Schicksale junger Andersdenkender
Ob Ostalgie in Deutschland oder Parties mit den Songs aus den 60ern in Prager Diskotheken - nostalgisch denken Viele angesichts von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Druck vor allem an die angenehmen Seiten des Sozialismus. Dabei besteht aber die Gefahr, dass vor allem junge Leute die Verbrechen, die begangen wurden, die sie aber selbst nicht mehr erlebt haben, außer Acht lassen. Nun soll eine Broschüre Jugendlichen die Schicksale junger Andersdenkender vor der Samtenen Revolution näher bringen. Renate Zöller erklärt, worum es geht.
Die Verbrechen, die während des Kommunismus in Tschechien verübt wurden, sind vielen Jugendlichen heutzutage kaum bewusst. In der Schule werden diese Themen nämlich häufig stiefmütterlich behandelt, Lehrer präsentieren den Stoff allzu schematisch und trocken oder lassen ihn einfach unter den Tisch fallen. Um den Schülern die jüngste Vergangenheit näher zu bringen, will die tschechische Behörde für die Dokumentation und Ermittlung von Verbrechen des Kommunismus (UDV) nun eine Dokumentation herausgeben, in der es ebenfalls um Jugendliche geht: Fälle in denen junge Menschen vom sozialistischen Regime verfolgt wurden.
Die etwa zwanzigseitige Broschüre soll konkrete Beispiele aus den Jahren vor 1989 beschreiben und dokumentieren, etwa von Studenten, die wegen "antikommunistischer Gesinnung" von der Universität ausgeschlossen wurden. Oder es geht um drei junge Männer, die erschossen wurden, als sie versuchten, heimlich die Staatsgrenze zu überqueren. Prokop Tomek, Historiker vom UDV, will den Schülern und Studenten keine theoretische Abhandlung, sondern möglichst präzise Fallbeispiele bieten: "Die Schüler sollen etwas Handfestes in den Händen halten, das wird nicht irgendeine Erzählung. Sie können sich selbst anhand von zeitgenössischen Dokumenten davon überzeugen, wie ein solcher Fall aussieht, wie die Staatsmacht und die Geheimpolizei StB an das Problem herangegangen sind und wie sie die jungen Leute bestraft haben." Die Wissenschaftler hoffen, dass auf diese Weise das Bewusstsein der tschechischen Schüler dafür geschärft wird, wie das sozialistische Regime Andersdenkende verfolgt hatte. Die jungen Leute sollen so mehr über die politischen Schauprozesse der fünfziger Jahre, über den Prager Frühling 1968 und über die Phase der so genannten Normalisierung in den Jahren danach erfahren. Das liegt natürlich auch im Interesse des Schulministeriums, wie dessen Pressesprecherin Michaela Lagronova erklärt:"Das Bildungsministerium unterstützt dieses Projekt insgesamt. Nichtsdestotrotz können wir uns bei der Produktion eines solchen Hefts oder bei dessen Distribution als Lehrmaterial nicht einmischen. Das muss wirklich jede Schule für sich selbst entscheiden, wie sie zu diesem Projekt steht und ob sie mit dieser Organisation, dem UDV, zusammenarbeiten will oder nicht."
Bleibt abzuwarten, ob viele Schulen die Ansicht teilen, die Schüler sollten sich anhand der Fakten selbst ein Bild machen können. Das wäre natürlich auch im Sinne der Behörde zu Aufklärung der Verbrechen des Kommunismus, die ihrem Auftrag, die Verbrechen nicht nur zu recherchieren sondern auch zu dokumentieren damit gerecht würde.