Vermeintlicher tschechischer Abhörskandal platzte wie eine Seifenblase

Renata Vesecka (Foto: CTK)

Informationen über das Abhören von politischen Gegnern und unbequemen Journalisten sind normalerweise wichtige Bestandteile eines handfesten politischen Skandals. In Tschechien schien vor wenigen Tagen alles darauf hinauszulaufen. Doch schon bald stellten sich die Berichte, die dem Innenminister zugespielt wurden, als unwahr heraus. Mehr über den vermeintlichen tschechischen Abhörskandal erfahren Sie nun von Robert Schuster in einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.

Renata Vesecka  (Foto: CTK)
In der vergangenen Woche war Tschechiens Politik für einige Tage in heller Aufruhr. Noch nicht einmal einen Monat im Amt, setzte Innenminister Ivan Langer von der Demokratischen Bürgerpartei zu einem Paukenschlag an. Auf einer Pressekonferenz gab er bekannt, dass ihm Informationen zugespielt wurden, wonach die sozialdemokratisch geführte Vorgängerregierung unter Jiri Paroubek angeblich mehr als zwanzig Politiker und Journalisten bespitzeln und abhören ließ. Die Meldung schlug wie ein Komet ein und hat die ohnehin schon vergiftete Atmosphäre in der tschechischen Innenpolitik noch weiter zugespitzt.

In den Medien, die dieses Thema natürlich dankbar aufnahmen, machte vereinzelt bereits das Schlagwort vom tschechischen Watergate die Runde.

Was jedoch noch in der abgelaufenen Woche so dramatisch aussah, entpuppte sich kurz danach als Seifenblase. Am Wochenende verkündete die Oberste Staatsanwältin des Landes, Renata Vesecka, die mit den Ermittlungen beauftragt wurde, dass jener brisante Bericht, der dem Innenminister zugespielt wurde, unwahr ist. Somit steht außer Zweifel, dass die Vorwürfe des Innenministers jeglicher Grundlage entbehren. Es stellt sich also die berühmte Frage - Cui bono, das heißt, wem nützt das Ganze? Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des vermeintlichen Abhörskandals legt die Vermutung nahe, dass es sich um eine weitere Ausformung des permanenten Wahlkampfs handelt, der nun seit mehr als einem halben Jahr in Tschechien geführt wird und der höchstwahrscheinlich bis zu den Kommunal- und Senatswahlen Ende Oktober, dauern wird. Den Journalisten Peter Holub von der Internetzeitung aktualne.cz fragten wir, ob die bevorstehenden Wahlen, die von Vielen bereits zu einem inoffiziellen Referendum über die amtierende bürgerliche Minderheitsregierung hochstilisiert wurden, den Anlass für die Affäre gaben:

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
"Ich glaube, dass das der wahre Grund ist. Wenn man die Ereignisse der letzten Tage verfolgt, dann sieht man, dass vergleichbare Affären nun fest zum Parteienkampf gehören, der nun seit fast einem halben Jahr geführt wird. Vielen ist vielleicht noch Erinnerung, wie der damalige Premier Paroubek vor einigen Wochen namentlich drei Journalisten erwähnte, die in Zusammenarbeit mit irgendwelchen angeblichen düsteren Kräften aus dem Umkreis der Bürgerdemokraten eine Diskreditierungskampagne gegen ihn starten sollten. Das war ganz offensichtlich Unfug und auch jetzt hat sich gezeigt, dass Langers Vorwürfe an die Adresse der Vorgängerregierung glatter Unsinn waren. Die Substanz war in beiden Fällen die Gleiche: Es handelte sich um Vorwürfe, die generell nur sehr schwer zu beweisen sind. Jeder Politiker also, der mit solchen Anschuldingungen vor die Öffentlichkeit tritt, egal ob Paroubek oder Langer, geht fast kein Risiko ein - er kann aber seinen Konkurrenten zumindest ein wenig beschmutzen, weil natürlich einige Wähler letzten Endes solchen Aussagen einen großen Wert beimessen."

Premier Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
Die Reaktion der Sozialdemokraten auf die Vorwürfe ihrer politischen Konkurrenten war abzusehen. Parteichef Paroubek, der darin natürlich in erster Linie einen Angriff auf seine frühere Regierung sah, forderte die Spitzen der Bürgerdemokraten, einschließlich des Regierungschefs Mirek Topolanek, zum sofortigen Rücktritt auf. War das aber überhaupt ernst gemeint? Schließlich ist es in der tschechischen Politik zur Regel geworden, dass solche Affären in der Vergangenheit unter den Teppich gekehrt wurden und zu keinen Konsequenzen führten. Wird diese Entwicklung auch diesmal eintreten? Petr Holub:

"Ich denke, dass die jetzige Auseinandersetzung schon von grundsätzlicher Bedeutung ist, weil Innenminister Ivan Langer und Premier Mirek Topolanek sehr weit gegangen sind, in dem sie die Sozialdemokraten pauschal beschuldigten, ohne dafür Beweise zu haben. Die Sozialdemokraten können nun darauf hinweisen, dass die beiden Politiker nicht vertrauenswürdig sind. Kein Wunder, dass die frühere Regierungspartei bereits eine Sondersitzung des Parlaments einberufen hat, wo sie nun die beiden Politiker vorführen will. Paradoxerweise kann eben dieser Fall die Ausnahme von der Regel sein, dass solche Affären in Tschechien meist ohne irgendwelche Konsequenzen bleiben und in Vergessenheit geraten. Es ist ja nicht besonders schwer beim zuständigen Staatsanwalt zu erfahren, ob er dazu sein Einverständnis gab. Die oberste Staatsanwältin hat bereits diesbezügliche Ermittlungen angekündigt, so dass wir bald mehr wissen werden. Das heißt, auch wenn in der Vergangenheit bei ähnlichen Fällen immer wieder versucht wurde die Sache unter den Tisch zu kehren, können wir diesmal hoffen, dass es bei der Sache noch eine Entwicklung geben wird."

Innenminister Ivan Langer  (Foto: CTK)
In der Vergangenheit gerieten bei solchen und ähnlichen Affären häufig die Medien, die als erste diesbezügliche Informationen veröffentlichten, ins Schussfeld und wurden der Parteilichkeit bezichtigt. Wie stark sind Journalisten gegen die Versuche der Politiker gewappnet, dass sie instrumentalisiert werden? Gibt es in den Redaktionen irgendwelche Mechanismen, die das unterbinden könnten? Hören Sie dazu noch einmal den Journalisten Petr Holub von der tschechischen Internetzeitung aktualne.cz:

"Diese Mechanismen sind sehr schwach ausgeprägt. Wenn also die Politiker behaupten, dass Journalisten Dummköpfe sind, die sich für die Ziele der Politiker einspannen lassen, dann haben sie in Vielem leider Recht. Das Einzige, womit sich die Journalisten wehren können, ist die eigene Erfahrung und Qualität. Von den Redaktionsleitungen kann man wenig bis gar nichts erwarten - im Gegenteil. In vielen Fällen werden die Journalisten von ihren Vorgesetzten geradezu gedrängt, dass sie Berichte veröffentlichen, welche die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Medium richten würden. Die Gefahr, dass Journalisten und Medien von Politikern und Parteien vereinnahmt werden besteht also durchaus. Auf der anderen Seite gehören aber zum Beispiel jene Journalisten, die Paroubek seinerzeit der Parteilichkeit beschuldigte, zu den erfahrensten in Tschechien. Die würden mit sich nicht so manipulieren lassen."