Die schwere Last der freien Entscheidung

Vor der Wende wäre es das beste Spionagethema gewesen. Raketenpläne der Amerikaner. Was hätten die früheren kommunistischen Machthaber dafür gegeben, über einige Details informiert zu sein. Selbstverständlich, ohne dass die andere, also die US-amerikanische Seite es mitbekommt. Die Zeiten wandeln sich, Tschechien gehört nun zur freien Welt, und die hat mittlerweile neben amerikanischen Buletten auch amerikanische Raketen im Angebot.

Die Raketen könnten beim Nato-Mitglied Tschechien aufgebaut werden, schließlich gilt das Land als guter Verbündeter der Vereinigten Staaten. Zumindest glauben das die Amerikaner. Doch zwischen Böhmerwald und Beskiden wird derzeit heftig und emotionsgeladen debattiert, wie angenehm die Zuneigung aus Übersee ist. Das Spektrum reicht von jenen, vor allem den Bürgerdemokraten nahe stehenden Kreisen, die sich durch das Angebot der Amerikaner geschmeichelt fühlen, bis zu einer längst nicht nur kommunistisch geprägten Ablehnungsfront. So wenden sich seit dieser Woche beispielsweise auch einige Frauenorganisationen gegen die Verteidigungs-Pläne der Amerikaner, weil diese ihrer Meinung nach das Risiko von terroristischen Anschlägen in Tschechien erhöhen würden.

Allein, worum es wirklich geht, das ist kaum jemandem bisher klar. Nicht einmal den Volksvertretern, die vor kurzem an einem Seminar dazu im Außenministerium teilnahmen, aber vielleicht schon bald entscheiden müssen. Von den Offiziellen der Vereinigten Staaten, die dort zugegen waren, erfuhren sie ebenfalls nicht viel über die geplanten Raketenbasen und das dazu gehörige Radarsystem. Wollen die Tschechen wirklich mehr wissen, müssten sie sich an den amerikanischen Kongress wenden und dann wohl ganze Berge von Papier durchforsten. Alles natürlich in englischer Sprache.

So ist es eben mit der Freiheit. Schön ist es zwar, die Freiheit der Wahl zu haben, aber erst kraft des Wissens gelangt man auch einen Schritt weiter: souverän entscheiden zu können. Bis dahin ist man fast so schlau als wie zuvor, also wie zu den Zeiten, als es noch den Eisernen Vorhang gab.