Jaromir Jagr setzt neue Meilensteine: NHL-Tor- und Punktrekord für Europäer
Feste soll man bekanntlich feiern, wie sie fallen. Sportliche Rekorde ebenfalls. Oder zumindest würdigend hervorheben. So wie die Leistungen des tschechischen Eishockeystars Jaromir Jagr. Vor rund zwei Wochen stellte er mehrere Bestmarken auf, dank denen er jetzt als bester Europäer gefeiert wird, der jemals in der NHL auftrumpfte.
Die Tops und Flops der tschechischen Sportwoche
Mit dem 17. Spieltag haben die Mannschaften der höchsten tschechischen Fußballklasse, der so genannten Gambrinus Liga, am vergangenen Wochenende ihren herbstlichen Punktekampf beendet. Und dieser Spieltag hatte es noch einmal in sich. Denn am Sonntag hatte es das junge Team von Slavia Prag doch tatsächlich geschafft, durch einen in allerletzter Minute sichergestellten 2:1-Sieg über Banik Ostrava die Tabellenführung zu erobern. Diese Tatsache wäre wohl keine allzu große Schlagzeile wert gewesen, wenn es sich dabei nicht um die erste Spitzenposition der Rot-Weißen seit dem 3. März 2003 gehandelt hätte. Die Freude darüber währte allerdings nur einen Tag, weil Lokalrivale Sparta Prag in der abschließenden Begegnung des Spieltages noch am Montag beim Aufsteiger in Kladno ran durfte. Und die Akteure des hiesigen Rekordmeisters packten die Chance beim Schopfe, um dank eines 2:0-Erfolges doch noch als Herbstmeister in die Winterpause zu gehen. Wie wichtig ihnen der Platz an der Sonne ist, dazu sagte Sparta-Trainer Michal Bilek:"Der Sieg ist genau das, was wir uns vorgestellt haben - dank dessen sind wir wieder auf dem ersten Platz, auf dem wir auch bleiben wollen. Dass wir ihn jetzt während der Winterpause einnehmen, ist eine große Motivation für uns."Eine nicht minder große Motivation ist es, als Prager Teamsportler einmal das brisante Stadtderby zwischen Sparta und Slavia bestreiten zu können. Im Eishockey stand dieses erst am Sonntag wieder auf dem Programm. Es endete mit einem 4:2-Sieg für den gastgebenden HC Sparta. Vor der Saison-Rekordkulisse von 10.600 Zuschauern hatte vor allem der neue Goalie des Meisters, der 25-jährige Tomas Duba, einen entscheidenden Anteil daran. Es war sein erstes Derby, so dass er nach der Partie noch ziemlich happy war:
"Die Atmosphäre war phantastisch. Beide Fanblocks haben ihre Teams nach vorne gepeitscht. Vor solch einer Kulisse spielt es sich hervorragend, und mich freut es ganz besonders, dass wir das Derby gewonnen haben."
Die SPORT- Reportage
Vor zwei Wochen rauschte es im Blätterwald der internationalen Sportwelt. Denn ein Idol des tschechischen Kufensports schickte sich an, in der anerkannt besten Eishockeyliga der Welt, der nordamerikanischen NHL, einen europäischen Rekord nach dem anderen zu knacken. Die Rede ist von keinem anderen als von Jaromir Jagr, dem 34-jährigen Ausnahmekönner mit Stock und Scheibe, der neue Meilensteine setzte. Am 19. November erzielte er in der Partie seiner New York Rangers gegen Tampa Bay den 600. Treffer seiner NHL-Karriere. Nur zwei Tage später, beim 4:0-Sieg der Blau-Roten über Stanley Cup-Verteidiger Carolina, schoss er weitere zwei Tore, mit denen er sich vor den Finnen Jari Kurri als nunmehr bester Europäer an die 15. Stelle der ewigen NHL-Torjägerliste einrangierte. Und schon vier Tage darauf holte er sich den nächsten NHL-Europarekord: Dank je eines Treffers und Assists verdrängte er den in der Slowakei geborenen Stan Mikita mit 1468 Punkten von Platz 12 des ewigen NHL-Scorer-Rankings.
Das sind Rekordmarken, denen eine hohe Leistungsstärke über Jahre hinweg zu Grunde liegt. Und genau darüber hat Radio Prag mit Marian Jelinek, dem persönlichen Trainer und Berater von Jaromir Jagr gesprochen.
