Melissa Shiffs "Postmoderne jüdische Hochzeit" in der Spanischen Synagoge

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In unseren Sendungen haben wir Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, bereits über den 100. Gründungstag informiert, den das Jüdische Museum in Prag in diesem Jahr begeht. Anlässlich des runden Jubiläums werden das ganze Jahr hindurch verschiedene Veranstaltungen organisiert. Zwei Ausstellungen, die die Geschichte sowie die Gegenwart der jüdischen Hochzeitszeremonie zeigen, kann man seit der vergangenen Woche in Prag besichtigen. Mehr erfahren Sie von Martina Schneibergova und Susann Reißig im folgenden "Spaziergang durch Prag".

In der Robert Guttmann-Galerie, die zum Jüdischen Museum gehört, wurde unter dem Titel "Mazal Tov - viel Glück" eine Ausstellung zur Geschichte und Gegenwart der Hochzeitszeremonie eingerichtet. Präsentiert werden darin vor allem Gegenstände aus den Museumssammlungen. Diese wurden durch einige Exponate ergänzt, die von Privatpersonen geliehen wurden. Zu sehen sind die verschiedensten Gegenstände, die mit dem Thema Hochzeit zusammenhängen - von Hochzeitsringen und Kleidern über Hochzeitsgratulationen bis hin zu Fotos und Hochzeitsgeschenken. Bestandteil der historischen Präsentation sind auch eine Videoaufnahme von einer jüdischen Hochzeit aus dem Jahr 2000 sowie eine Tonaufnahme einer Hochzeitszeremonie von 1983 - also aus der kommunistischen Zeit, in der es nur wenige Religionszeremonien gegeben hat. Über diese Ausstellung möchten wir Sie in der nächsten Ausgabe dieser Sendereihe informieren.

In den folgenden Minuten aber laden wir Sie zunächst in die Spanische Synagoge ein, wo ebenfalls eine Ausstellung zum Thema der jüdischen Hochzeit eröffnet wurde. Bestandteil der Schau ist die musikalische Begleitung von "Solomon and Socalled´s Hip Hop Khasene", zu der Sophie Solomon, Josh Dolgin, Michael Alpert und David Krakauer gehören.

Michaela Hajkova und Melissa Shiff  (Foto: Autorin)
Das Museum veranstaltet also gleichzeitig zwei völlig unterschiedliche Ausstellungen über die jüdische Hochzeitszeremonie. Dies hängt damit zusammen, dass es nicht nur in der Museumsarbeit, sondern auch im Prager jüdischen Leben zwei Aspekte gibt, von denen aus man dieses Ritual betrachtet - die Vergangenheit und die Gegenwart, sagt Michaela Hajkova, Kuratorin des Ausstellungsprojekts der kanadischen Künstlerin Melissa Shiff. Unter dem Titel "Die Verwandlung des Rituals - eine postmoderne jüdische Hochzeit" wurde eine Videoinstallation in die Ausstellung integriert. Über die Gründe für die wenig traditionelle Präsentation sagte Michaela Hajkova:

"Wir wollten neben der historischen Ausstellung auch eine Überarbeitung des klassischen Hochzeitsrituals zeigen. Deswegen entschieden wir uns für das Projekt von Melissa Shiff, bei dem es um die Vorführung eines 25 Minuten dauernden Videofilms geht, der aus Aufzeichnungen der Hochzeit der Künstlerin mit ihrem Mann Louis Kaplan entstanden ist. Die Videoinstallation stellt eine kreative Haltung zum Ritual dar."

Warum entschied sich die Künstlerin, aus ihrer eigenen Hochzeit eine lebendige Performance zu machen? Melissa Shiff sagt, sie befasse sich vor allem mit Neueinrahmungen und Umgestaltungen von Ritualen:

"Ich machte eine Performance auf der 42. Straße in New York - es wurde ´Times Square Seder, Featuring the Matzah Ball Soup Kitchen' genannt. Ich formte außerdem auch andere Rituale um. Als ich mich mit meinem Partner entschied, dass wir heiraten, war es von Anfang an klar, dass ich daraus ein überarbeitetes Ritual machen will."

