Auf dem Prüfstand: Neue Regierung stellt die Vertrauensfrage

Das Abgeordnetenhaus (Foto: CTK)

Innerhalb von dreißig Tagen nach ihrer Vereidigung muss die Regierung im Abgeordnetenhaus die Vertrauensfrage stellen. So will es die tschechische Verfassung. Der neue Premierminister Mirek Topolanek hat diese Frist fast vollständig ausgeschöpft, die Vertrauensabstimmung für sein Team wurde auf Dienstag angesetzt. Dass die Demokratische Bürgerpartei (ODS) ein Minderheitenkabinett gebildet und im Vorfeld der Abstimmung keine parlamentarische Mehrheit ausgehandelt hat, das heizte die Debatte kurz vor dieser wichtigen Entscheidung noch einmal gehörig an. Gerald Schubert fasst zusammen.

Premierminister Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
Bereits am Wahlabend Anfang Juni war klar: Die Wunschkoalition von Mirek Topolanek, nämlich eine Koalition seiner Bürgerdemokraten mit den tschechischen Christdemokraten, die wird es nicht geben. Die Wähler hatten diesem Konzept eine relativ deutliche Abfuhr erteilt. Doch selbst nachdem Topolanek auch die Grünen mit ins Boot geholt hatte, die erstmals den Einzug ins Abgeordnetenhaus geschafft hatten, war die magische Zahl 101 nicht erreicht. So viele Mandate nämlich braucht man, um im 200 Sitze zählenden Unterhaus über die knappste aller möglichen Mehrheiten zu verfügen. Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Grüne kommen gemeinsam aber nur auf 100 Mandate - also eines zu wenig.

Das Abgeordnetenhaus  (Foto: CTK)
Trotzdem haben Vertreter dieser drei Parteien einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, der jedoch nie zu realpolitischer Geltung kam. Denn nachdem sich die Hoffnungen zerschlagen hatten, dass jemand aus der anderen Hundertschaft, also konkret aus der Sozialdemokratischen oder der Kommunistischen Partei, die Dreierkoalition unterstützen könnte, schaltete die ODS auf Alleingang und bildete eine Minderheitsregierung. Deren Programm aber gehe im Wesentlichen von dem einstigen Koalitionspapier aus, sagt Parteichef Topolanek:

"Es ist nur noch um einige Detailaspekte ergänzt, die wir auch in der verkürzten Legislaturperiode, die vor uns liegt, realisieren möchten. Auch mit diesem begrenzten Mandat wollen wir nämlich eine ganze Reihe von Prioritäten umsetzen. Und wir wollen Prozesse in Gang bringen, für die es unserer Ansicht nach einen Konsens quer durch das politische Spektrum gibt."

Von einem "begrenzten Mandat" spricht Topolanek deshalb, weil er das Land - so steht es gleich in der Präambel des Papiers - bereits nach neun Monaten zu vorgezogenen Wahlen führen möchte. Neun Monate, in denen aber so manche programmatische Frucht reifen könnte, meint Topolanek:

"Wir wollen einigen Schlüsselbereichen besondere Aufmerksamkeit widmen. Dazu gehören etwa der Kampf gegen die Korruption und eine ganze Reihe von konkreten politischen Instrumenten, die damit in Verbindung stehen. Außerdem glauben wir, dass wir - ebenfalls im Rahmen unseres begrenzten Mandats - auch für ein besseres Wirtschaften des tschechischen Staates sorgen müssen."


Das begrenze Mandat soll sich offenbar nicht nur in einer Verkürzung der Legislaturperiode niederschlagen, sondern auch im Abschleifen einiger inhaltlicher Kanten. Europäische Union, Sicherheit, Familien- und Gesundheitspolitik, Bildung, Korruptionsbekämpfung, Rentensicherung und Schaffung von neuen Arbeitsplätzen - das sind die Eckpunkte des kaum kontrovers formulierten Programms. Dieses sei daher nicht nur für Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Grüne akzeptabel, sondern könne auch andere Abgeordnete ansprechen, glaubt Topolanek.

