Was kommt nach Kapsch? Zwei Ausschreibungen zur Maut

Foto: Miloš Turek

Auf den Autobahnen und Schnellstraßen in Tschechien müssen Brummifahrer zahlen. Seit 2007 besteht eine Lkw-Maut, eingerichtet und betrieben von der Firma Kapsch. Doch der Vertrag mit den Österreichern läuft bereits in anderthalb Jahren aus – und hierzulande wird schon seit langem herumüberlegt, was danach kommen soll. Nun hat die Mitte-Links-Regierung entschieden. Doch die Zweifel bleiben.

Foto: Barbora Kmentová
Knapp 800 Autobahnkilometer gibt es in Tschechien und nicht ganz 500 Kilometer Schnellstraße. Wer diese mit seinem Lkw oder Lieferwagen nutzen will, für den reicht nicht die ansonsten übliche Vignette. Er wird vom Mautsystem der Firma Kapsch erfasst. Das Verkehrstechnologieunternehmen hat dazu Kontrollbrücken eingerichtet, die Fahrer erhalten eine sogenannte GO-Box. So groß wie eine Streichholzschachtel kommt diese Box ans Innere der Windschutzscheibe. Die Daten werden dann per Mikrowellentechnik übertragen.

Soweit die derzeitige Praxis. Bleibt dies aber auch ab dem Jahr 2017 so? Seit fünf Jahren beschäftigen sich die jeweiligen Verkehrsminister in Prag damit. Dass es seitdem sieben Ressortchefs gab, macht eine Antwort nicht leichter. Tatsache ist, dass auch dem derzeitigen Minister Dan Ťok die Zeit davonläuft. Deswegen hat er vergangene Woche im Kabinett seine Idee durchgesetzt, die da lautet: zwei Ausschreibungen hintereinander.

„Wir wollen zunächst eine Ausschreibung machen zum Betreiber des derzeitigen Maut-Systems“, so der Verkehrsminister.

Verkehrsminister Dan Ťok; Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Erst danach soll der tschechische Staat schauen, wer die Nachfolge antritt – egal ob die Firma nun ein mikrowellengestütztes System betreibt oder eines, das über GPS beziehungsweise Satellit läuft. Doch für welchen Zeitraum soll der erste Auftrag ausgeschrieben werden? Darüber gingen die Vorstellungen zunächst auseinander – vergangene Woche hatte es dazu noch keine Entscheidung gegeben. Minister Ťok:

„Wir glauben, dass es am effektivsten wäre, eine Ausschreibung über fünf Jahre zu machen. Das verspricht einen besseren Wettbewerb.“

„Wir“ schloss allerdings nicht auch die Koalitionspartner ein. Zwar sagt Verkehrsminister Ťok, dass ein längerer Zeitraum für mögliche Bewerber lukrativer sein dürfte. Das brächte wiederum mehr Interessenten, also mehr Konkurrenz und damit einen günstigeren Preis. Die Sozialdemokraten, allen voran Premier Bohuslav Sobotka, verweisen jedoch auf die Europäische Union. Denn Brüssel hatte bereits die bisherigen Exklusiv-Verträge mit Kapsch kritisiert und verlangt so schnell wie möglich eine sogenannte technologieneutrale Ausschreibung. Letztlich hat sich die sozialdemokratische Ansicht durchgesetzt. Bei der Kabinettssitzung an diesem Mittwoch votierten die Minister mehrheitlich für die Dreijahresvariante. Der Zuschlag für den neuen (oder alten) Maut-Betreiber soll im kommenden Jahr erfolgen. Das heißt aber auch, dass es das mikrowellengestützte System in Tschechien noch mindestens bis Ende 2019 geben wird.

