61 Jahre nach Kriegsende: Schönwetterdiplomatie gegen die Schatten der Vergangenheit

Frank-Walter Steinmeier mit Cyril Svoboda (Foto: CTK)

8. Mai 1945, Kriegsende in der Tschechoslowakei. Heute ist der 8. Mai in Tschechien ein Feiertag, doch das war nicht immer so in der Nachkriegsgeschichte des Landes. Zur Zeit der kommunistischen Herrschaft fiel dieser Feiertag auf den 9. Mai, den Tag des Einzugs der sowjetischen Truppen in Prag. Ob nun durch den Prager Aufstand oder erst von russischen Panzern erkämpft: Das Ende des Nazi-Terrors stellt einen Wendepunkt in der Beziehung zu den deutschen Nachbarn dar. Jetzt entlud sich der Hass auf die ehemaligen Besatzer, Mord und Vertreibung waren die Folge. Spät aber doch gilt das tschechisch-deutsche Verhältnis mittlerweile als entspannt. 61 Jahre nach Kriegsende, 16 Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Machtblocks und zwei Jahre nach der Erweiterung der Europäischen Union gibt es nur wenige Themen, die das Klima belasten. Ein tschechisch-deutsches Beziehungs-Update von Gerald Schubert.

Frank-Walter Steinmeier mit Cyril Svoboda  (Foto: CTK)
"Sehr geehrter Herr Kollege, lieber Cyril! Ich bin dir zunächst einmal sehr dankbar für die Einladung nach Prag und vor allem für die meteorologischen Rahmenbedingungen, die du geschaffen hast, damit die Stadt bei meinem Besuch im schönsten Glanz erstrahlt", sagte vor wenigen Wochen der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu seinem tschechischen Amtskollegen Cyril Svoboda.

So also hört es sich an, wenn bei einem Arbeitsbesuch nicht nur am Himmel, sondern auch in den nachbarschaftlichen Beziehungen die Sonne lacht. Dass die sozialdemokratische Männerfreundschaft zwischen dem deutschen Exkanzler Gerhard Schröder und dem tschechischen Premierminister Jiri Paroubek mittlerweile nicht mehr auf Regierungsebene gepflegt wird, spielt dabei kaum eine Rolle. Auch mit Angela Merkel als Kanzlerin bleibt die Beziehungsmaschinerie gut geölt. Unter anderem deshalb, weil die handelnden Personen sich aus Brüssel gut kennen, und bilaterale Fragen auch im Rahmen der Europäischen Union besprochen werden.

Jiri Paroubek und Angela Merkel
All das bedeutet aber natürlich nicht, dass es keine Probleme gibt, die von der Politik angepackt werden müssen. Eine gute Großwetterlage in der Diplomatie definiert sich nicht durch die Abwesenheit von Wölkchen, sondern vielmehr durch den Willen und die Kraft, heikle Situationen gemeinsam zu meistern. Wie zum Beispiel die Frage, was mit den Gebeinen von mehr als 3000 Soldaten der deutschen Wehrmacht geschehen soll, die im Zweiten Weltkrieg gefallen waren. Die sterblichen Überreste dieser Männer wurden kürzlich in einer Lagerhalle im nordböhmischen Usti nad Labem / Aussig, in Kisten verpackt, aufgefunden. Mittlerweile hat die tschechische Armee sie auf ein Militärgelände in Mittelböhmen gebracht. Dort werden sie nun aufbewahrt, bis es eine endgültige Begräbnisstätte für sie gibt. Bundesaußenminister Steinmeier lobt die Zusammenarbeit mit der tschechischen Seite:

Wehrmachtssoldaten
"Dass für diese Gebeine der deutschen Soldaten eine würdige Übergangslösung gefunden worden ist, dafür sind wir dankbar. Wir wollen gemeinsam Sorge dafür tragen, dass in angemessener Frist, also möglichst bald, eine Begräbnisstätte gefunden wird."

Der tschechische Außenminister Cyril Svoboda wiederum stellte das Problem in einem größeren Rahmen dar - wohl auch deshalb, damit aus einer relativ gängigen Frage der zwischenstaatlichen Pietät kein tschechisch-deutsches Unikum wird:

"Die Verantwortung für die Lösung dieses Problems trägt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Dieser übt seine Tätigkeit in Bezug auf die Gefallenen des Ersten und des Zweiten Weltkriegs aus, und das nicht nur auf dem Gebiet der Tschechischen Republik, sondern in vielen Staaten Europas, einschließlich Russlands. Für uns stellt die Situation also ein rein technisches Problem dar, das die tschechisch-deutschen Beziehungen nicht belastet."


Bei der bilateralen Beziehungspflege spielt seit 1997 der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds eine große Rolle. Er finanziert humanitäre Hilfe für die Opfer nationalsozialistischer Gewalt, fördert in Bereichen wie Jugendarbeit, Ökologie, Kultur oder Wissenschaft verschiedene grenzüberschreitende Projekte und stellt eine Plattform dar für den bilateralen Dialog. Auf Basis der Deutsch-Tschechischen Erklärung ins Leben gerufen, sollte er ursprünglich im Jahr 2007 auslaufen. Über eine eventuelle Fortführung des Zukunftsfonds wurde seit längerem spekuliert. Eine Hoffnung, die sich nun erfüllen dürfte. Frank-Walter Steinmeier:

"Ich freue mich und bin auch ein bisschen stolz darauf, wie gut es uns Deutschen und Tschechen auf Basis der gemeinsamen Erklärung gelungen ist, Fragen der Vergangenheit ebenso zum Gegenstand unserer Gespräche zu machen wie Fragen der Zukunft. Deshalb habe ich gerne zugesichert, dass auch wir Deutschen ein Interesse daran haben, dass der Zukunftsfonds fortgeführt wird. Ich habe gerade für das Außenministerium die budgetären Grundlagen für den Haushalt 2007 beantragt. Zu entscheiden hat das Parlament - aber wir sind eigentlich sicher, dass der Zukunftsfonds weitergeführt werden kann."

Amtskollege Cyril Svoboda assistiert:

"Auf beiden Seiten besteht der Wille, dass dieses Projekt weiter finanziert wird. Konkrete Summen können aber erst genannt werden, wenn die Expertengespräche zu diesem Thema abgeschlossen sind."


Jiri Paroubek und Frank-Walter Steinmeier
Wölkchen, die das Schönwetter manchmal ein bisschen trüben können, gibt es auch im Rahmen der Europäischen Union. Dort können sich ja bekanntlich Kapital, Waren und Dienstleistungen frei bewegen, Arbeitskräfte jedoch immer noch nicht: Zwei Jahre nach der EU-Erweiterung haben zwar mehrere alte Mitgliedstaaten ihren Arbeitsmarkt für die neuen Unionsbürger aus dem Osten geöffnet, andere aber - darunter Deutschland und Österreich - machen nach wie vor von den Übergangsfristen gebrauch, die theoretisch bis zum Jahr 2011 gelten. Der tschechische Premierminister Jiri Paroubek sagte nach seiner Unterredung mit Frank-Walter Steinmeier:

"Wir haben über die Übergangsfristen gesprochen. Die Haltung der deutschen Bundesregierung ist aber leider unverändert. Andererseits ist es eine Tatsache, dass Deutschland, was die Arbeitslosigkeit betrifft, schlechter dran ist als Tschechien."

Kann diese Frage die tschechisch-deutschen Beziehungen ernsthaft gefährden?

"Schauen Sie: Freunde müssen sich ja nicht in allem entgegenkommen", sagt Jiri Paroubek.