Slavkov / Austerlitz - nicht nur Napoleon
In einer der letzten Ausgaben des Reiselandes Tschechien haben wir anlässlich des 200. Jahrestags der Schlacht von Austerlitz über die Veranstaltungen berichtet, die im dortigen Schloss stattfanden und noch stattfinden werden. Die südmährische Stadt Slavkov / Austerlitz hat jedoch noch mehr als Erinnerungen an die Napoleonischen Kriege zu bieten. Nach Slavkov laden Sie Martina Schneibergova und Thomas Kirschner im folgenden Reiseland Tschechien ein:
Das Schloss in Slavkov / Austerlitz ist eine monumentale Barockresidenz. Das Gebäude, in dem das Historische Museum beheimatet ist, hat drei Flügel und einen großen Ehrenhof. Das Schloss wurde an der Stelle einer mittelalterlichen Renaissance-Festung erbaut. Mit dem Bau wurde Ende des 17. Jahrhunderts begonnen. Der ursprüngliche Entwurf stammt von dem italienischen Architekten Domenico Martinelli aus Lucca, der nur den Bau des westlichen Schlossteils beendete. Seine Arbeit setzten dann die Architekten Ignacio Valmaggini und Wenzel Petruzzi fort. Mehr als 400 Jahre lang war das ganze Schlossareal im Besitz einer einzigen Adeligenfamilie - der Kounics. Durch das Schloss führt uns die Mitarbeiterin des Museums Jana Pospichalova. Der erste Raum des nördlichen Schlossflügels, den man besichtigen kann, ist der so genannte Ahnensaal:
"Am Wertvollsten ist in diesem Saal der Stammbaum der Familie Kounic, der aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt. Es handelt sich um eine Federzeichnung auf Ziegenleder. Der ganze Stammbaum reicht in die Mitte des 10. Jahrhunderts zurück und spaltet sich später in einen böhmischen und einen - bekannteren - mährischen Zweig. Auf einem Gemälde kann man hier das berühmteste Mitglied der Familie Kounic, Vaclav Antonin Kounic, sehen. Zu seiner Zeit wurde der südliche Schlossteil erbaut und mit ihm der gesamte Bau vollendet. Da er Kanzler der Kaiserin Maria Theresia war, wurde er neben ihrer Büste dargestellt."Zu sehen ist da auch eine Büste seines Vorfahren Dominik Ondrej Kounic, der den westlichen Flügel erbauen ließ. Durch diesen Schlossteil werden auch die Besucher weiter geführt. Man kommt an einem kleinen Raum vorbei, der als das Badezimmer für die Herren diente. Das Meißner Porzellan, mit dem es ausgestattet ist, stammt von der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert und erinnert an den vorletzten Schlossbesitzer, Dr. Vaclav Kounic. Die Begleiterin macht auf eine Kuriosität aufmerksam:
"Das Herrenbadezimmer ist der erste Raum im westlichen Schlossflügel, und so kann man hier die erste Deckenfreske bewundern. Sie unterscheidet sich von ähnlich aussehenden in den folgenden Räumlichkeiten platzierten Fresken. Denn diese Freske sollte das Dienstpersonal, das hier angestellt war, daran erinnern, dass sie darüber, was sie hier gesehen haben, schweigen sollen."
Im folgenden Raum, der so genannten kleinen Galerie der Familie Kounic findet man natürlich Porträts der berühmten Familienmitglieder. In der Galerie gibt es ähnlich wie in allen weiteren Räumlichkeiten des westlichen Schlossflügels eine steinerne Ausmauerung, die mit einer Gesichtsplastik verziert ist.
"Dieses hinab schauende Gesicht ändert sich in jedem Raum, in einem lächelt es, in einem anderen macht es eine finstere Miene, im nächsten Raum schmunzelt es wieder. Diese Ausmauerung samt Plastiken ist ein Werk von Giovanni Giuliani, der auch die Mehrheit der im Schlosspark platzierten Statuen schuf. In der Galerie findet man noch eine einzigartige Verzierung - eine Figur eines kleinen Engels, der oben auf einem Sims sitzt. Obwohl der Engel sehr plastisch aussieht, ist es nur ein Wandgemälde, und nur der über dem Sims hängende Fuß ist wirklich plastisch und wurde von einem Bildhauer geschaffen, der natürlich mit dem Maler zusammenarbeiten musste."
Zu den viel bewunderten Schlosszimmern gehört der Orientalische Salon, in dem chinesisches und japanisches Porzellan ausgestellt ist, das dem vorletzten Schlossbesitzer Vaclav Kounic gehörte. Unter den Porträts der verschiedenen Kounic fehlt nicht das Bild der angeblich schönsten Dame, die im Schloss lebte:"Es war Marie Eleonore von Sternberg, die Frau von Ondrej Kounic, der das Barockschloss erbauen ließ. Sie war ungewöhnlich schön und ist die am häufigsten porträtierte Dame der ganzen Galerie in Slavkov."
