EU-Kommissar Spidla: Tschechien braucht größere Chancengleichheit

Vladimir Spidla (Foto: CTK)

Die Reformen, die in Tschechien die ODS-geführte Mitte-Rechts-Regierung plant, dürfen die Idee des europäischen Sozialstaates nicht in Frage stellen. Das mahnte der tschechische EU-Kommissar Vladimir Spidla bei einem Besuch in Prag. Grundlegend seien Chancengleichheit und der Kampf gegen Diskriminierung.

Vladimir Spidla  (Foto: CTK)
Spidla empfing anlässlich des diesjährigen 50. Geburtstags der EU am Mittwoch Prager Schüler zum Tag der offenen Tür im Europäischen Haus, dem Infozentrum der EU in Prag. Bei seinem Besuch in der Heimat machte der 56-jährige EU-Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit auch keinen Bogen um die tschechische Innenpolitik: Bei den geplanten Reformen dürfe die Regierung nicht den Sozialstaat aus den Augen verlieren. Zentral seien außerdem Chancengleichheit und der Kampf gegen Diskriminierung - hier gebe es in Tschechien immer noch Defizite:

"Die Chancengleichheit ist in der Realität nicht völlig verwirklicht, genauso, wie man einräumen muss, dass es immer noch zu Fällen von Diskriminierung kommt. Ich wäre froh, wenn die Ratifizierung von europäischen Antidiskriminierungs-Normen beziehungsweise ihre Eingliederung in die tschechische Rechtsordnung erheblich schneller erfolgen würde."

Vor allem die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern hat die EU-Kommission nun aufs Korn genommen. Im EU-Durchschnitt verdienen Frauen um 15 Prozent weniger als Männer; in Tschechien bekommen Frauen gar ein Fünftel weniger als Männer auf vergleichbaren Positionen. Spidla rief die tschechische Regierung auf, verstärkt gegen solche Formen der Ungleichbehandlung vorzugehen. Zugleich warnte er, dass Teile der geplanten Reformen die Diskriminierung noch vertiefen könnten:

Foto: Europäische Komission
"Zum Beispiel hat die Erhöhung der Rentenversicherungszeit auf 35 Jahre unterschiedliche Folgen für Männer und Frauen, weil ihre Positionen auf dem Arbeitsmarkt unterschiedlich sind. Bei allen Reformvorschlägen muss man daher sehr sorgfältig darauf achten, ob Elemente, die zunächst rein technisch erscheinen, nicht letztlich eine große Gruppe von Menschen vom Rentensystem ausschließen."

Einen Schritt zu einer weitergehenden Gleichstellung der Geschlechter hat indessen am Mittwoch Arbeits- und Sozialminister Petr Necas (ODS) vorgestellt. Er will in Zukunft frisch gebackenen Vätern eine Woche bezahlten Vaterschaftsurlaub einräumen, um so die Männer stärker in die Erziehung der Kinder einzubinden. Dafür immerhin gab es Lob vom EU-Kommissar - wenn auch nur unter Vorbehalt:

"Auf europäischer Ebene werden über zwölf Wochen debattiert. Eine Woche oder zwölf - das ist natürlich ein Unterschied. Aber in jedem Fall ist das ein Schritt in die richtige Richtung."