Gerichtsbeschluss verzögert Einführungsprozess der Lkw-Maut in Tschechien
Über die tschechischen Autobahnen und Schnellstraßen rollt derzeit eine Lkw-Lawine nach der anderen. Kein Wunder, ist doch die für deren Benutzung zu zahlende Lkw-Gebühr mit umgerechnet neun Euro für eine Tagesvignette und ca. 500 Euro für eine Jahresvignette vergleichsweise billig. Und seit Mittwoch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich daran auch im nächsten Jahr nichts ändern muss, da es bei der Installierung eines Lkw-Mautsystems in Tschechien zu neuerlichen Problemen gekommen ist.
Im Sport gibt es neben den Siegern eigentlich immer auch Verlierer. Die sportliche Fairness gebietet es aber, eine Niederlage mehr oder weniger emotionslos hinzunehmen und zu versuchen, es beim nächsten Wettkampf besser zu machen. In der Wirtschaft aber sind die Bandagen weitaus härter. Das bekam jetzt erneut die österreichische Kapsch TrafficCom AG zu spüren, der Ende März der Auftrag zugesprochen wurde, auf dem tschechischen Autobahn- und Schnellstraßennetz ein elektronisches Mautsystem zu installieren. Bis zum Dienstag sah man die Beschäftigten dieser Firma bzw. die von ihr beauftragten Subunternehmen dann auch häufig auf den Autobahnen bei der Errichtung der für das System erforderlichen Mautstellen. Seit Mittwoch aber musste Kapsch per Einstweiliger Verfügung all diese Arbeiten einstellen, weil das Kreisgericht in Brno / Brünn einer weiteren Klage der Firma Autostrade entsprochen hat. Die Gesellschaft Autostrade war einer der Mitbewerber bei der Auftragsvergabe, war aber wegen formeller Unzulänglichkeiten sehr früh von dieser vom Auftraggeber, dem tschechischen Verkehrsministerium, ausgeschlossen worden. Mit dieser Ausbootung hat sich Autostrade bis heute noch nicht abgefunden. Deshalb hat das Unternehmen der abgeschmetterten Klage gegen das ihrer Meinung nach unrechtmäßíge Ausschreibungsverfahren nun eine weitere Klage folgen lassen. Und zwar gegen die Entscheidung der tschechischen Wettbewerbsbehörde (UOHS), die die Beschwerde von Autostrade zu Jahresbeginn abgewiesen und die Firma Kapsch als Auftragssieger bestätigt hatte. Zur jetzt vorliegenden Einstweiligen Verfügung erklärte die Sprecherin des Verkehrsministeriums, Marcela Zizkova, am Mittwochmorgen:
"Die Verfügung des Kreisgerichts Brünn respektieren wir. Wir haben die Arbeiten zum Mautsystem einstellen lassen und machen uns gegenwärtig mit dem Inhalt der Verfügung vertraut. Aber klüger werden wir wirklich erst nach dem detaillierten Studium dieser Verfügung sein."Die Firma Kapsch, die sich nie gern zu schwebenden Verfahren äußert, trägt diese vom Verkehrsministerium getroffene Entscheidung mit. Zumal die Einstweilige Verfügung vorerst nur bis zum 17. Oktober gilt, wenn sich das Kreisgericht mit dieser Angelegenheit befassen wird. Da das Kreisgericht an diesem Tag jedoch vermutlich noch kein Urteil fällen wird, besteht die Gefahr, dass die Realisierung des Projekts für längere Zeit auf Eis liegen könnte. Und was das bedeutet, dazu sagte Verkehrsminister Ales Rebicek:
"Wenn es natürlich so ausgeht, dass wir uns noch längerfristig mit diesem Problem auseinandersetzen müssen, dann müssten wir selbstverständlich wieder die zeitlich begrenzten Vignetten einführen. Das bedeutet, das Gesetz müsste novelliert werden, um zu den Vignetten zurückzukehren."Ursprünglich hatte der tschechische Staat mit der Einführung der Lkw-Maut zum 1. Januar 2007 gerechnet. Sollte sich dieses ehrgeizige Ziel aus den genannten Gründen nicht realisieren lassen, dann würden ihm die geschätzten Einnahmen von jährlich acht Milliarden Kronen (ca. 280 Millionen Euro) entgehen.