Zum 100. Geburtstag von Jaroslav Jezek

Jaroslav Jezek

Seine Lieder kannte in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit fast jeder, und viele von ihnen sind bis heute populär. Kein Wunder, dass an den hundertsten Geburtstag des Komponisten Jaroslav Jezek derzeit ausgiebig erinnert wird. Auch Jakub Siska hat ihm den heutigen Kultursalon gewidmet.

Jaroslav Jezek kam am 25. September 1906 als Sohn einer Schneiderfamilie in Prag zur Welt. Seine Kindheit war alles andere als lustig: Er litt an grauem Star, und nach einer erfolglosen Operation wurde er fast blind. Als ob das nicht genug wäre, brachte ihn der Scharlach auch noch um sein Gehör. Nachdem sein Vater in den ersten Weltkrieg gezogen war, verbrachte Jezek ein paar Jahre in einer Blindenanstalt für Kinder.

Trotz dieser schwierigen Bedingungen studierte der begabte Junge am Prager Konservatorium, und dank einem reichen Mäzen konnte er eine Studienreise nach Paris unternehmen. 1928 kam es zum Schicksalstreffen seines Lebens: Jezek verband sich mit dem legendären Duo Voskovec und Werich, und in diesem Moment begann seine große Karriere. Er schrieb vor allem Filmmusik und Lieder für das so genannte "Befreite Theater". Wie zum Beispiel den "Bugatti-step" aus dem Stück Don Juan und Company.

Die erfolgreiche Ära von Jaroslav Jezek, aber auch die des Befreiten Theaters, endete 1938 mit dem Münchner Abkommen. Es war Jezek klar, dass er unter den ersten Verfolgten des Nazi-Regimes sein würde, und so reiste er noch im selben Jahr in die Vereinigten Staaten. Dort arbeitete er hauptsächlich als Chormeister eines Amateurchors, der aus tschechischen und slowakischen Emigranten zusammengesetzt war. Die Schwester von Jaroslav Jezek, Jarmila Strnadova, erinnerte sich später:

"Der Abschied war sehr schwierig für ihn. Bevor er weggegangen ist, hat er jeden Gegenstand zu Hause gestreichelt und gesagt: 'Wegen eines Trottels in Stiefeln muss man wie ein Räuber flüchten'. Er hat uns Briefe mit den Anreden 'Meine Mutti' oder 'Meine Geliebten' geschickt. Die Mutter hatte zunächst Angst, diese Briefe zu behalten, denn sie waren voll von antinazistischen Äußerungen. Erst später wagten wir uns, sie aufzubewahren. Er schrieb nämlich, wie sehr er bangte, er fühlte sich wie eine in fremden Boden versetzte Blume."

New York 15. 3. 1941

"Meine Geliebten,

endlich habe ich diese Woche sogar zwei Briefe von Euch bekommen. Ihr könnt Euch sicher meine Freude vorstellen, denn fast einen Monat lang habe ich nichts von Euch erhalten. Ich bin also wieder für eine Zeit zufrieden. Unser Chor gedeiht ganz gut, in einem Monat geben wir ein Konzert zum ersten Jahrestag unserer Gründung. Letzte Woche haben wir für viele Leute gesungen, und sie applaudierten wie niemand zuvor. Jeder sagt mir, dass es hier bisher noch nichts Vergleichbares gegeben hat, und dass es überraschend ist, wie schnell sich der Chor entwickelt hat. Das Komponieren geht mir auch gut von der Hand. Ich habe eine Klaviersonate geschrieben, und Dirigent Firkusny will sie so bald wie möglich aufführen."

Ende 1941 kamen plötzlich keine Briefe mehr. Den letzten hatte Jaroslav Jezek am 28. November geschrieben, aber er sendete ihn nicht mehr ab. Seine Mutter las ihn erst nach dem Krieg, nachdem ihn tschechische Emigranten in die Heimat mitgebracht hatten:

"Meine Geliebten,

die Leute kümmern sich mit brennender Sorge um mich, ich kann mich also über nichts beklagen. Es gibt da sogar ein Mädchen, das ganz mütterlich für mich sorgt. Es fehlt mir wirklich nichts, nur Euch alle möchte ich um mich herum haben."

Dieses Mädchen war Francis, ebenfalls eine tschechische Emigrantin. Es war Liebe auf den ersten Blick, und bald wurden die beiden ein Ehepaar. 1991 erinnerte sich Francis an diese bewegte Zeit:

"Ich habe ihn im Arbeitshaus kennen gelernt. Er organisierte dort einen Männerchor, und ich weiß nicht mehr, wie es eigentlich zu unserer Annäherung kam. Er war froh, dass ihm jemand half, sein Gesundheitszustand wurde nämlich immer schlechter. Er pflegte sehr oft ins Arbeitshaus zu gehen, und immer, wenn er gekommen ist, war überall gute Laune. Dort waren nur Arbeiter aus der Tschechoslowakei, und er fühlte sich wohl unter ihnen. Er sagte oft: 'Wohin sollte ich sonst gehen? Hier bin ich doch unter meinen Leuten!'"

Die Zeit des begabten Komponisten ging leider allzu rasch zu Ende. Im Dezember 1941 bekam er heftige Schmerzen, und am Heiligen Abend musste er ins Krankenhaus. Am Neujahrstag 1942 unterlag Jaroslav Jezek mit 35 Jahren einer Nierenerkrankung. Seine Frau Francis konnte das Werk ihres Mannes erst nach dem Krieg nach Prag bringen. Die Überreste von Jaroslav Jezek selbst wurden ebenfalls zum Begräbnis in seine Heimat überführt. Seine Kompositionen gelten bis heute als Grundlage der modernen tschechischen Musik.

Autor: Jakub Šiška
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