Gegen Santa Claus und Väterchen Frost: Christkind in Bedrängnis
An allen Ecken, in allen Schaufenstern sind sie derzeit anzutreffen: Weihnachtsmänner als Keramiknippes, als Plüschfigur, als Neonreklame. Dabei gehört Tschechien eigentlich, genau wie die deutschsprachigen Länder, zum Reich des Christkinds, hierzulande Jezisek, Jesulein genannt. Das aber hat inzwischen einen schweren Stand gegen die Übermacht der wattebärtigen Altherrenriege. Die Initiative Anti-Santa will dem Jesulein nun in Böhmen wieder zu seinem Recht verhelfen.
"Weihnachtsmann, go home! Zu uns kommt das Christkind", singt die Band Kaluze. Und genau so sieht das auch David König, Sprecher der Initiative Anti-Santa. Der Weihnachtsmann hat in Böhmen nämlich nicht einmal einen eigenen tschechischen Namen, sondern heißt gut amerikanisch "Santa Claus":
"Uns geht es darum, darauf hinzuweisen, dass Santa Claus in Tschechien keine Tradition hat. Wir haben hier eigenes Brauchtum, und das ist zu schön, um es einfach so verschwinden zu lassen. Santa Claus gehört in den angelsächsischen Raum, da hat er seine Tradition und seinen Sinn, aber hier in Tschechien gibt es schließlich das Christkind, Jezisek, und das wollen wir behalten und uns nicht vom Kommerz überrollen lassen."
Besonders für die Werbung ist Santa Claus nämlich eine dankbare Figur, weiß David König, der selbst in der Branche arbeitet:
"Ich glaube, der große Erfolg von Santa Claus liegt an der Visualität - das ist einfach ein starkes, verständliches Bild, das sich gut für Reklame verwenden lässt. Das Christkind gibt es dagegen nur in der Imagination - jeder hat da eine andere Vorstellung, und das gehört mit zum Zauber der Weihnacht. Der zweite Grund ist schlicht ökonomisch: Die Weihnachtsdekoration wird inzwischen in Großserie in China hergestellt und um die ganze Welt exportiert - ohne Rücksicht auf lokale Traditionen."
Wenn es nach der Initiative Anti-Santa geht, sollen in Zukunft wieder mehr Symbole der böhmischen Weihnacht zu sehen sein: Sterne, Tannenbäume, der traditionelle Karpfen oder eben das Christkind. Für das ist Santa Claus übrigens nicht der erste Herausforderer. Schon zu Beginn der 50er Jahre wollten die Kommunisten das Jesulein durch das russische Väterchen Frost ersetzen. Durch die Krippe hätten die Kapitalisten den Arbeitern nämlich sagen wollen, dass auch sie in Lumpen gewickelt im Stall wohnen können. Aber die Zeiten hätten sich geändert, so der spätere tschechoslowakische Präsident Antonin Zapotocky in seiner heute legendären Weihnachtsansprache aus dem Jahr 1952:
"Auch das Jesuskind ist groß geworden, ein Bart ist ihm gewachsen und es ist zu Väterchen Frost geworden. Der ist nicht mehr nackt und in Lumpen gewickelt, sondern warm gekleidet, so wie auch unsere Arbeiter und ihre Kinder heute nicht mehr nackt und zerlumpt sind. Väterchen Frost kommt aus dem Osten, und auch ihm leuchten Sterne den Weg - nicht nur der eine über Bethlehem, sondern eine ganze Reihe roter Sterne über unsern Kohlengruben, Hüttenwerken und Fabriken."