODS mit der CSSD durchsetzt, was nicht nur Tlustys Vorstellung ist, sondern auch jene von Präsident Vaclav Klaus, mit dem Tlusty in einer sehr engen Beziehung steht. Ein bisschen paradox ist dabei, dass Tlustys Entwurf der Finanzreform weitaus radikaler ist als Topolaneks Vorschlag. Topolanek musste Kompromisse machen und ist vor allem bereit, dies auch künftig weiterhin zu tun, was im Rahmen der ODS an sich etwas ganz Neues ist. Das hat diese Partei in der Vergangenheit nie gemacht. Tlustys Vorschlag hat also erst recht keine Chance Wirklichkeit zu werden, weil die Sozialdemokraten das kategorisch ablehnen. Abgesehen davon sehe ich auf beiden Seiten, also bei Tlusty und seinen Anhängern wie auch bei den Sozialdemokraten, eine verborgene Sympathie für diesen eventuellen zukünftigen Partner", so der Politologe Bohumil Dolezal.
Vlastimil Tlusty gehört seit Jahren zu den wichtigsten Politikern der Demokratischen Bürgerpartei, und als deren finanzpolitischer Experte genießt er innerparteilich hohes Ansehen. Wie lässt sich aber der Rückhalt Tlustys im Rahmen der ODS in der jetzigen Situation einschätzen, in der nicht nur die Reform, sondern auch der Fortbestand der ganzen Koalition auf dem Spiel steht? Lassen sich vielleicht Prozentzahlen nennen? Bohumil Dolezal:"Ich wage keine Zahlen zu nennen. Ich bin aber überzeugt, dass Tlusty bei Weiten nicht der einzige bleibt. Denn Tlusty ist ein Meister der Kabinettspolitik. Ich glaube, er wird zwar nicht dreißig Prozent finden, aber fünf oder sechs Abgeordnete wird er durchaus für sich gewinnen können. Das ist zu wenig, um Tlustys Vorschlag zur Finanzreform durchzusetzen. Aber es wäre genug, um diese Regierung zu stürzen."
Wie wahrscheinlich ist es, dass es am Schluss aber doch auf einen Kompromiss hinauslaufen wird? Oder wird Tlusty aufs Ganze gehen und den Sturz selbst seiner Regierung in Kauf nehmen? Dazu abschließend noch einmal der Politikwissenschaftler Bohumil Dolezal von der Prager Karlsuniversität:
"Ich bin überzeugt, dass sich Tlusty bemüht, Topolanek kompromisslos zu stürzen. Es geht aber auch um andere, nicht so wichtige Gesetzesvorlagen, wo dieser Politiker eine andere Meinung vertritt. Zudem hat sich Tlusty bereits öffentlich sehr radikal und sogar grob über Topolanek geäußert, indem er ihn einen Dummkopf genannt hat. Zudem hat er in einem Interview in der Mlada fronta Dnes den jetzigen Finanzminister Kalousek dreimal als einen Lügner bezeichnet. Ich glaube, dass die Lage so gespannt ist, dass ein Kompromiss nicht möglich ist, sondern es in einem erbarmungslosen Konflikt enden wird."