"Ich denke, dass man es nicht als arrogant auslegen kann, wenn ich sage, dass Jaromir und ich es schon vor der Saison ein wenig eingeplant hatten, diesen Rekord alsbald knacken zu können. Denn wenn wir uns Jaromirs Statistik der letzten zwölf Jahre anschauen, dann können wir daraus eine Torausbeute von rund 50 Treffern pro Saison herauslesen. Unter der Voraussetzung, dass er sich nicht verletzten wird, haben wir also schon mit dem Rekord gerechnet."
Weil dem so war, hielt sich der Jubel von Jagr und Jelinek über den neuen Torrekord auch in Grenzen.
"Die Euphorie über das Aufstellen des neuen Rekords war nicht überschwänglich. Man nutzt einen solchen Anlass vielmehr dazu, um in sich zu gehen und zu rekapitulieren, welche Tore davon die schönsten oder aber die wichtigsten waren. Denn der Weg zu dieser Marke ist schrecklich weit im Vergleich zu einem WM-Turnier oder einen Stanley Cup."
Umso mehr freuen sich beide, dass man über die neuen Bestmarken noch oft sprechen und schreiben wird:
"Solch eine Marke zu knacken, dass wird mit großen Lettern in den Annalen festgehalten. Und ich denke, es wird sehr lange dauern, bis es einem weiteren Europäer gelingen wird, so etwas zu erreichen."
Marian Jelinek, der den derzeit bestbezahlten Eishockeycrack der Welt Anfang der 90er Jahre während eines sommerlichen Trainingscamps in Marianske Lazne / Marienbad kennen lernte, ist mittlerweile einer der engsten Vertrauten des zweifachen Stanley Cup-Siegers sowie Olympiasiegers und Weltmeisters. Daher weiß er auch, ein profundes Urteil über seinen Schützling abzugeben:
"Am meisten schätze ich an ihm die Eigenschaft, dass seine Leidenschaft für das Eishockey ungebrochen ist. Kurzum: Er hat nichts von seinem Engagement verloren, mit dem er um Siege kämpft und die Zuschauer begeistert. Und solche Spieler sind rar gesät. Denn wenn zum Beispiel heute jemand ein, zwei Trophäen gewinnt, dann lässt er meistens etwas nach und wird selbstzufrieden. Es ist ja bekannt, dass es einfacher ist, einen Titel zu gewinnen als ihn zu verteidigen. Doch Jaromir ist das schon mehrmals gelungen."
Jaromir Jagr ist aber nicht nur wegen seiner Tore und spielerischen Finessen beliebt, sondern auch wegen seiner vorbildlichen Einstellung. Als die NHL-Saison 2004/05 wegen eines langwierigen Tarifstreits ausfiel, legte sich Jagr nicht auf die faule Haut, sondern begeisterte als Spieler von Kladno und Omsk sowohl die Fans in Tschechien als auch in Russland."Das allgemeine Vorurteil, dass NHL-Profis in Nordamerika nur wegen des Geldes spielen und sich daher im Ausland kaum blicken lassen, trifft auf Jaromir überhaupt nicht zu. Er spielt vielmehr aus einem inneren Antrieb heraus gern und überzeugend gut Eishockey. Und stets, wenn jemand etwas aus innerem Antrieb und mit Überzeugung macht, ist das eine phantastische Sache, egal ob es sich nun um einen Maler, einen Musiker oder einen Sportler handelt. In dieser Beziehung ist Jaromir einfach genial."
Aber auch ein Jagr ist kein Halbgott, der grenzenlose Fähigkeiten besitzt und niemals Schwächen zeigt. Als Mensch hat er jedoch stets dazugelernt.
"Ganz sicher hatte auch er seine Krisen, ob nun in Pittsburgh oder anderswo. Doch gerade die Krisen sind in einer sportlichen Karriere immer jene Momente, die einen stärken oder aber kaputt machen können. Jaromir gehört zu denen, die immer gestärkt aus ihnen hervorgegangen sind."
Mit seiner Klasse und seiner Einstellung will Jaromir Jagr noch einige Jahre zu den besten Cracks unseres Planeten gehören und seine Fans in Verzückung setzen. Und Marian Jelinek hat auch schon ein weiteres Ziel ausgegeben:
"Das Ziel, das wir haben, ist die möglichst lang anhaltende Fähigkeit von Jaromir, Eishockey auf einem sehr hohen Level zu spielen. Und wenn Jaromirs Gesundheit wenigstens noch drei, vier Jahre mitspielen sollte, dann wollen wir noch die NHL-Trefferquote seines langjährigen Lehrmeisters und Vorbilds Mario Lemieux angreifen. Ich sehe es als durchaus realistisch an, dass Jaromir diese 690 Tore schaffen kann."