Die Opposition fragt sich jedoch: Warum überhaupt zwei Ausschreibungen? Zbyněk Stanjura ist Fraktionschef der konservativen Bürgerdemokraten:

Zbyněk Stanjura; Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Wenn der Staat den Auftrag schnellstmöglich ausschreibt, dann könnte das Auswahlverfahren in anderthalb bis zwei Jahren erfolgen. Die genaue Dauer wird auch von den Fristen für mögliche Einwände durch das Kartellamt abhängen, das liegt nicht ganz in den Händen des Staates. Aber die Ausschreibung sollte so bald wie möglich erfolgen. Und je nach Verlauf des Verfahrens sollten die bestehenden Verträge mit Kapsch verlängert werden. Die Ausschreibung müsste aber bereits technologieneutral erfolgen. Ob dann das bestehende System siegt oder ein anderes, wird sich zeigen. Der tschechische Staat kann jedenfalls das ökonomisch vorteilhafteste Verfahren auswählen.“

Stanjura wirft der Regierung vor, dass die geplante erste Ausschreibung nur ein Feigenblatt sei. Letztlich könne ohnehin nur die Firma Kapsch siegen. Ähnlich sieht man das auch an der Fakultät für Verkehrswesen der Technischen Hochschule in Prag. Pavel Přibyl leitet die Fakultät:

„Ich denke, dass sich kein anderes vernünftiges Konsortium auf die Ausschreibung bewerben kann. Das liegt daran, dass Kapsch das System sehr gut betreibt und die Firma über das gesamte Knowhow verfügt. Das betrifft nicht nur den Datenfluss, sondern auch die gesamte organisatorische Seite. Dieses ganze Knowhow müsste einer anderen Firma übergeben werden. Eine solche Übergabe würde aber sicher viel Geld kosten.“

Pavel Přibyl erinnert zudem daran, dass es aus dem Jahr 2013 bereits einen Regierungsbeschluss gibt. Demnach sollte Tschechien zu einem EU-weit vereinheitlichten Mautsystem übergehen. Die Übergangslösung, die die Regierung wolle, biete hingegen keine Lösung.

Professor Pavel Přibyl; Foto: Tschechisches Fernsehen
„Was kann im Grunde passieren? Der öffentliche Auftrag wird ausgeschrieben, die Ausschreibung gewinnt entweder Kapsch oder eine andere Firma. Der Staat erzielt damit nichts, weil er in drei oder fünf Jahren wieder vor demselben Problem steht. Er wird de jure Eigner des Mautsystems, aber kann es dann immer noch nicht betreiben. Stattdessen müsste er sich schnellstmöglich mit dem System vertraut machen und die Steuerung übernehmen. Dann kann er zum konkurrenzfähigen europäischen Mautsystem übergehen.“

Konkret würde dies bedeuten, dass eine eigene, staatliche Organisation künftig das Mautsystem steuert. Ausgeschrieben und in Privathand vergeben wird dann nur noch die Verarbeitung der Mautdaten. Dazu müsste aber der Staat zum Beispiel entsprechende IT-Experten einstellen und weitere Leute, die das System beaufsichtigen.

„Dazu sollte eine Organisation gegründet werden, die praktisch der Mauterheber ist. Ausgeschrieben wird dann ein Auftrag für eine Firma, die die Mautdaten im mikrowellengestützten System einsammelt. Zugleich können Verträge mit Anbietern satellitengestützter Datensammlung aus anderen Ländern geschlossen werden, so dass Lastwagen von dort in Tschechien erfasst werden. Das läuft dann wie beim Roaming, wo man einen Vertrag mit seinem Handyanbieter hat und bei ihm auch die Gespräche im Ausland bezahlt. Mir kommt dies so klar und einfach vor, weil ich regelmäßig auch bei der Europäischen Kommission bin. Hierzulande scheinen wir die Probleme fast zu suchen anstatt sie zu lösen“, so Verkehrsexperte Pavel Přibyl.

Foto: Miloš Turek
Die Vorteile des europäischen Systems für die Lastwagenfahrer und die Logistikfirmen liegen auf der Hand: Es braucht nur eine einzige Anmeldung, und nachher hat der Fahrer nur eine einzige On-Board-Unit in seinem Brummi.

Tatsächlich war Verkehrsminister Ťok vergangene Woche genau mit diesem Vorschlag auch zur Kabinettssitzung gegangen. Demnach wären die fünf Jahre eine Art Übergangsfrist, damit der Staat zum Mauterheber wird. Dies fiel aber letztlich unter den Tisch. Die Regierung hat sich entschieden, dass die zweite Ausschreibung für das gesamte Maut-Gesamtpaket zugeschnitten werden soll und nicht nur für die reine Datensammlung. Ob das jedoch das letzte Wort ist, daran kann gezweifelt werden.

Autor: Till Janzer
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