Moral und Anstand: Wo ist ihr Platz in der globalen Welt?

Die Autobahnvignette für Lastkraftwagen sollte mit Beginn des neuen Jahres schon der Vergangenheit angehören. Sie sollte zum 1. Januar durch eine Maut ersetzt werden, deren Höhe anhand der gefahrenen Kilometer auf dem Autobahn- und Schnellstraßennetz ermittelt wird. Den Zuschlag für die Installierung des elektronischen Mautsystems hat die österreichische Firma Kapsch erhalten. Deren Konkurrenten, das Firmenkonsortium Mytia und das italienische Unternehmen Autostrade, ließen das Ergebnis der Auftragsvergabe jedoch mehrfach anfechten und verzögerten damit die technische Umsetzung des Projekts.

Die Autobahnvignette für Lastkraftwagen sollte mit Beginn des neuen Jahres schon der Vergangenheit angehören. Sie sollte zum 1. Januar durch eine Maut ersetzt werden, deren Höhe anhand der gefahrenen Kilometer auf dem Autobahn- und Schnellstraßennetz ermittelt wird. Den Zuschlag für die Installierung des elektronischen Mautsystems hat die österreichische Firma Kapsch erhalten. Deren Konkurrenten, das Firmenkonsortium Mytia und das italienische Unternehmen Autostrade, ließen das Ergebnis der Auftragsvergabe jedoch mehrfach anfechten und verzögerten damit die technische Umsetzung des Projekts. Und selbst nachdem die tschechische Wettbewerbsbehörde (UOHS) alle Beschwerden abgewiesen und Kapsch als Sieger der Ausschreibung bestätigt hatte, gaben die Italiener nicht klein bei. Beim Kreisgericht in Brno / Brünn klagten sie gegen die Entscheidung des Kartellamtes und erzwangen damit erst einmal den Stopp aller Arbeiten zur Installierung des Mautsystems.

Derweil donnern die Brummis immer öfter, schwerer und lauter über die billig nutzbaren Autobahnen des Landes. Bayern Staatsminister des Innern, Günther Beckstein, sprach bei der Verkehrsfreigabe der Autobahndirektverbindung von Prag nach Bayern davon, dass der Verkehr auf dieser Strecke in den zurückliegenden 20 Jahren um das Zwanzigfache gestiegen sei. Und der Lkw-Verkehr, so andere Quellen, hat sich seit dem EU-Beitritt Tschechiens im Mai 2004 ganz schnell verdoppelt. Eine Regelung dieser gewaltigen Verkehrsströme tut also Not. Die Lkw-Maut sollte ein Instrument dazu sein. Aber im Monopoly der globalen Wirtschaftsinteressen wird darauf keine Rücksicht mehr genommen. Die Italiener wollen ihre Niederlage nicht sportlich hinnehmen, sondern sie versuchen über jenes noch so kleine Hintertürchen, doch noch an den lukrativen Auftrag heranzukommen. Dabei stört es sie auch nicht, dass sie das tschechische Verkehrsministerium als Auftraggeber vielleicht gerade aus diesem oder einem anderen Grund der Zuverlässigkeit abgelehnt hat.

Ex-Präsident Vaclav Havel  (Foto: CTK)
Wo große Gelder fließen, sind Anstand und Moral zumeist nur noch ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Einer, der sich damit nicht abfinden will, ist der tschechische Ex-Präsident Vaclav Havel. Beim Intellektuellen-Treffen "Forum 2000", das Anfang der Woche in Prag stattgefunden hat, rief er dazu auf, ein internationales Mindestmaß an Moral und Anstand zu formulieren und es in würdiger Form in das Völkerrecht aufzunehmen. Das Forum befasste sich nicht ohne Grund mit den Dilemmata des globalen Zusammenlebens. Die internationalen Wirtschaftsbosse, die von der Globalisierung eindeutig am meisten profitieren, sollten eine Charta der Moral daher eigentlich schon heute verinnerlichen. Autostrade und andere Beispiele aber zeigen, wie weit sie vom Pfad der Tugend schon abgekommen sind.