Petr Necas a Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
"Es sind darin Elemente aus den Programmen dieser drei Parteien vertreten. Ich glaube aber, dass sich auch die Sozialdemokratie in diesem Programm wiederfinden und daher für diese Regierung stimmen kann."

Nicht nur politische Gegner des Regierungschefs sahen in solchen Worten aber stets eine gute Portion Zweckoptimismus. Denn nach dem Scheitern des Drei-Parteien-Projekts gaben sich selbst Vertreter der Christdemokraten und der Grünen über ihre Taktik bei der Vertrauensabstimmung bis zuletzt bedeckt. Und der sozialdemokratische Parteichef, Expremier Jiri Paroubek, dämpfte die Hoffnungen seines Nachfolgers ebenfalls:

"Es wird vermutlich das erste Mal in der Geschichte der Tschechischen Republik sein, dass eine Regierung nicht das Vertrauen des Abgeordnetenhauses erhält. Und ich glaube, dass diese Regierung durch ihr nicht gerade professionelles Vorgehen ihren Teil dazu beigetragen hat. Sie hat in Bereichen nach Unterstützung gesucht, wo es diese Unterstützung einfach nicht gibt, und dort wo sie möglich gewesen wäre, hat sie sie wiederum nicht gesucht. Daher wird sie nun mit größter Wahrscheinlichkeit eben keine Unerstützung bekommen."

Jiri Paroubek  (links)  (Foto: CTK)
Schützenhilfe bekommt Paroubek von Michal Hasek, dem Fraktionschef der Sozialdemokraten. Hasek erinnerte dabei an das viele Porzellan, das in letzter Zeit zerschlagen wurde - etwa als die Bürgerdemokraten den Sozialdemokraten vorwarfen, in ihrer Regierungszeit politische Gegner und Journalisten illegal abgehört zu haben:

"Ich bin schon zu alt, um an Wunder zu glauben. In einer Situation, wo die Regierung die Sozialdemokratie ständig angreift und beschuldigt, und wo sich dann am nächsten Tag zeigt, dass das alle diese Schuldzuweisungen nur Seifenblasen sind, und dass es für sie weder Argumente noch Beweise gibt, in dieser Situation kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, dass wir unsere Haltung ändern und für die Regierung der ODS stimmen", so der sozialdemokratische Fraktionschef Hasek.

Doch wie auch immer die Karten aussehen, die Topolanek in der Hand hat: An der Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus führt zunächst einmal kein Weg vorbei. Auch, wenn dort bis zuletzt keine gesicherte Mehrheit zu erwarten war. Zdenek Zboril, Politologe am Institut für Internationale Beziehungen in Prag:

"Den Versuch muss Topolanek machen. Das ist auch eine politische Tradition, und nicht nur eine Pflicht. Aber natürlich wird es für ihn außerordentlich schwer, denn es geht dabei nicht nur um den Inhalt seines Regierungsprogramms. Dort stehen ja im Wesentlichen Punkte, denen wohl die meisten Abgeordneten zustimmen könnten. Aber zwischen der ODS und den anderen Parteien gibt es eben nicht nur Barrieren, die man eventuell abbauen kann, sondern auch solche, die sich nicht so leicht überwinden lassen. Es sind zwischen diesen Parteien so viele böse Worte gefallen, dass der Inhalt des Regierungsprogramms wohl kaum eine Rolle spielen wird. Eher wird es wohl darum gehen, diese Regierung um jeden Preis zu verhindern."

Sollte das Abgeordnetenhaus der ODS-Minderheitsregierung am Dienstag die Gefolgschaft verweigern, dann wird Staatpräsident Vaclav Klaus aller Voraussicht nach erneut jemanden mit der Bildung einer Regierung beauftragen. Tschechien wäre dann vier Monate nach der Wahl etwa an der Stelle, an der jetzt Österreich steht. Dort wurde an diesem Sonntag gewählt.