Journalistensyndikat will Rolle der Medien bei Wahlen neu diskutieren

Nach den jüngsten verbalen Angriffen des scheidenden tschechischen Premierministers Jiri Paroubek auf einige Journalisten am Wahlabend hat das tschechische Journalistensyndikat beschlossen, die Rolle der Medien bei Wahlen neu zu diskutieren. In einer neuen Ausgabe der Sendereihe "Im Spiegel der Medien" hat Silja Schultheis den Vorsitzenden des Syndikats, Herrn Miroslav Jelínek, ans Mikrophon gebeten.

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Herr Jelinek, Premierminister Jiri Paroubek hat sich für seine verbalen Attacken auf einige Journalisten am Wahlabend ja mittlerweile öffentlich entschuldigt. Ist diese Entschuldigung für das Journalistensyndikat akzeptabel?

"Die Entschuldigung kann vielleicht akzeptabel sein, aber nicht ganz. Denn der Premierminister hat gleichzeitig einige Strafanzeigen gegen Journalisten erstattet. Und da warten wir erstmal ab, wie das jetzt weitergeht."

Das Journalistensyndikat hat ja in letzter Zeit wiederholt seine Befürchtung darüber zum Ausdruck gebracht, dass tschechische Politiker sich bemühen, die freie Meinungsäußerung einzuschränken. Sind derartige Bemühungen Ihrer Meinung nach in Tschechien größer als in anderen Ländern?

"Ich denke, das Bemühen von Politikern, Journalisten einzuschränken, ist relativ normal und überall anzutreffen. Politiker haben prinzipiell daran Interesse, dass Journalisten ihre Gedanken publik machen und generell wenig Interesse an Themen, die Minuspunkte bringen können. Bei uns hat diese Tendenz, die Journalisten einzuengen, praktisch im Jahr 2005 begonnen. Damals hatten vor allem Politiker der größten Regierungspartei in Tschechien vor, das Pressegesetz zu verschärfen. Unser Pressegesetz ist wirklich sehr liberal, und jedwede Verschärfung würde eine Einschränkung der Pressefreiheit bedeuten. Dagegen haben wir protestiert. Später hat sich dieses Vorhaben der Politiker konkretisiert in einem Entwurf für ein neues Strafrecht."

Können Sie das etwas genauer erklären: inwiefern schränkt dieses neue Strafrecht die Pressefreiheit ein?

"In unserem Strafrecht gibt es den Strafbestand der üblen Nachrede. Das hat auch schon die Internationale Journalistenföderation moniert und darauf hingewiesen, dass das ein Gegenstand zivilrechtlicher Verhandlungen sein sollte und nicht Teil des Strafrechts. Die Autoren des neuen Strafrechts haben daraufhin die üble Nachrede wieder aus dem Gesetzestext entfernt, aber die tschechischen Abgeordneten haben sie erneut als strafrechtliches Delikt definiert. Zum Glück fand das Gesetz letztlich im Abgeordnetenhaus keine ausreichende Unterstützung und so gingen die Bemühungen der Politiker, die Pressefreiheit einzuschränken, ins Leere."

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Rolle von Institutionen wie dem Journalistensyndikat, sind sie in der Lage, eine starke Lobby zu bilden, wenn es zu Angriffen gegen die Presse- und Meinungsfreiheit kommt?

"Hier gibt es ein Problem, mit dem wir uns schon bei unserer Gründung 1990 konfrontiert sahen: Das Syndikat ist keine Gewerkschaft, sondern eine berufsbezogene Bürgerinitiative. Daraus folgt, dass wir nicht Partner bei Lohnverhandlungen oder bei Verhandlungen über Tarifverträge sein können, da wir eben keine Gewerkschaft sind. Unser Einfluss ist daher im Wesentlichen nur ein moralischer."

Warum funktioniert das Syndikat eigentlich nicht in Form einer Gewerkschaft?

"Das wollen die Journalisten nicht. Wir haben jetzt kürzlich eine Umfrage unter unseren Mitgliedern gemacht und sie gefragt, ob sie das Syndikat gerne als Gewerkschaft sehen würden. Dafür sprach sich lediglich ein Prozent der Mitglieder aus, der Rest war dagegen. Insofern beschränkt sich unsere Funktion darauf, eine Interessenvertretung für Journalisten zu sein. Darüber hinaus sind wir Mitglied der Internationalen und Europäischen Journalistenföderation und unterstützen alle ihre Bemühungen."

Eben die Internationale Journalistenföderation hat sich auch zu den jüngsten Attacken des tschechischen Premierministers Jiri Paroubek gegen einige Journalisten geäußert....

"Ja. Aidan White, der Generalsekretär der Internationalen Journalistenföderation, hat allgemein die Politiker aufgerufen, solche persönlichen Konflikte mit einzelnen Journalisten wie sie Jiri Paroubek vorgebracht hat, eher über die Interessenvertretung der Journalisten zu lösen. Weiter hat er uns empfohlen, eine Art Kodex zu erarbeiten, der das Verhalten von Journalisten, insbesondere während Wahlen festlegt. Wir wollen jetzt in Tschechien die Diskussion über dieses Thema eröffnen. Für den Herbst bereiten wir jetzt ein Seminar mit Medienvertretern vor, auf dem eben diese Frage im Mittelpunkt stehen soll."