Das Thema des von Melissa Shiff erwähnten New Yorker Happenings mit der "Mazzeknejdel-Suppenküche" war Obdachlosigkeit, Hunger und Pesach. Den "Seder", mit dem der Sederabend, also der Auftakt des jüdischen Pesach-Festes gemeint ist, versuchte sie in zeitgemäßen Formen zu präsentieren.

In ihrer Prager Videoinstallation bietet die Künstlerin einen alternativen Blick auf die traditionelle jüdische Hochzeitszeremonie, den sie mit modernen Ausdrucksmitteln gestaltet:

"Ich bin eine Visualkünstlerin, und das Video war für mich das Medium, mit dem ich arbeiten wollte. Die Chuppa - der Trauungsbaldachin - ist für mich eine Skulpturform, die man frei gestalten kann, und es gibt keine Einschränkungen, wie sie aussehen soll."

Für ihre künstlerische Bearbeitung der eigenen Hochzeit nutzte Melissa Shiff zahlreiche zeitgenössische künstlerische Verfahren: Die choreographisch gestaltete Performance wird durch Digitalvideoprojektion sowie durch Fotobilder ergänzt. Den heiligen Text, der beim Hochzeitsritual erklingt, nimmt die Künstlerin nicht unkritisch zur Kenntnis. Sie findet es wichtig, das Ritual, das in unserem Leben zweifelsohne seinen Platz hat, mit einer neuen Bedeutung zu erfüllen. Kuratorin Michaela Hajkova sagt:

"Es geht darum, dass die Zeremonie nicht leer wird. Es ist wichtig, das Ritual wieder in unser Leben zurückzuführen und es auf den heutigen Lebensstil zu beziehen. Damit demonstrieren wir, inwieweit wir uns mit dem eigenen Erbe, mit der eigenen Vergangenheit identifizieren. Wir werden damit selbstbewusster. Und dies versuchte Melissa Shiff darzustellen."

Wie reagierten die Hochzeitsgäste, die Verwandten und Freunde, als sie erfahren haben, dass sie gleichzeitig Mitwirkende einer Performance sind? Melissa Shiff dazu:

"Sie haben sich alle riesig gefreut und waren einfach begeistert. Eine Person sagte, sie habe gefühlt, das sei die jüdischste Hochzeit gewesen, die sie erlebt habe. Sie waren alle glücklich und meinten, dass wir uns sehr bemühen würden, die Tradition mit einzubeziehen, und zwar auf eine sehr kreative Weise."

Am Anfang schuf Melissa Shiff nur eine kürzere Fassung ihrer postmodernen jüdischen Hochzeit. Dieser 7-minütige Film stand auf dem Programm des jüdischen Filmfestivals in Seattle, Toronto und Buenos Aires. Als sie von Michaela Hajkova angesprochen wurde, ein Projekt für die Spanische Synagoge in Prag zu machen, entschied sich die Künstlerin, das Projekt diesem Milieu anzupassen und zu erweitern:

"Das ist nicht nur ein Film, sondern vielmehr eine Installation. Dieser Kontext, das historische Milieu verleiht dem Werk viel Kraft. Frau Hajkova hatte eine gute Vision, wie das Material gerade hier zu nutzen ist. Ich denke, dass war eine glänzende Idee."

"Die postmoderne jüdische Hochzeit" von Melissa Shiff können die Besucher der Spanischen Synagoge noch bis zum 4. Juni sehen. Die Synagoge ist außer am Samstag und den jüdischen Feiertagen täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Die Künstlerin bereitet im Rahmen der Veranstaltungen zum 100. Gründungstag des Jüdischen Museums noch ein weiteres Projekt vor. Dieses soll im September dieses Jahres in der ehemaligen Kleinen Pinkas-Gasse installiert werden. Mehr über die Künstlerin erfahren Sie unter: www.melissashiff.com.