Ein europäischer Querulant: Jiri Dienstbier wird 70

Jiri Dienstbier

Seinen 70. Geburtstag konnte am vergangenen Freitag der prominente Dissident und erste Nachwende-Außenminister der Tschechoslowakei, Jiri Dienstbier, feiern. Von der politischen Bühne in Tschechien ist der bescheidene Mann mit dem verschmitzten Lächeln schon seit längerem verschwunden, international aber ist er weiter aktiv. Nun gilt Jiri Dienstbier als einer der möglichen Gegenkandidaten für Vaclav Klaus bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Thomas Kirschner mit einer Würdigung.

Jiri Dienstbier  (Foto: CTK)
Keine Frage: es ist ein reiches Leben, auf das Jiri Dienstbier zurückblicken kann. Geboren am 20. April 1937 im mittelböhmischen Kladno, aufgewachsen in einer intellektuellen Familie. Politische Diskussionen gehörten zum Alltag. Dienstbier wurde Journalist, berichtete als kritischer Kopf in den Sechziger Jahren für den Tschechischen Rundfunk aus dem Ausland. Nach 1968 folgte das Berufsverbot; Jahre als Nachtwächter und Heizer. Dienstbier gehörte in dieser Zeit neben Vaclav Havel zu den führenden Dissidenten, war einer der ersten Unterzeichner der Charta 77, was ihm drei Jahre Haft eintrug. Im November 1989 dann die Revolution - und bereits einen Monat später zerschnitt der neue tschechoslowakische Außenminister Jiri Dienstbier mit seinem deutschen Kollegen Hans-Dietrich Genscher symbolisch den Stacheldraht an der tschechisch-deutschen Grenze, wie er sich vor zweieinhalb Jahren im Gespräch mit Radio Prag erinnerte:

"Das, was damals passiert ist, das war natürlich eine außergewöhnliche historische Situation. Ich meine manchmal: Selbst wenn ich im Leben nichts anderes erlebt hätte, als dass der Eiserne Vorhang fällt und ich mich daran in irgendeiner Weise beteiligen konnte, so könnte ich vielleicht trotzdem sagen: Ich habe genug getan. Aber natürlich kann man das nur dann sagen, wenn einem das knapp vor dem Tod geschieht. Denn das Leben geht weiter. Und heute haben wir ganz andere, neue Probleme."

Jiri Dienstbier
Probleme, an deren Lösung sich auch Dienstbier beteiligt hat. 1992 war er als Außenminister ausgeschieden; eine eigene Partei hatte nicht Fuß fassen können - in Tschechien war Dienstbier außen vor. Nicht aber international: Auf UN-Ebene übernahm er verschiedenen Missionen; unter anderem als UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im ehemaligen Jugoslawien. Sein Credo ist ein festes Bekenntnis zu der Idee Europa:

"Ich bin im Leben viel herumgekommen. In den sechziger Jahren war ich Korrespondent im Fernen Osten, und auch heute reise ich noch viel. Und ich kann sagen: Überall auf der Welt beneidet man uns um die Europäische Union. Man beneidet uns darum, dass wir einen solchen Grad von Integration erreichen konnten, und dass dies so funktioniert, wie es funktioniert. Das sollten wir auch wissen, bevor wir anfangen, uns zu beklagen."

Dieses Ja zu Europa möchte der junge 70-Jährige nun auch im Präsidentschaftswahlkampf zur Geltung bringen - als möglicher Gegenkandidat zu Euroskeptiker Vaclav Klaus. Er wolle Schluss machen mit "antieuropäischem Querulantentum" und dem Präsidentenamt einen zivileren Anstrich geben, so Dienstbier am Wochenende in der Tageszeitung Pravo. Bei einem seriösen Angebot sei er bereit, als gemeinsamer Kandidat der Linken anzutreten. Wie es scheint, ist Jiri Dienstbier auch weiterhin nicht gewillt, sich die Probleme der Zeit vom Leib zu halten.