Der größte und wohl bekannteste Saal des Schlosses ist der so genannte historische Saal, sagt Jana Pospichalova:
"Eben hier wurde am 6. Dezember 1805 der Waffenstillstand zwischen Frankreich und der Habsburgischen Monarchie besiegelt. Für Frankreich unterzeichnete ihn Marschall Berthier und für Österreich Fürst Liechtenstein. Ursprünglich wurde der Saal von Vaclav Antonin Kounic für geheime Verhandlungen genutzt. Als der Saal gebaut wurde, achtete Kounic sehr auf die Akustik. Denn er wollte nicht, dass Menschen, die hinter der Tür lauschen, etwas von den politischen Diskussionen mitbekommen. Aufgrund der ungewöhnlich guten Akustik im Raum, kann man sich hier nur leise unterhalten, um einander zu verstehen. Sobald man lauter spricht, übertönt das entstehende Echo alles andere. Und diejenigen, die hinter der Tür lauschen, verstehen dann natürlich gar nichts mehr."
Heutzutage wird der Saal für verschiedene Festveranstaltungen genutzt - wie beispielsweise Vernissagen oder Konzerte. Abiturienten werden hier Zeugnisse überreicht und auch Hochzeiten finden hier statt.
Das Barockschloss ist wohl die bekannteste, aber nicht die einzige historische Sehenswürdigkeit der Stadt Slavkov. Auf dem Marktplatz kann man die klassizistische Kirche der Auferstehung, das so genannte "Herrenhaus" sowie das Renaissancerathaus besichtigen. Die Stadt, die heute etwa 6000 Einwohner hat, bemüht sich seit den neunziger Jahren verstärkt um Tourismus. Bürgermeister Petr Kostik dazu:"Als wir über die weitere Stadtentwicklung sprachen, einigten wir uns im Stadtrat auf eine maximale Unterstützung des Fremdenverkehrs. Es war notwendig, das entsprechende Angebot, beispielsweise Sporteinrichtungen, auszubauen. Unserer touristisches Angebot stützt sich auf die reichhaltige Geschichte unserer Stadt."
Heute ist es für die Stadt ist kein Problem mehr, die zahlreichen Gäste unterzubringen, die anlässlich des Jahrestags der Schlacht von Austerlitz anreisen. Unter ihnen sind immer auch Vertreter der Partnerstädte von Slavkov, wie der Bürgermeister bestätigt:
"Zu den Partnerstädten gehören die französische Stadt Darney, das polnische Slawkow, das österreichische Horn und das holländische Austerlitz. Die Tatsache, dass es in den Niederlanden auch ein Austerlitz gibt, ist vielleicht weniger bekannt. Ich möchte nur erklären, wie der niederländische Ort zu seinem Namen kam. Als sich Napoleon auf einen eventuellen Feldzug gegen England vorbereitete, hatte er unter anderem auch ein Militärlager in den Niederlanden errichtet. Die Soldaten, die in diesem Lager ausgebildet wurden, nahmen auch an der Schlacht von Austerlitz teil und benannten das Lager später nach der siegreichen Schlacht. Das ursprüngliche Dorf Austerlitz ist heute Bestandteil der Stadt Zeist. Die Gemeinde wurde an der Stelle des ehemaligen Militärlagers gegründet."Neben den Partnerstädten pflegt die Stadt Slavkov im Rahmen eines Netzwerks Kontakte zu weiteren europäischen Städten, die ähnlich wie Slavkov mit bedeutenden historischen Ereignissen verbunden sind. Was die Stadtgeschichte betrifft, betont Bürgermeister Kostik noch ein aktuelles Ereignis:
"Es gelang uns im vergangenen Jahr vor allem dank einiger passionierter Geschichtsfans, eine lange geplante Ausstellung über die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in unserer Stadt zu eröffnen. Neben der Synagoge befand sich einst eine jüdische Schule, die wir zu renovieren begannen. In der ehemaligen Schule wurde ein kleines Museum eingerichtet. Es gibt hier auch einen alten jüdischen Friedhof. Dies sind drei Sehenswürdigkeiten, die an die jüdische Geschichte der Stadt erinnern."Die Bewohner von Slavkov haben vor fünf Jahren die zwar verlorene Tradition der Kirchweihfeste wieder ins Leben gerufen. Nach den Worten von Bürgermeister Kostik nehmen zwar nicht viele junge Menschen an dem inzwischen in Slavkov regelmäßig veranstalteten Volksfest teil.
"Es ist jedoch wichtig, dass die Bewohner die Chance haben, das Fest zu feiern. Denn es ist Bestandteil unserer regionalen Tradition. Ich finde es schön, wenn dabei Menschen zusammenkommen, die dieses Stück Geschichte am Leben halten."